Artikel 26/02/2010

Schamlippenverkleinerung - ein "Modetrend" unserer Zeit?

Dr. med. Susanne Schinner Plastischer & Ästhetischer Chirurg
Dr. med. Susanne Schinner
Plastischer & Ästhetischer Chirurg
schamlippenverkleinerung-schamlippenkorrektur

In den letzten Jahren wird die ästhetische Intimchirurgie immer mehr zum Bestandteil der medialen Welt. In vielen \‘Lifestyle\’-Magazinen kann man über Intimoperationen, insbesondere die Verkleinerung der inneren Schamlippen lesen. Immer mehr junge und ältere Patientinnen denken über einen Eingriff dieser Art nach.

Dieses Thema erfordert von allen Seiten, eine kritische Auseinandersetzung. Ohne Zweifel polarisiert es nicht nur  die davon hörende oder lesende Bevölkerung sondern auch die Ärzteschaft. Man findet zwischen einer kompletten Ablehnung dieser Eingriffe bis zu einer zweifelsfreien Zustimmung alle Meinungen. Ist es nur der \‘Medien-Hype\’, der den Wunsch zu einem solchen Eingriff bei Frauen induziert? Beschäftigen sich die betroffenen Frauen schon lange mit der Problematik und wussten bisher nur nicht, dass es eine Möglichkeit der Korrektur gibt?

Ich möchte als Frau und Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie einen Einblick in diese Problematik geben und versuchen, das Thema möglichst objektiv zu behandeln. In meiner Praxis werde ich oft mit dem Wunsch nach einer \‘ästhetischen\’ Korrektur im Intimbereich konfrontiert. In erster Linie bin ich Ärztin und um das physische und seelische Wohl  derer besorgt, die sich vertrauensvoll in meine Hände begeben. Zusätzlich bin ich aber auch ästhetische Chirurgin. Dies birgt unwillkürlich einen Konflikt, mit dem ich mich kritisch auseinandersetzen muss. Meine Erfahrungen möchte ich darlegen, um etwas mehr Klarheit zu schaffen, auch wenn sie sicher nicht als allgemein gültig angesehen werden sollten.

Nach vielen und sehr ausführlichen Gesprächen mit meinen Patientinnen, wurde deutlich, wie schambehaftet diese Thematik ist. Viele Frauen sprechen weder mit Ihrem Partner noch mit Ihren Freundinnen über Probleme dieser Art und fühlen sich damit allein gelassen. Selbst der behandelnde Gynäkologe wird oft nicht ins Vertrauen gezogen. Nach Auskünften meiner Patientinnen befürchten Sie die Ablehnung durch den Arzt und das Gefühl nicht ernst genommen zu werden. Sie stehen mit ihren Problemen allein da. Der Weg zum männlichen Plastischen Chirurgen fällt bei dieser Thematik auch oft schwer.

Aber was sind denn nun die Probleme? Finden die betreffenden Frauen ihre kleinen Schamlippen (Labia minora) einfach nicht schön? Ist es ein \‘Jugendwahn\’ oder ein \‘Modetrend\’ der sich auf so eine Art und Weise darstellt? Ist das Selbstbild aus der Mitte herausgerückt - \‘verrückt\’? Steckt vielleicht eine Ablehnung durch den Partner dahinter oder einer gestörte Beziehung? Alles Fragen, die es zu klären gilt, wenn man sich mit der Patientin auseinandersetzt und sie sinnvoll beraten will. Die meisten Patientinnen, die sich an mich wenden, haben glaubhafte und nachvollziehbare Probleme. Es gibt wenige Dinge am Körper eines Menschen, die in Ausprägung und Größe individuell so unterschiedlich sein können wie die kleinen Schamlippen. Die meisten Patientinnen, die sich an mich wenden, haben stark ausgeprägte kleine Labien, entweder anlagebedingt oder nach der Geburt eines Kindes. Sie berichten glaubhaft über Probleme beim Sport und bei sexuellen Aktivitäten. Insbesondere bei Sportarten wie dem Reiten und dem Radfahren entzünden sich die verlängerten kleinen Schamlippen oft, was für die betroffenen Patientinnen sehr unangenehm ist. Meist bestehen zudem Probleme beim Sex. Die kleinen Schamlippen klappen schmerzhaft ein, stören den Liebesakt und mindern daher nicht selten die Lust bei der Frau. Einige Frauen berichten auch von psychischen Hemmungen, in eine gemischte oder gleichgeschlechtliche Sauna zu gehen. Und erleben daher eine Einschränkung ihrer Lebensqualität.

Seitdem ich mit der Frage nach ästhetischen Eingriffen im Intimbereich konfrontiert werde, hat sich mein Denken etwas verändert. Ich muss gestehen, dass ich obwohl ich eine Frau bin, anfänglich sehr skeptisch war und ich allein nach der Lektüre verschiedener Artikel in den Medien nicht verstehen konnte, wieso eine Frau so eine Operation durchführen lässt. Ich hielt es ausschließlich für einen \‘Modetrend\’, den ich verurteilte. Nun möchte ich aber für die Mehrzahl der Patientinnen eine Lanze brechen. Ich nehme die meisten Patientinnen, die sich mit dieser Thematik an mich wenden, als gestandene und selbstbewusste Frauen zwischen 30 und 40 Jahren wahr. Sie unterliegen nicht dem Schönheits- oder Jugendwahn, sind in der Regel noch nie beim plastischen Chirurgen gewesen und haben glaubhafte Probleme. Sie wünschen sich eine \‘Normalisierung\’ der Länge Ihrer Labien und damit eine Lösung der anatomisch bedingten Unwegsamkeiten. In den meisten Fällen liegt nicht nur ein ästhetischer Aspekt sondern auch eine funktionelle Einschränkung wie oben beschrieben vor. Es liegt in der Verantwortung und in der Ethik des behandelnden Arztes, zu entscheiden, ob er die Durchführung einer Korrektur befürworten kann oder nicht. Natürlich kann der Genitalbereich auch eine Projektionsfläche für seelische Probleme sein. Nicht selten wünschen sich diese Patienten eine komplette Entfernung oder maximale Reduktion der kleinen Schamlippen. In diesem Fall würde eine Operation keine Lösung bringen und wäre auch aus funktionell-anatomischer Sicht nicht sinnvoll. Die kleinen Schamlippen haben eine Funktion und diese muss erhalten bleiben!

…und welchen Einfluss haben die Medien? Viele Patientinnen berichten mir, dass Sie sich schon seit Jahren eine Korrektur wünschen, aber weder wussten, dass dies operativ möglich ist, noch sich jemals getraut haben darüber zu sprechen. In diesen Fällen haben die Medien Aufklärungsarbeit geleistet. Sie haben aufgezeigt, dass es eine Lösung gibt. Natürlich hat  auch diese Medaille zwei Seiten, denn die mediale Präsenz des Themas führt oft auch zu einer neuen \‘Mode\’. \‘Frau\’ hat die Operation eben machen lassen, weil es gerade \‘in\’ ist. Es sollte nie vergessen werden, dass es sich hier um eine Operation handelt, die zu den gleichen Komplikationen wie bei jeder anderen Operation auch führen kann. Ein chirurgischer Eingriff darf nie zu einem Modetrend degradiert werden. Der behandelnde Arzt trägt die Verantwortung, als Berater zum Wohle der Patientin tätig zu sein.
 
Ich möchte aber jede Frau ermutigen, die über eine solche Operation nachdenkt, die Scham zu überwinden und mit ihrem Partner sowie dem Arzt/der Ärztin ihres Vertrauens zu reden! Haben Sie keine Angst vor Ablehnung oder davor, nicht ernst genommen zu werden. Es gibt mehr Frauen, als Sie denken, die Ihre Probleme teilen.
 
Ihre
Dr. Susanne Schinner

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