Team jameda
Hin und wieder frage ich Patienten von mir, ob sie das Wort ‘Rekonvaleszenz’ kennen. Die meisten schütteln bedauernd den Kopf, weil sie diesen Ausdruck noch nie gehört haben. Das liegt nicht nur an einem Mangel an klassischer Bildung (in alten Romanen kommt dieser Begriff häufiger vor), sondern auch an der Hektik unserer Zeit.
„Ein Rekonvaleszent ist jemand, der nicht mehr richtig krank ist, aber auch noch nicht ganz gesund“, erkläre ich zum Beispiel einer jungen Frau, die sich von einer schweren Nierenbeckenentzündung erholt. „So geht es Ihnen. Sie brauchen keine Antibiotika mehr und können wieder ein bisschen kochen und waschen. Schwere Arbeiten aber sollte man Ihnen noch eine Woche abnehmen. Wenn Sie putzen und bügeln, könnten Sie wieder einen Rückfall erleiden“. Früher war es in der bürgerlichen Gesellschaft normal, die Rekonvaleszenten noch ein bisschen zu verwöhnen. Heute wollen nicht nur die Familie und der Arbeitgeber, sondern auch die Kranken selber, dass sie sofort wieder voll belastbar sind.
„Ich verstehe das nicht“, sagt da ein ungeduldiger junger Mann zu mir, „ich bin schon eine Woche lang nicht zum Joggen gegangen, und mein Husten ist immer noch nicht ganz weg!“. Nun kann er als Asthmatiker froh sein, dass seine Bronchitis schon deutlich besser ist, und sein Virusinfekt nicht durch eine bakterielle Überinfektion verkompliziert wurde. Aber nach einer Woche Sportpause, während derer er sich keinen einzigen Tag hat krank schreiben lassen, kann er noch nicht wieder topfit sein!
Eine resolute Mittfünfzigerin hat sich einer Gallenblasenoperation unterziehen müssen. Dank Schlüssellochchirurgie hat sie nur ein par kleinere Narben im Bauch, aber in ihrem Inneren muss noch allerlei zusammenheilen. Auch ist die lange Narkosedauer bei einem solchen Eingriff ein weiterer Grund, warum man sich nicht schon eine Woche später wieder perfekt und leistungsfähig fühlt.
Solche Patienten erwarten oft von mir als ihrer Ärztin, dass ich sie mit „Aufbauspritzen“ oder aufputschenden Medikamenten schnell wieder in Form bringe. Ich muss ihnen dann erklären, dass Aufputschmittel Kräfte mobilisieren, die man nicht hat, und darum Raubbau am Körper betreiben. „Aufbauspritzen“ enthalten B- Vitamine, die den Appetit und damit die Genesung fördern. Wer (wie meine Galle- Patientin) mehr auf den Rippen hat, als ihr lieb ist, und nicht unter einem Vitaminmangel leidet, sollte darauf lieber verzichten.
Manchmal ist einfach Geduld gefragt. Es wäre schön, wenn sich jeder nach schwerer Krankheit ein paar Tage der Ruhe gönnen könnte, während derer er spazieren geht, ein gutes Buch liest und noch viel ruht. In dieser Zeit käme er auch zum Nachdenken und könnte vielleicht erkennen, wie er sein Leben besser gestalten könnte. Dass dies vielen Menschen nicht möglich ist, weiß ich. Aber jeder, der sich diese Rekonvaleszenzzeit leisten kann, sollte die Möglichkeit zum Innehalten nutzen!
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