Artikel 22/04/2017

Schilddrüsenoperation: ja oder nein? Unnötige Eingriffe vermeiden!

Prof. Dr. med. Jens Waldmann Facharzt für Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurg, Viszeralchirurg
Prof. Dr. med. Jens Waldmann
Facharzt für Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurg, Viszeralchirurg
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In Deutschland erkranken jedes Jahr ca. 3.500 Patienten an einem Schilddrüsenkarzinom. Wann ist eine OP wirklich notwendig?

Aufgaben der Schilddrüse

Die Schilddrüse ist eine endokrine Drüse, die paarig angelegt und am Hals unterhalb des Kehlkopfes sitzt. Sie liegt vorne der Luftröhre an und hat Kontakt zur Speiseröhre. Hinten befinden sich die vier Nebenschilddrüsen und jeweils ein Stimmbandnerv, den es bei jeder Schilddrüsenoperation sorgfältig zu schonen gilt.

Die schmetterlingsförmige Drüse bildet das Schilddrüsenhormon, das einen wichtigen Einfluss auf den Stoffwechsel vieler Organe hat. Darüber hinaus ist sie für die Bildung des Proteins Calcitonin zuständig, das in gewisser Weise der Gegenspieler eines Hormons ist, das Einfluss auf den Kalziumstoffwechsel nimmt. Das normale Gewicht einer Schilddrüse beträgt bei Männern bis 25 Gramm, bei Frauen bis 20 Gramm.

Wird im Ultraschall ein Knoten festgestellt, sind viele Patienten verunsichert, da immer die Angst vor Schilddrüsenkrebs mitschwingt. Aber nicht jeder Schilddrüsenknoten muss operiert werden.

OP bei Schilddrüsenkrebs: ja oder nein?

In Deutschland werden jedes Jahr ca. 90.000 Patienten an einem Schilddrüsenknoten operiert, aber nur ca. 3.500 haben wirklich ein Karzinom. Vor allem wenn sie keine Beschwerden verursachen, sollte der Arzt immer eine sogenannte Feinnadelpunktion durchführen, bei der Zellen des Knotens vom Pathologen untersucht und eingeordnet werden.

Die Klassifikation ist nach den Bethesda-Kategorien I-VI vorzunehmen: Die Kategorien I-III werden kontrolliert und IV-VI operiert. So könnte vielen Patienten eine Schilddrüsenoperation erspart bleiben.

Anders sind die Empfehlungen bei Schilddrüsenvergrößerungen, die zu Beschwerden führen. Auch hier sollten individuelle Faktoren, wie Alter, Begleiterkrankungen und Ausmaß der Beschwerden bei der Entscheidung Berücksichtigung finden.

Weitere Gründe für die Schilddrüsenentfernung

Neben dem Verdacht oder Nachweis eines Schilddrüsenkarzinom gibt es andere Gründe, einem Patienten einen oder beide Schilddrüsenlappen zu entfernen:

  • ein überfunktioneller Knoten, der zu groß ist, um ihn durch eine sogenannte Radiojod-Therapie zu behandeln und eine dauerhafte medikamentöse Therapie nicht gewünscht und ratsam ist
  • viele überfunktionelle Knoten (auch multifokale oder dissiminierte Autonomie) in einer Schilddrüse, die zu groß für die Radiojod-Therapie ist und eine medikamentöse Therapie nicht angebracht ist
  • eine autoimmunbedingte Erkrankung mit Überfunktion der Schilddrüse und einem Schilddrüsenvolumen über 50-60 ml oder kontraindizierter oder abgelehnter Radiojodtherapie (sog. M. Basedow)
  • eine Schilddrüsenvergrößerung, die zu mechanischen Problemen (Einengung der Luftröhre, Einflußstauung), Schluckbeschwerden oder Fremdkörpergefühl führt

Morbus Basedow: autoimmunbedingte Schilddrüsenüberfunktion

Eine der häufigsten funktionellen Störungen ist der Morbus Basedow, bei dem eine Überfunktion durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst wird. Beim Morbus Basedow kann gleichzeitig eine Erkrankung der Augenweichteile vorliegen, die sogenannte endokrine Orbitopathie.

Symptome einer endokrinen Orbitopathie sind der sogenannte Exophtalmus, bei dem die Augen aus der Augenhöhle hervortreten. Sehstörungen mit Blickfeldeinschränkungen, Schmerzen und Entzündungen sind die Folge.

Die häufigsten strukturellen Erkrankungen der Schilddrüse …

… sind eine Vergrößerung (Struma) und Schilddrüsenknoten. Das Risiko für ein Schilddrüsenkarzinom in einer Struma mit vielen Schilddrüsenknoten liegt in Jodmangel-Gebieten epidemiologischen Studien zur Folge bei 3-5 %. Das Risiko einer Schilddrüse mit nur einem Schilddrüsenknoten ist mit 10-15 % etwas höher, wenn er Jod nicht speichert, was mit der Methode der Schilddrüsenszintigraphie festzustellen ist.

Die Vergrößerung wird nach der Weltgesundheitsorganisation in vier Schweregrade eingeteilt.

Wie gut ist die Prognose?

Man unterscheidet folgende Typen: das papilläre, das follikuläre, das undifferenziertes und das medulläres (C-Zell) Schilddrüsenkarzinom. Die Prognose ist abhängig von Tumorstadium und Typ, gilt aber im Allgemeinen als sehr gut. Nur beim undifferenzierten Schilddrüsenkarzinom ist sie schlechter.

Welche Diagnostik ist erforderlich?

Die Diagnostik bei Schilddrüsenknoten oder einer Struma besteht im Allgemeinen aus einem Halsultraschall, einer Laboruntersuchung und häufig auch einer nuklearmedizinischen Untersuchung (Szintigraphie).

Eine präoperative Stimmlippenspiegelung beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt ist unbedingt erforderlich und wird in den Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen, um eine Qualitätskontrolle nach erfolgreicher Behandlung zu gewährleisten.

Was bedeutet eine Operation an der Schilddrüse?

Das operative Spektrum bei Schilddrüsenoperationen reicht von der Entfernung eines oder beider Schilddrüsenlappen bis hin zur Thyreoidektomie mit radikaler Ausräumung der medialen und lateralen Halslymphknoten.

Dabei sollte vor einer Operation immer kritisch die Indikation geprüft werden, um unnötige Operationen zu vermeiden und so das Risiko postoperativer Komplikationen zu minimieren.

Die Operation sollten nur Spezialisten durchführen, die eine Lupenbrille und einen Neuromonitorings (IONM) verwenden.

Was sind die Risiken einer Schilddrüsenoperation?

Die Hauptrisiken nach einem Eingriff an der Schilddrüse sind eine Verletzung des Stimmbandnervens, Schädigungen der Nebenschilddrüsen und Nachblutungen.

Um eine Schädigung des Stimmbandnervens zu verhindern, wird heute ein sogenanntes Neuromonitoring eingesetzt, bei dem der Stimmbandnerv mit einer Elektrode stimuliert und über ein akustisches Signal eindeutig identifiziert werden kann.

Das sogenannte kontinuierliche Neuromonitoring ist eine Weiterentwicklung und gibt bei den geringsten Veränderungen des abgeleiteten Potentials ein akustisches Warnsignal, so dass eine Schädigung des Nervs vermieden wird.

Das Risiko einer Schädigung der Nebenschilddrüsen wird durch die Verwendung einer Lupenbrille minimiert, das der Nachblutung wiederum über moderne Geräte zur Gefäßversiegelung. Dabei kann weitgehend auf Fremdmaterial wie Metallklipps oder Ligaturen verzichtet werden.

Was ist nach der Operation zu beachten?

Je nach feingeweblichem Untersuchungsbefund kann beim Schilddrüsenkarzinom eine Radiojodtherapie indiziert sein. Eine Ausnahme stellt das sogenannte Mikrokarzinom (

Nach einer Entfernung eines oder beider Schilddrüsenlappen muss dem Körper Schilddrüsenhormone in Tablettenform zugeführt werden, um eine Unterfunktion zu vermeiden.

Sind die Lymphknoten entlang der Halsgefäße befallen, müssen sie unabhängig vom Karzinom-Typ ausgeräumt werden, was als modifizierte Neckdissection bezeichnet wird. Auch dieser Eingriff sollte durch einen endokrinen Chirurgen erfolgen, der auf diese Art von Operationen spezialisiert ist.

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