Artikel 03/12/2012

Die Blinddarmentzündung: Wie wird sie festgestellt? Wie wird sie behandelt?

Dr. med. Franz Huber Facharzt für Allgemeinchirurgie, Notfallmediziner
Dr. med. Franz Huber
Facharzt für Allgemeinchirurgie, Notfallmediziner
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Die Blinddarmentzündung ist auch heute immer noch eine der häufigsten Erkrankungen, die chirurgisch operativ behandelt werden müssen. Noch vor 60 Jahren hatte sie oft einen tödlichen Ausgang und erst mit der Verfügbarkeit von Antibiotika wurden die Ergebnisse und die Überlebenschancen besser. Aber auch heute kann die Appendicitis (wie wir Mediziner die Blinddarmentzündung auch nennen) schwere Komplikationen, lange Krankenhausaufenthalte und bleibende Spätschäden nach sich ziehen, nämlich dann, wenn die Entzündung zu spät erkannt und zu spät behandelt (operiert) wurde. Und genau das ist es, worüber ich ein paar Gedanken austauschen möchte.

Ich glaube, das Ziel muss heute sein, eine Appendicitis rechtzeitig festzustellen und zu behandeln, dass es gar nicht erst zu den Komplikationen und Spätfolgen (Verwachsungen, Unfruchtbarkeit bei jungen Frauen usw.) kommen kann.

Was genau zu einer Entzündung des Blinddarms führt, lässt sich in den meisten Fällen nicht genau bestimmen. Wir kennen eine Vielzahl von möglichen Ursachen, aber die festzustellen würde in der Regel nichts am Verlauf der Erkrankung verändern und daher ist es für uns nicht von Bedeutung. Eine Blinddarmentzündung kann praktisch in jedem Lebensabschnitt auftretenm, aber am häufigsten kommt sie im Kindes- und Jugendalter sowie bei jüngeren Erwachsenen vor.

Der Beginn und Verlauf einer Appendicitis können völlig unterschiedlich sein. Es gibt die hochakute Form, bei der der Patient z. B. in den Morgenstunden plötzlich mit Schmerzen im Unterbauch wach wird, sich zunehmend krank und elend fühlt und kaum mehr in der Lage ist zu gehen. Wenige Stunden später kann der Blinddarm bereits durchbrechen - mit einer schweren Bauchfell-Entzündung im Unterbauch, wenn nicht rechtzeitig chirurgisch eingegriffen wird.

Dann sehen wir die eher langsame Verlaufsform, bei der sich die Beschwerden über mehrere Tag hinziehen, mit der Zeit immer schlimmer werden und schließlich auch in einer schweren, eitrigen Entzündung enden.

Auch eine chronische Verlaufsform mit immer wiederkehrenden Beschwerden und beschwerdefreien Intervallen ist nicht selten. Ich habe sie oft bei Kindern oder Jugendlichen gesehen. Die werden wiederholt wegen Bauchschmerzen von der Schule nach Hause geschickt. Wenn sie dann vom Arzt untersucht werden, sind die Symptome unklar und die Diagnose wird nicht gestellt. Ich hatte erst vor wenigen Monaten kurz hintereinander zwei Kinder mit genau solchen Beschwerden. Man hatte den inzwischen ziemlich verzweifelten Eltern sogar eine psychiatrische Behandlung der Kinder nahe gelegt. Wie sich bei der pathologischen Untersuchung der von mir entfernten Blinddärmchen herausstellte, lag in beiden Fällen eine eitrige Entzündung vor. Den Kindern geht es inzwischen bestens und der Psychiater wurde nicht benötigt.

Wie stellt man nun eine Blinddarmentzündung fest?

Bei der akuten Appendicitis ist das ziemlich einfach. Der Untersuchungsbefund, insbesondere der Tastbefund ist eindeutig. Der Patient ist hoch akut krank, der Bauch gespannt und sehr druckschmerzhaft. Oft haben die Patienten Fieber. Die Entzündungswerte im Blutbild sind erhöht.

Schon deutlich schwieriger wird es bei den langsameren Verlaufsformen oder gar bei der chronischen Appendicitis.
Laboruntersuchungen saind hier nur selten hilfreich. Der größte Teil dieser Patienten hat normale Entzündungswerte. Röntgenuntersuchungen wie Computertomographie oder MRT sind ebenfalls nur in seltenen Fällen erfolgreich bei der Diagnosestellung. Am ehesten hilft uns noch der Ultraschall bei der Beurteilung des Blinddarms, zumal die Untersuchung völlig unschädlich ist und kostengünstig und ohne größeren Zeitaufwand gemacht werden kann. Gleichzeitig lassen sich oft gynäkologische Probleme, die eine Blinddarmentzündung sehr täuschend nachahmen können, feststellen. Aber auch dem Ultraschall sind Grenzen gesetzt und in vielen Fällen lässt er uns auch völlig im Stich.

Wie kommen wir also weiter?

Ich denke, als erstes muss man sehr genau hinhören, was die Patienten erzählen, wie sie ihre Beschwerden schildern, wie der bisherige Verlauf der Krankheit war usw.

Die klinische Untersuchung mit den bloßen Händen ist für mich ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Diagnose. In der Frühphase einer Blinddarmentzündung finden sich die Schmerzen oft in der Nabelgegend und wandern erst mit Fortschreiten der Entzündung an die klassische Stelle im rechten Unterbauch.

Ganz wesentlich erleichtert wird uns heute der nächste Schritt (natürlich bei entsprechenden Beschwerden und Leidensdruck) durch die Möglichkeit der Mini-Laparoskopie (Mini-Bauchspiegelung). Über ein feines, 5 mm dickes Röhrchen wird eine Minikamera in den Bauch eingeführt. Darüber kann nun der ganze Bauch bis tief ins Becken und bis unter die Zwerchfellkuppen genau eingesehen werden. Bei jungen Frauen lassen sich Erkrankungen der Fortpflanzungsorgane (Gebärmutter, Tuben, Eierstöcke) feststellen bzw. ausschließen. Dünn- und Dickdarm können beurteilt werden. Lymphknotenvergrößerungen werden erkannt und wenn erforderlich können Proben entnommen werden. Und schließlich wird auch der Blinddarm genau unter die Lupe genommen und in der Regel auch entfernt.

So gelingt es uns, Frühstadien einer Blinddarmentzündung zu erkennen und erfolgreich zu behandeln. Der Aufenthalt in der Klinik nach dem kleinen, ca. 15- bis 20-minütigen Eingriff beträgt in der Regel 1 bis 2 Tage und bereits eine Woche später sind die Patienten meist auch wieder einsatzfähig in Schule oder Beruf.

Ich glaube, es gibt heute keinen Platz mehr für längeres Beobachten der Patienten unter stationären Bedingungen, um sie dann nach einigen Tagen wieder zu entlassen, ohne dass wirklich festgestellt wurde, was denn eigentlich los war. Die immer noch zu hörendee Meinung einiger Chirurgen 'nur ein im Eiter schwimmender Blinddarm ist ein guter Blinddarm, der eine Operation rechtfertigt ’ halte ich für überholt und nicht mehr vertretbar.

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