Artikel 12/10/2016

„Gefühl“ und „Emotion“: Wo liegt der Unterschied?

Dipl.-Psych. Rainer Poulet Heilpraktiker für Psychotherapie
Dipl.-Psych. Rainer Poulet
Heilpraktiker für Psychotherapie
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Es ist hilfreich, zwischen „Gefühl“ und „Emotion“ zu unterscheiden. Gewöhnlich werden beide Begriffe als bedeutungsgleich verstanden und synonym gebraucht; dies kann jedoch für Verwirrung sorgen.

Was ist ein Gefühl?

Mit ‘Gefühl’ bezeichnen wir die angeborene Fähigkeit, zu fühlen. Der Vorgang ist unmittelbar und der Wahrnehmung ähnlich. Wir fühlen von Anfang an, ob wir etwas mögen oder nicht, ohne darüber nachdenken zu müssen.

Wir fühlen Hunger, Wärme, Kälte, Schmerz, Lust, Verlassenheit, Geborgenheit, Zufriedenheit usw. und das bereits als Neugeborene. Diese Gefühle sind offensichtlich bei allen Menschen sehr ähnlich. Niemand mag z.B. Hunger oder Schmerz, jeder mag Geborgenheit oder Zufriedenheit. Das wird unser ganzes Leben lang so bleiben. Dieses „Seelenvermögen“ ist die Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Verständigung zwischen Menschen möglich ist, auch wenn sie sonst nichts gemeinsam haben.

Was sind Emotionen?

‘Emotionen’ hingegen sind Produkte unseres Fühlens, die durch mentale Vorgänge, d.h. Gedanken, Erwartungen, Meinungen, Einstellungen, Vorstellungen, Wünsche und Absichten, bedingt werden. Sie unterliegen damit, wie alle mentalen Vorgänge, einer gewissen Relativität. Gedanken, Meinungen, Erwartungen, Vorstellungen können falsch sein oder Täuschungen unterliegen.

In solch einem Fall sind die durch sie ausgelösten Gefühle ebenfalls falsch, d.h. dem eigentlichen Sachverhalt nicht angemessen. Unsere Fähigkeit zu fühlen, unterscheidet kaum, ob wir etwas tatsächlich erleben oder uns nur mental vorstellen. Darauf beruht die Möglichkeit, ein erwünschtes Verhalten mental zu trainieren, aber auch die verheerende Wirkung von unrealistischen Gedanken bei etwa Ängsten, Zwängen und Depressionen - dies sind die häufigsten psychischen Störungen in unserer Gesellschaft.

So kommt es vor, dass wir keinen anderen Weg mehr kennen, als äußerlich auf das Nervensystem einzuwirken, etwa durch Drogen oder Psychopharmaka, um die entgleisten Emotionen zu normalisieren bzw. zu manipulieren. So kann der Alltag weitergehen, man ist wieder funktions- bzw. arbeitsfähig. Wenn es schlimmer wird, kann man die Droge oder das Medikament erneut einnehmen. Im Kopf ändert sich mit dieser Vorgehensweise jedoch nichts!

Wie funktioniert die Kognitive Verhaltenstherapie?

In der Kognitiven Verhaltenstherapie wird eine andere Vorgehensweise angewendet: Die problematischen gedanklichen Konzepte und Vorstellungen, die hinter den Emotionen stecken, werden zum Gegenstand der Bearbeitung.

Dies ist nicht leicht, da unsere gedanklichen Vorgänge in hohem Maße auf Gewohnheiten beruhen und dadurch sehr schnell und wenig bewusst sind. Aber es lohnt sich, sie aus der Versenkung zu holen und genauer zu betrachten. Viele mentale Konzepte stammen aus früheren Entwicklungsstadien und wurden nicht weiterentwickelt. Oder sie stammen nicht von uns selbst - im Gegensatz zu unseren Gefühlen - sondern äußeren Einflüssen, insbesondere aus der Herkunftsfamilie.

Wir haben nie gelernt, zu unterscheiden, ob ein mentaler Inhalt aus unserer eigenen Erfahrung kommt oder durch andere Personen in uns abgelegt wurde. Wir wissen aber meistens, dass wir unseren Gefühlen mehr vertrauen können als unseren Gedanken. Wenn auf einem Gegenstand „heiß, nicht anfassen!“ steht, er sich aber nicht heiß anfühlt, akzeptieren wir unser Gefühl als zuverlässigere Information.

So einfach ist es allerdings selten im Alltag, weil Menschen einander täuschen und Zweifel säen, um eigene Vorteile daraus zu schlagen. Dieses Vorgehen schadet unserem Selbstvertrauen, indem es uns an der Richtigkeit unseres Fühlens zweifeln lässt.

In der Therapie wird nun angestrebt, dieses gestörte Selbstvertrauen in die eigene Basisfähigkeit des Fühlens zu stärken und den problematischen Denkgewohnheiten entgegenzusetzen. Dazu gibt es viele Methoden, die jedoch alle dasselbe Ziel haben: Glaube nicht alles, was du denkst!

Viele unerwünschte Emotionen beruhen auf gelernten falschen Vorstellungen, die einer vernünftigen Überprüfung nicht standhalten. Die Denkmuster können mit einiger Übung realistischer und vor allem weniger leidvoll werden. Das emotionale Gleichgewicht, die psychische Stabilität und die soziale Anpassungsfähigkeit werden in der Folge besser, häufig kann sogar auf Psychopharmaka verzichtet werden oder es gelingt, diese im Gebrauch einzuschränken. Auf diese Art und Weise erreichen Sie zumeist das Therapieziel!

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