Team jameda
Besonders späte Mütter in Spe machen sich häufig große Sorgen um die Gesundheit Ihres Babys. Pränataldiagnostik kann ihnen Ängste nehmen, aber auch lang gehegte Hoffnungen zerstören. Welche Chancen die Tests bergen, wie sie ablaufen, welche Risiken zu beachten sind und wie Schwangere damit umgehen können, wollte jameda von Experten wissen und sprach deshalb mit Prof. Dr. Kozlowski, Pränataldiagnostiker und Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall, Dr. Kunz, Sprecher des „Netzwerkes gegen Selektion durch Pränataldiagnostik“ und Dr. Janke, Psychotherapeutin, Gynäkologin und Beraterin für Pränataldiagnostik bei Pro Familia.
jameda: Zehn Vorsorgetermine sind in der Schwangerschaft vorgesehen, darunter Ultraschalluntersuchungen und Bluttests. Welche Erkrankungen des Ungeborenen können Frauenärzte auf diesem Weg erkennen?
Prof. Dr. Kozlowski: Diese Untersuchungen dienen dazu, die Entwicklung des Kindes zu überwachen. Krankheiten, die Folge einer gestörten Plazentafunktion sind, Nieren- und Harnblasenfehlbildungen, diabetische Erkrankungen, Wasseransammlungen im Schädel und eine ungewöhnliche Kammerung des Herzen lassen sich auf diesem Weg erkennen. Bei den regulären Vorsorgeuntersuchungen sieht sich der Frauenarzt allerdings nur ein begrenztes Spektrum möglicher Erkrankungen an.
jameda: Untersuchungen, die gezielt nach Fehlbildungen oder Krankheiten fahnden, gehören in den Bereich der Pränataldiagnostik. Wenn die werdende Mutter oder Angehörige unter genetischen Erkrankungen leiden, hat das Kind ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die entsprechenden Erkrankungen. Macht die Pränataldiagnostik in diesem Fall Sinn, um zu erfahren, ob das Kind gesund sein wird?
Dr. Janke: Ob diese Untersuchung sinnvoll ist, hängt vom einzelnen Paar ab. Die Betroffenen sollten sich darüber im Klaren sein, dass Wissen Verantwortung bedeutet, die überfordern kann. Was bedeutet es für uns und unsere Familie, wenn eine Krankheit festgestellt wird? Diese Frage können sich Paare stellen, um herauszufinden, ob eine pränataldiagnostische Untersuchung für sie Sinn macht. Ein Paar, das jedes Kind akzeptiert, muss nicht zur Pränataldiagnostik gehen.
jameda: Worum geht es dann bei fortgeschrittenen Untersuchungen? Prof. Dr. Kozlowski: Gesicht, Kiefer, Gliedmaßen und Herz werden dabei detailliert untersucht. Dafür kommt die Krankenkasse auf, wenn die Primärversorgung Auffälligkeiten zu Tage brachte oder eine besondere Belastung der Schwangeren besteht.
jameda: Auch späte Mütter gehören zur Risikogruppe: Während bei 25-Jährigen nur jedes 795. Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommt, ist es bei 35-Jährigen schon jedes 210. Kind und bei 40-Jährigen jedes 57. Kind. Etwa ein Viertel der Schwangeren in Deutschland ist weit über 30 – und damit ein Fall für die Pränataldiagnostik?Dr. Janke: Das kann man so nicht sagen, es ist immer eine individuelle Entscheidung und keine Pflicht, sich untersuchen zu lassen. Viele Frauen haben kaum eine Vorstellung von bestimmten Behinderungen und keinen Kontakt zu den Betroffenen. Ihre Vorstellungen sind oft schrecklich und haben wenig mit der Realität zu tun. Bei einer 35-Jährigen ist die Wahrscheinlichkeit, ein gesundes Kind durch eine Fruchtwasseruntersuchung zu verlieren, genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen.
jameda: Wie häufig sind Fruchtwasseruntersuchungen?
Dr. Janke: Untersuchungen zur Risikoabschätzung wie das Ersttrimesterscreening haben dazu geführt, dass nicht mehr so viele Fruchtwasseruntersuchungen gemacht werden. Die neuen Bluttests „NIPT“ ermöglichen sogar eine ziemlich sichere Aussage darüber, ob das Kind beispielsweise ein Down-Syndrom hat - ganz ohne Risiko einer Fehlgeburt. Eine Garantie für ein gesundes Kind gibt es allerdings nie!
jameda: Hat die werdende Mutter durch die Pränataldiagnostik mehr Handlungsspielraum als früher oder steht sie unter sozialem Druck, die technischen Möglichkeiten zu nutzen und ein behindertes Kind abzutreiben?
Dr. Kunz: Das Mehr an Entscheidungsoptionen beinhaltet faktisch vor allem einen Entscheidungsspielraum hinsichtlich eines Abbruchs, der zugleich einen Entscheidungszwang beinhaltet. Pränataldiagnostik erzwingt Entscheidungen der Frau, sie fördert aber nicht deren Mündigkeit, eigene Entscheidungen selbstverantwortlich im Wissen um die Konsequenzen zu treffen. Mittlerweile kommt es einer gesellschaftlichen Verhaltenserwartung an die einzelne Schwangere gleich, vorgeburtliche Diagnostik zu nutzen und bei schwerwiegenden Befunden einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Zudem ist für einen späten Abbruch eine medizinische Indikation erforderlich. Über den späten Abbruch nach einem vorgeburtlich diagnostizierten Befund entscheidet somit nicht die Schwangere allein, sondern tatsächlich der die Indikation stellende Mediziner.
Prof. Dr. Kozlowski: Ich habe nicht das Gefühl, dass die Frauen unter Druck stehen. Schwangere haben seit 2013 das gesetzliche Recht auf Nicht-Wissen: Jede Frau wird vor der ersten Untersuchung gefragt, ob sie möchte, dass der Arzt die Anatomie des Ungeborenen untersucht. Die meisten Frauen wollen auch gar kein Maximum an Sicherheit, sondern hören nach einem negativen Ersttrimester-Screening auf. Die neuen DNA-Tests, die Trisomie 21 besser erkennen und günstiger sind als ihre Vorgänger, werden allerdings viel häufiger als früher in Anspruch genommen.
jameda: Die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik sollen Frauen Ängste nehmen, indem sie vor der Geburt erfahren, ob ihr Kind vermutlich gesund sein wird. Entstehen durch diese Möglichkeiten auch neue Ängste, beispielsweise wenn es um die Entscheidung einer Abtreibung geht?
Prof. Dr. Kozlowski: Der Mehrzahl der Frauen können wir gute Nachrichten mit auf den Weg geben und Ängste nehmen.**
Dr. Kunz:** Der medizinische Zweck und der psychologische Sinn der Pränataldiagnostik fallen auseinander. Medizinisch zielen die Verfahren darauf ab, vergleichsweise wenige Anomalien und Erkrankungen vorgeburtlich zu diagnostizieren. Psychologisch erwarten die Schwangeren eine existenzielle Versicherung, dass „mit dem Kind alles in Ordnung“ sei. Vorgeburtliche Diagnostik kann diese Erwartung der Schwangeren, auf der der Anwendungsboom der Technik letztlich beruht, nicht einlösen und fördert bei jener Gruppe von Schwangeren mit einem positiven Befund neue Ängste und Entscheidungszwänge sowie in Einzelfälle langjährige Traumata.
jameda: Zu den Erkrankungen, die mittels Pränataldiagnostik aufgedeckt werden können, gehören das Down-Syndrom, das Turner-Syndrom, das Klinefelter-Syndrom, der offene Rücken und die Anenzephalie. Welche dieser Krankheiten kann dank der Pränataldiagnostik frühzeitig therapiert werden oder erfordert eine besondere klinische Betreuung nach der Geburt?
Prof. Dr. Kozlowski: Keine dieser Erkrankungen ist behandelbar. Und jedes dritte Down-Kind hat einen Herzfehler, der eine kardiologische Betreuung direkt nach der Geburt notwendig macht.
jameda: Der Ersttrimester-Test fahndet nach Chromosomenabweichungen und gibt Risikowahrscheinlichkeiten an. Fällt er positiv aus, sorgt eine Punktion des Plazentagewebes oder eine Fruchtwasseruntersuchung für eindeutige Ergebnisse. Mit welchen Risiken sind diese Tests verbunden?
Prof. Dr. Kozlowski: Das Risiko hängt von der Expertise des Arztes und von den individuellen Gegebenheiten der Schwangeren ab. Wenn die Bauchdecke dicker ist oder wenn es Blutungen gab, ist das Risiko einer Fehlgeburt größer. Im Schnitt sind die Faktoren jedoch günstig, so dass sich die Verlustrate durch die Pränataldiagnostik um 0,001 bis 0,002 % erhöht.
jameda: Zwischen der 19. und der 22. Schwangerschaftswoche kann ein Fehlbildungs-Screening durchgeführt werden. Wie eindeutig ist dieser Test? Was sind die Risiken?
Prof. Dr. Kozlowski: Auch die Eindeutigkeit hängt von den Untersuchungsbedingungen ab. Meistens sind sie jedoch günstig, sodass die Kopfform, das Profil, der Kiefer und die Blutgefäße am Herzen gut zu interpretieren sind. Manche Störungen wie beispielsweise Herzscheidewanddefekte lassen sich allerdings nur schwer erkennen. Außerdem kann es sein, dass sich eine Erkrankung erst nach dieser Untersuchung entwickelt, beispielweise der sogenannte Wasserkopf.
jameda: Inwieweit können die Tests die Stärke der Fehlbildung voraussagen?
Prof. Dr. Kozlowski: Manche Befunde sind unklar: Wenn die Hirnkammern etwas weiter als bei anderen Ungeborenen sind oder die Körperschlagader enger ist, lässt sich kaum sagen, ob sich das Kind normal entwickeln wird. Es kommt allerdings auch im Pränatalzentrum selten vor, dass die Bedeutung eines Befundes schwer einzuschätzen ist.
jameda: Wie häufig kommt es zu Fehlinterpretationen?
Prof. Dr. Kozlowski: Auch das ist selten. Es gibt kein zentrales Register, aber bei uns liegen die falsch-positiven oder überinterpretierten Befunde bei 0,0001 bis 0,0002 % pro Jahr.
jameda: Können Frauen mit einem gesunden Kind rechnen, wenn der pränataldiagnostische Befund negativ ausfällt?
Prof. Dr. Kozlowski: 98 bis 99 Prozent der Frauen erhalten nach der Pränataldiagnostik einen negativen Befund und können sich auf ein gesundes Kind freuen. Eine Restunsicherheit bleibt aber immer bestehen.
jameda: Pränataldiagnostische Tests können erst ab der 11. Schwangerschaftswoche gemacht werden und bei positivem Befund weitere Tests nach sich ziehen. So sind die werdenden Mütter in der Regel nach der 12. Schwangerschaftswoche, wenn sie die Behinderung ihres Kindes erfahren. Danach ist eine Abtreibung aber nur noch möglich, wenn die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung der werdenden Mutter besteht. Liegt diese Gefahr bei jeder Behinderung vor?
Dr. Janke: Nein. Ob eine psychische oder gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, entscheidet der Arzt gemeinsam mit dem jeweiligen Paar. Die Behinderung des Kindes soll nicht als Grund für einen Schwangerschaftsabbruch gelten, das wäre diskriminierend. Grund ist allein die Gefährdung der körperlichen oder psychischen Gesundheit der Frau.
jameda: Was können werdende Mütter tun, wenn sie einen positiven Befund in Händen halten und nun wissen, dass sie ein krankes Kind unter dem Herzen tragen?
Dr. Janke: Es ist immer ein unvorstellbarer Schock und es dauert einige Tage, in denen kein klarer Gedanke möglich ist und die werdenden Eltern sich wie in einem Alptraum fühlen. In aller Regel handelt es sich um Wunschschwangerschaften, die oft schon weit fortgeschritten sind. Unterstützung im privaten Umfeld oder auch in einer Beratungsstelle helfen, zu realisieren, was passiert ist, Perspektiven zu entwickeln oder auch Entscheidungen zu treffen.
jameda: Und wie trifft man die am besten?Dr. Janke: Man muss die Fakten sortieren. Wie krank ist unser Kind? Wie ist die Prognose? Dass oft nur eine vage Prognose möglich ist und viele Krankheiten sich sehr unterschiedlich auswirken können, macht es nicht leichter. Aber es muss auch Raum für Gefühle geben, für Trauer und Angst, aber auch Verzweiflung und Wut. Es geht um Fragen wie: Was trauen wir uns zu? Welche Ressourcen haben wir? Wer kann uns unterstützen? Welche Hilfen brauchen wir? Das gilt für jede Entscheidung, ob für oder gegen das Kind.
jameda: Wie viele Frauen entscheiden sich, abzutreiben?
Dr. Janke: 90 Prozent der Frauen, bei deren Kind das Down-Syndrom festgestellt wurde, entscheiden sich für die Abtreibung.
jameda: Woran liegt das?
Dr. Janke: Viele Frauen, die ein behindertes Kind austragen, sehen sich dem Druck der Gesellschaft ausgesetzt, zum Beispiel wenn Aussagen kommen wie: „Sowas muss es doch heute nicht mehr geben.“ Die Inklusion von Menschen mit Behinderung wird zwar gefordert und ist gesetzlich verankert, geht aber nur sehr langsam voran. Den Konflikt zwischen Inklusion und Selektion und die Tabuisierung beider Themen macht es Paaren in der Pränataldiagnostik schwer, sich zu entscheiden und ihren Weg zu finden. Es gibt kein Richtig oder Falsch, jeder muss seine individuelle Entscheidung selbst treffen und damit leben. In der Schwangerschaft kann man sich ethische Grundsatzfragen kaum stellen, die müssen andernorts diskutiert werden. Ein gesellschaftliches Klima, das Menschen mit Behinderung und ihre Familien nicht ausschließt, wäre ein wichtiger Schritt.
jameda: Was sind die häufigsten Gründe für eine Abtreibung: Das Gefühl, der Situation nicht gewachsen zu sein, oder dem behinderten Kind Leid zu ersparen?
Dr. Janke: Niemand kann von außen beurteilen, ob ein Mensch leidet oder nicht, das ist sehr individuell. Menschen mit Behinderung leiden oft nicht an ihrer Behinderung, sondern an der Ausgrenzung. Ihre Lebensqualität ist nicht zwangsläufig schlecht, häufig besser als die sogenannter Nicht-Behinderter. Manche Paare meinen es sicher gut und handeln in elterlicher Fürsorge, aber vermeintliches Leid zu verhindern, ist nie der einzige Grund für einen Schwangerschaftsabbruch. Häufig ist das Argument vorgeschoben und ein verzweifelter Versuch, sich zu rechtfertigen.
jameda: Wenn sich eine Schwangere für eine Abtreibung entscheidet, wird eine Fehlgeburt eingeleitet, da eine Ausschabung nicht mehr möglich ist. Da das Kind ab der 22. Woche trotzdem lebendig auf die Welt kommen kann, wird manchmal eine Kaliumchloridlösung gespritzt, die zum Herzstillstand des Fötus führt. Wie gehen Frauen mit Schuldgefühlen, Trauer und Zweifeln am besten um, die nach der Abtreibung häufig entstehen?
Dr. Janke: Ein sogenannter Fetozid ist eine extreme Belastung für alle Beteiligten und das letzte Mittel eines Schwangerschaftsabbruchs. Da Pränataldiagnostik immer früher eingesetzt wird, ist ein Fetozid allerdings sehr selten. Wichtig für die Verarbeitung eines Schwangerschaftsabbruchs ist immer, wie es zu der Entscheidung kam und dass die Frau genügend Zeit zum Überlegen und Beraten hatte. Es ist wichtig, dass sie auf den Abbruch vorbereitet ist und genau weiß, was auf sie zukommt. Ein Partner, der sie begleitet und mit dem sie auch danach sprechen kann, Unterstützung durch das Umfeld, Zeit für Trauer und Abschied und wenn gewünscht auch eine Bestattung können helfen, den Verlust zu überwinden. Es ist wichtig zu trauern. Viele Frauen erlauben sich das nicht, weil die Abtreibung ihre Entscheidung war.
jameda: Wie geht es den meisten Frauen, die ihr behindertes Kind austragen, nach der Geburt?
Dr. Janke: Das ist ganz unterschiedlich – eine Herausforderung ist ein behindertes Kind aber immer. Manche Beziehungen zerbrechen an der Belastung, andere wachsen daran. Die meisten Eltern, die ein Kind mit Behinderung haben, haben sich dafür nicht entschieden. Das Kind ist behindert auf die Welt gekommen oder die Behinderung kam erst später, so dass die Eltern keine Wahl hatten. Wenn man zum Beispiel Eltern mit einem Kind mit Down-Syndrom fragt, dann möchten die meisten dieses Kind nicht missen und sehen in ihm eine besondere Bereicherung.
jameda: Sollte jede Frau selbst über ihre Schwangerschaft entscheiden dürfen?
Dr. Kunz: In den Grenzen des geltenden Rechts und des ethischen Konsenses unserer Gesellschaft – ja!
jameda: Ist die Pränataldiagnostik eine Form der Selektion, die Behinderte als „nicht normal“ ansieht und nur gesunden Menschen eine Existenzberechtigung zugesteht?
Dr. Kunz: In der großen Mehrzahl der Fälle läuft die Pränataldiagnostik auf eine Selektion von Ungeborenen hinaus, die aufgrund einer erheblichen Erkrankung oder Behinderung gesellschaftlichen Normerwartungen widersprechen. Dies gilt insbesondere für Verfahren, die wie der sogenannte Bluttest oder andere Risikoabschätzungen gezielt nach Trisomien oder ähnlichen Anomalien fahnden, ohne dass bei einem positiven Befund eine therapeutische Behandlungsoption besteht. Pränataldiagnostik mündet in diesem Fall unmittelbar in einen Entscheidungszwang der Schwangeren über einen Schwangerschaftsabbruch. Gleichwohl bietet Pränataldiagnostik in Einzelfällen, zum Beispiel bei der ultraschalldiagnostischen Abklärung von Organfehlbildungen, auch therapeutische Optionen und ist in diesen Fällen mit einem ärztlichen Ethos vereinbar.
Prof. Dr. Kozlowski: Es gibt ja auch Frauen, die sich gegen die fortgeschrittene Pränataldiagnostik entscheiden oder Kinder mit Down-Syndrom auch nach Erhalt der Diagnose austragen. Eine Studie aus England zeigte, dass sich jede Dritte Frau für die Austragung ihres Kindes entschied, nachdem sie erfahren hatte, dass das Ungeborene an Down-Syndrom erkrankt ist.
jameda: Wird die Pränataldiagnostik in Zukunft nach mehr Krankheiten suchen, vielleicht auch nach harmloseren Defekten?
Dr. Kunz: Eine Ausweitung der Pränataldiagnostik auf weitere Krankheiten und auch auf Anomalien ohne Krankheitswert ist wahrscheinlich, da das neben dem ökonomischen Interesse der Medizin auch der gesellschaftlichen Erwartung an die Eltern entspricht, buchstäblich „alles“ für das Wohl und die individuelle Leistungsfähigkeit des ungeborenen Kindes zu tun. Das muss nicht zu einer extremen Ausweitung der Selektionspraxis führen, sondern kann auch einen therapeutischen Maximalismus fördern, vorgeburtlich erkannte Anomalien bereits nach der Geburt therapeutisch oder pädagogisch zu behandeln. Es wird künftig schwieriger, Kinder in ihrem Anderssein zu akzeptieren.
Prof. Dr. Kozlowski: Missbrauch wird es immer geben. Aber ich denke nicht, dass ungeborene Kinder in Zukunft auf die 100 wichtigsten Krankheiten getestet werden. Ich habe in den letzten 30 Jahren abertausende Schwangere betreut: Die meisten freuen sich auf ihr Kind und wissen, dass es nicht perfekt sein wird. Sie akzeptieren die Unsicherheit und nehmen nicht alle Tests in Anspruch, die sie machen könnten. In den Medien werden Schwangere oft als blöd hingestellt – das entspricht nicht der Realität.
jameda: Vielen Dank für das Gespräch!
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