Artikel 18/05/2021

Psychische und sexuelle Probleme infolge der Corona-Pandemie

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery Heilpraktiker für Psychotherapie
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery
Heilpraktiker für Psychotherapie
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Covid 19 hat weitaus heftigere Folgen als eine „normale“ Grippe – das ist mittlerweile im Bewusstsein der Allgemeinheit angekommen.

Auch bei leichtem Krankheitsverlauf können langfristige körperliche und insbesondere neurologische Probleme wie Müdigkeit und allgemeine Schwäche, Atembeschwerden, Störungen des Geruchs- und Geschmackssinnes, Gelenk- und Muskelschmerzen oder Herzbeschwerden weiterbestehen.

Oft ist der Leidensdruck durch diese Folgesymptomatik sogar stärker als bei der vermeintlich harmlosen Phase der Primärerkrankung.

Die psychischen Lasten der Corona-Pandemie

Wahrscheinlich zahlenmäßig noch viel häufiger als die körperlichen Folgen sind psychische Probleme – sowohl bei Menschen mit einer überstandenen Corona-Erkrankung als auch bei all denen, die durch Corona über ein Jahr lang „nur“ auf ihre gewohnte soziale Umgebung verzichten mussten, auf Sport, auf Freizeiterlebnisse, auf Reisen, auf den nicht-virtuellen Austausch mit Verwandten, Freunden/Freundinnen und Kollegen/Kolleginnen.

Seit diesem Frühjahr erhalte ich in meiner eigenen Praxis etwa doppelt so viele Neuanfragen nach Psychotherapie – und viele Kolleginnen und Kollegen berichten über dasselbe Phänomen.

Die wichtigsten psychischen Störungsbilder infolge der Corona-Epidemie

Depressionen (F32 nach ICD-10)

Viele Menschen denken, eine Depression würde nur dann vorliegen, wenn ein Mensch „stockdepressiv“ und ohne Antrieb nur mehr vor sich hinstarrt. Nach meiner eigenen Erfahrung gibt es genug Menschen, die auch bei Vorliegen aller Symptome für die Diagnose einer schweren depressiven Episode beruflich und privat immer noch „funktionieren“, aber den Zugang zu ihren eigenen Gefühlen verloren haben – und damit auch jede Form von Lebensfreude.

Es ist in der Behandlung von Depressionen unbedingt wichtig, sich möglichst frühzeitig um ärztliche und psychotherapeutische Hilfe zu kümmern. Je kürzer eine depressive Episode andauert, desto besser ist die langfristige Prognose.

Anpassungsstörungen (F43.2 nach ICD-10)

Eine COVID-Erkrankung oder auch „nur“ die Erfahrung von Quarantäne und Isolation kann zu erheblichen psychosozialen Belastungen führen, die mit depressiven Symptomen (ohne das Vollbild einer depressiven Episode) oder mit Störungen des Sozialverhaltens (Vereinsamung, Isolation) verbunden sind. Auch kann daraus die Unfähigkeit entstehen, den Alltag aktiv zu gestalten und anstehende berufliche Aufgaben zu meistern.

Angststörungen (F40 nach ICD-10)

Die zurückliegende Zeit der Corona-Pandemie ist für viele Menschen mit Angst auslösenden Erlebnissen verbunden gewesen, die keinen psychischen Krankheitswert hatten. Das Erlebnis einer eigenen Erkrankung oder der Erkrankung naher Freunde oder Angehörige löst Real-Ängste aus, die jeder psychisch gesunde Mensch in einer solchen Situation empfinden würde.

Dazu kommen weitere Real-Ängste wie z. B. Ängste vor finanziellen Einbußen, vor dem Verlust des Arbeitsplatzes etc. Solche realen Ängste können sich auch zu einer psychischen Störung auswachsen, beispielsweise zu einer generalisierten Angststörung (F41.1), bei der die Betroffenen oft jahrelang unter diffusen wechselnden Ängsten leiden – und sich häufig scheuen, fachliche Hilfe aufzusuchen.

Sexualstörungen und sexuelle Probleme nach COVID-19

Auch leichte Krankheitsverläufe von COVID-19 können das sexuelle Empfinden und die sexuelle Appetenz auch noch lange Zeit nach Abklingen der akuten Erkrankung beeinträchtigen. Auch Lungenschädigungen können Sex in bestimmten Stellungen schlicht und ergreifend zu anstrengend machen.

Hier sind zunächst einmal die entsprechenden ärztlichen Abklärungen erforderlich, etwa durch NeurologenUrologen oder Frauenärzte. Beim Umgang mit den langfristigen körperlichen Folgen kann psychotherapeutische und sexualtherapeutische Hilfe notwendig sein.

Störungen der Erregungsfähigkeit bei Mann oder Frau (F52.2)

Es können nach COVID-19 auch Störungen der Erregungsfähigkeit bei Mann oder Frau (F52.2) oder ein Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen (F52.0) bestehen bleiben, die sich auf somatischer Ebene nicht erklären lassen. Hier wäre eine sexualtherapeutische Beratung sinnvoll, zumal ein solches Problem sich auch auf die Qualität und sogar das Fortbestehen einer Partnerschaft negativ auswirken kann.

Zwangsgedanken (F42)

Möglich ist auch die Entstehung von Zwangsgedanken („Ich könnte durch COVID meine Potenz verloren haben oder verlieren.“ etc.), ohne dass es dafür in der Realität entsprechende Belege gibt (F42). Diese Zwangsgedanken können, auch wenn sie als unsinnig erkannt werden, äußerst hartnäckig sein und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Wenn die Beschäftigung mit solchen Zwangsgedanken mehr als 14 Tage lang intensiv andauert, ist psychotherapeutische Hilfe unbedingt sinnvoll.

Soziale Ängste (F40.1)

Häufig sind auch soziale Ängste (F40.1), die sich während der Corona-Epidemie entwickelt haben, und für die Betroffenen erhebliche Auswirkungen haben können. Infolge längerer sozialer Isolation entwickeln sich Gedanken wie: „Bin ich überhaupt noch attraktiv? Habe ich einem Mann/einer Frau sexuell noch etwas zu bieten? Wie soll ich es schaffen, einem fremden Menschen gegenüber ein sexuelles Interesse zu äußern?“

Menschen auf Partnersuche ist durch die Corona-Epidemie ein volles Jahr verloren gegangen, um einen passenden Partner oder eine passende Partnerin zu finden. Soziale Ängste können dazu führen, dass diese verpasste Zeit noch viel länger andauert – und die Betroffenen im Extremfall ganz ohne Partnerschaft bleiben.

COVID 19 ist und bleibt also nicht nur eine Herausforderung für die Medizin, sondern auch für die Psychotherapie und Sexualtherapie.

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