Artikel 07/01/2013

Resilienz – Was die Arbeitskraft erhält

Prof. Dr. Jörg Pscherer Psychologischer Psychotherapeut, Psychologe
Prof. Dr. Jörg Pscherer
Psychologischer Psychotherapeut, Psychologe
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Eine gesunde Arbeitswelt zeichnet sich aus durch geringe Fehlzeiten und leistungsstarke Arbeitnehmer, die zugleich zufrieden sind. Eine Unternehmensführung, die Glück als privaten Anspruch und Leistung als reine Pflicht abwertet, ist längst veraltet. In den letzten Jahren massiv gestiegene Krankheitszahlen fordern moderne Antworten, die auf Bedürfnisse und Nöte der einzelnen Mitarbeiter eingehen. Wichtiger noch als die Frage, was Mitarbeiter krankmacht, ist jedoch die Frage, was sie gesund erhält.

Genau damit beschäftigt sich die Forschung der Resilienz – mit der Widerstandsfähigkeit des Menschen, genauer gesagt der Fähigkeit, auf Widrigkeiten angemessen zu reagieren, um die Gesundheit nicht zu gefährden. Störungen können von innen oder von außen kommen, beispielsweise als perfektionistische Leistungsansprüche an sich selbst oder überzogene Forderungen des Vorgesetzten. Die Frage gesunden Arbeitens ist daher eine Frage individueller Möglichkeiten, aber auch eine Frage gesundheitsförderlicher Strukturen. Nachhaltiger Erfolg ist ohne widerstandsfähige Mitarbeiter auf Basis einer wertschätzenden Unternehmenskultur nicht denkbar. Hier geht es darum, Belange von Mitarbeitern zu hören und zu beantworten, zum Beispiel mit der Schaffung kreativer Ruheräume.

Aufseiten der einzelnen Mitarbeiter und Führungskräfte stärkt Selbstregulation die Widerstandsfähigkeit, das heißt Gedanken und Emotionen zu steuern und das Verhalten so auszurichten, dass das eigene und das soziale Wohl erhalten bleiben. Falsch sind Einstellungen wie „Immer muss alles glatt laufen“ oder „Konflikte sind unnütz“ – Sinnvoller ist eine Haltung, die Frust toleriert und in Krisen Chancen erkennt. Persönlichkeitsforscher Julius Kuhl schlägt eine persönliche Haltung vor, die proaktiv Widrigkeiten angeht, ganzheitlich denkt und auf positive Affekte achtet. Eine resiliente Persönlichkeit ist geprägt von geringer emotionaler Labilität, dafür flexibler Gewissenhaftigkeit und sozialer Offenheit.

Stresskompetenz zeigt sich laut Gert Kaluza vom Institut für Gesundheitspsychologie auf drei Ebenen: Die erste Ebene setzt an den äußeren Belastungen an und nutzt Problemlösekompetenzen, um Anforderungen nicht zu Überforderungen werden zu lassen. Die zweite Ebene ist auf die Stress verschärfenden Einstellungen gerichtet und sieht Schwierigkeiten als bewältigbare Herausforderungen. Auf der dritten Ebene geht es um Regeneration und Ausgleich, um die Belastungsfähigkeit zu erhalten. Dazu gehören regelmäßige Bewegung genauso wie Freude über die kleinen Dinge. Positive Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang von der „Schule des Genießens“ und empfehlen ein tägliches Dankbarkeitsritual, gepaart mit einem Lächeln über Missgeschicke. Grundbedürfnisse wie die nach Orientierung, Sinnhaftigkeit, Lustgewinn respektive Unlustvermeidung, Bindung und Selbstwert sind wichtige Bereiche der Resilienz. Außerdem: Menschen sind soziale Wesen, sodass Resilienz immer auch Fairness und Kooperation, aber auch Abgrenzung berücksichtigt.

Widerstandskraft und Burn-out-Symptome stehen in einem engen negativen Zusammenhang, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: Je höher der individuelle Resilienzquotient, desto geringer sind emotionale Erschöpfung, Zynismus und Leistungseinbußen sowie psychosomatische Beschwerden. Will man herausfordernd arbeiten sowie gelassen auf Drucksituationen reagieren („realistischer Optimismus“), dann ist die Chance für berufliche Zufriedenheit am höchsten. Mitarbeiter, die sich realisierbare anspruchsvolle Ziele setzen, diszipliniert arbeiten und optimistisch sind, berichten über eine höhere Arbeitszufriedenheit als Menschen mit geringen Ausprägungen auf diesen Faktoren. Arbeitnehmer, die ein Gefühl der Kontrolle über ihre Arbeit haben und gleichzeitig Orientierung durch ihren Vorgesetzten erhalten, haben einen höheren Resilienzquotienten. Sie erleben sich als deutlich gesünder und weniger erschöpft. Bedürfnisorientierte Führungskräfte sorgen also dafür, dass ihre Mitarbeiter deutlich zufriedener mit ihrer Arbeit sind und ein größeres Gefühl persönlicher Wirksamkeit haben.

Resilienz ist ein relativ stabiles Merkmal, geprägt von guter Selbstwirksamkeit (Glaube an das eigene Potenzial) und ist damit Schutzfaktor und zugleich Erfolgsfaktor. Dies ist ein wichtiges Ergebnis – Gesundheit, Motivation und Erfolg bedingen sich gegenseitig. Psychotherapie stellt die Gesundheit wieder her, Coaching fördert diese. Trainerin Sylvia Wellensieck nennt Resilienz die „Kompetenz der Zukunft: Balance halten zwischen Leistung und Gesundheit“ – oder anders gesagt: Auf Ressourcen achten statt auf Defizite.

Literatur:

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