Team jameda
In diesem Artikel soll auf das Post-Covid-Syndrom sowie auf die begleitende Fatigue eingegangen werden. Bei intensiver Betrachtung der Mechanismen, die bei Entzündungen im Körper grundsätzlich stattfinden, lassen sich die Entstehung von Fatigue und anhaltender Erschöpfung gut erklären und Therapiestrategien erarbeiten.
Beteiligt am Management von Entzündung und Infektionsabwehr sind immer Zellen des „weißen Blutes“ sowie Botenstoffe, die Zytokine genannt werden. Da eine Immunantwort im Körper nach einer Aktivierung (und im besten Fall erfolgreichen Problemlösung) immer wieder beruhigt werden muss, existieren im Blut, Lymphe und Gewebe balancierende Kräfte von pro- und anti-entzündlichen Zytokinen.
Pro-entzündliche Zytokine haben die Eigenschaft, den Zellstoffwechsel massiv zu verändern. Das Immunsystem ist egoistisch. Hat es im Ruhezustand eine Kalorienbedarf von ca. 200 kcal, steigert es seinen Umsatz bei massiver Aktivierung gerne auf 2.000 bis 3.000 kcal pro Tag. Diese Energie muss sofort geliefert werden, da es im wahrsten Sinne um Leben und Tod des Gesamtorganismus geht.
Hierfür wird insbesondere durch die Zytokine Interleukin-1 und Interleukin-6 der Zellstoffwechsel über die Mitochondrien blockiert. Somit gewinnt der Körper Energie nicht mehr aus Glucose über den normalen Weg unter Zuhilfenahme von Sauerstoff und schon gar nicht durch die Nutzung von Fetten. Es wird auf einen Ersatzstoffwechsel (Glykolyse) umgeschaltet, der zunächst einmal viel weniger Output an Energiesubstrat (ATP) ergibt. Da er aber hundertmal schneller funktioniert als die Energiegewinnung in den Mitochondrien, kann unterm Strich dennoch in kürzester Zeit viel mehr Energie auf den Punkt mobilisiert werden. Auch bei geringerer Sauerstoffverfügbarkeit.
Der Nachteil: Es wird nur Glucose verwendet und es fällt massiv Laktat an, was einerseits zu einer Übersäuerung des Gewebes führt und andererseits die Nutzung des Zellstoffwechsels über die Mitochondrien zusätzlich erschwert. Kann aus dem Blut, den Muskeln und der Leber keine frei verfügbare Glucose mehr mobilisiert werden, werden Aminosäuren aus der Muskulatur in der Leber und insbesondere in der Niere zu Glucose umgewandelt. Dies bedeutet einen massiven Raubbau an muskulärer Grundsubstanz und erklärt die Schwäche und muskuläre Abmagerung nach einem schweren Infektionsverlauf.
Das Tückische und Besondere an der Infektion mit SARS-CoV-2 und COVID-19 scheint eine überwiegende Aktivierung der pro-entzündlichen Zytokine zu sein. Dies ist auch der Fall bei milden Verläufen, bei denen ebenso ein Post-Covid-Syndrom und Fatigue auftreten können.
Es liegt nahe, dass der menschliche Organismus über die Aktivität der pro-entzündlichen Zytokine auch nach abgelaufener Infektion in seiner Angriffslust ‘steckenbleibt’, da eine ausreichende Immunmodulation, also Ausbalancierung, unterbleibt.
Somit bleibt auch der Zellstoffwechsel in einem Ausnahmezustand. Die Energiegewinnung in Ruhe reicht gerade aus. Ein höheres Energieprofil kann aber nicht erreicht werden, da insbesondere die sehr ertragreiche Gewinnung von Energie aus Fettsäuren quasi nicht existiert. Und je mehr der Patient dies zu erzwingen versucht, umso mehr geht er in den Ersatzstoffwechsel und produziert blockierendes Laktat. Massive Erschöpfung nach geringster körperlicher Betätigung ist das Leitsymptom.
Dieser Zustand lässt sich hervorragend in einer entsprechend ausgerüsteten Arztpraxis und durch gezielte Laboruntersuchungen diagnostizieren.
Der Zellstoffwechsel lässt sich sehr genau über spezielle Atemgasanalysen messen Sie geben Aufschluss über die Energiegewinnungsfähigkeit aus Fettsäuren, Sauerstoffumsetzung in der Zelle sowie Übersäuerungszustand des Gewebes.
Im Labor werden die pro- und anti-entzündlichen Zytokine gegeneinander vermessen und der Zustand eines ‘Low-grade-inflammation-Syndrom’ bestätigt. Dies bedeutete, der Körper ist weiter in Angriffsbereitschaft, auch wenn man subjektiv die Entzündlichkeit durch Fieber, Abgeschlagenheit und Schmerz nicht mehr spürt.
Alleine diese Möglichkeiten der Diagnostik, die objektive Klarheit in das Beschwerdebild Post-Covid und Fatigue bringen, verschafft betroffenen Patienten enorme Erleichterung und Hoffnung, da darauf basierend eine erfolgreiche Therapie-Strategie auf Zellebene erstellt werden kann.
Ein aufgebrachtes Immunsystem, in dem die pro-entzündlichen Zytokine überaktiv sind, lässt sich verändern bzw. umtrainieren. Hierfür muss man wissen, dass es gewisse orthomolekulare Wirkstoffe gibt, die in der richtigen Verabreichung medikamentenartige Wirkungen entfalten und als „Immun-Modulatoren“ fungieren.
Zu nennen ist zunächst einmal Vitamin D, dem ausreichende Studien eine therapeutische Wirkung auf das Immunsystem bestätigen. Es ist in der Corona-Krise bisher das einzige Vitamin, das von wissenschaftlicher Seite in seiner enormen Relevanz bestätigt wurde. Leider wird von vielen ärztlichen Kollegen kein therapeutischer Blut- und Gewebespiegel angestrebt, so dass dieses enorme Potential oftmals nicht ausgeschöpft wird. Bedenken zu einer Überdosierung sind unter therapeutischer Kontrolle akademischer Natur und nicht haltbar.
Weitere essentielle Immun-Modulatoren sind Omega-3-Fettsäuren, S-Acetylglutathion, Curcuma und Weihrauch. Die Besonderheit dieser Modulatoren im Gegensatz zu synthetischen Medikamenten ist einerseits die geringe Nebenwirkungsrate bei hohem Wirkpotential sowie eine Regulationsfähigkeit. Der Körper darf sich quasi selber die „Richtung“ der Regulation aussuchen und wird nicht einfach nur an einer Stelle blockiert (z. B. Ibuprofen, Cortison). Somit stauen sich an anderer Stelle keine Substrate an, die dort durch Überschuss einen Schaden verursachen.
Eine wichtige Erkenntnis aus der bisherigen Post-Covid-Forschung ist die Annahme, dass dem noch so aktivem Immunsystem die richtige Aufgabe fehlt. Das Virus mag neutralisiert sein, aber der Körper bleibt im Abwehrmodus stecken. Zahlreiche Patienten mit Post-Covid-Syndrom zeigen eine deutliche Besserung oder Genesung, wenn sie „therapeutisch“ entsprechend gegen Corona geimpft werden. Damit bietet man dem Immunsystem Antigene an, es tobt sich noch einmal aus und kommt dann zur Ruhe.
Mit Immun-Training und -Beruhigung erreicht man alle Arten von ‘Low-Grade-Inflammation’. Zum ‘Impfen’ nimmt man Probiotika und Zellfragmente von potentiell pathogenen (krankmachenden) Keimen und stimuliert durch Einnahme das Immunsystem des Dünndarms. Es besitzt als größte Oberfläche zur Außenwelt die meiste Immunkompetenz und dominiert im Körper. Vom Dünndarm-Immunsystem besteht eine Informations-Kaskade durch den gesamten Körper.
Immunmodulation und Immuntraining eignen sich auch hervorragend zur Behandlung von Unverträglichkeiten und Allergien und stellen eine hochwirksame Therapie dar.
Mit diesem Wissen muss ebenso auf die richtige Ernährung geachtet werden. Sie sollte immunologisch nicht „triggernd“ sein und einige Lebensmittel wie Gluten und Milchprodukte müssen zunächst komplett von der Speisekarte entfernt werden.
Das Intervallfasten ist eine weitere empfehlenswerte Maßnahme. Ich habe weiter oben dargelegt, dass der Zellstoffwechsel blockiert ist. Intervallfasten stellt die Möglichkeit dar, an den Zellmembranen, im Zellinneren und an den Andockstellen für Botenstoffe, welche den Zellstoffwechsel verbessern, ‘aufzuräumen’.
Alle Patienten mit Fatigue sollten ein intermittierendes Hypoxie-Hyperoxie-Training durchführen. Dieses IHHT-Training ist in der Behandlung von Post-Covid begleitend zu den oben genannten Therapien ein „Game-Changer“, der noch viel zu wenig beachtet, geschweige denn genutzt wird.
Beim IHHT wird kontrolliert über einen Zeitraum von 45-60 Minuten immer wieder der Sauerstoffgehalt der eingeatmetem Luft gedrosselt, um daran wieder eine Phase der vermehrten Sauerstoffanreicherung anzuschließen. Dieses Atemtraining verbessert die „Sauberkeit“ der Zelle.
Überschüssige Säuren der Zellmatrix werden mobilisiert und können abgeatmet werden, die Wirksamkeit der Insulin-Rezeptoren wird verbessert. In den Zellen werden die Mitochondrien stimuliert, schlecht wirksame Mitochondrien erhalten einen Reparatur-Reiz oder werden vom Körper neutralisiert. Insgesamt steigt in der Zelle mit anhaltendem Training dadurch der Energiegewinn (ATP).
Auf zellulärer Ebene erfolgt ein Intervalltraining, welches einem körperlichen Training gleicht, nur dass der Patient liegt und im besten Fall dabei schläft.
Die Anwendung dieser Methode ist seit Jahrzehnten im klinischen Alltag erprobt. Im Jahr 2019 gab es für die Erforschung der molekularen Prozesse zum „Hypoxie-Induzierenden-Faktor (HIF) den Medizin-Nobelpreis.
IHHT stellt somit eine erfolgreiche und brandaktuell wissenschaftlich fundierte Therapiemethode dar.
Meines Erachtens werden bei der Rehabilitation von Post-Covid und Fatigue die immunologischen und zellulären Prozesse viel zu wenig in den Fokus genommen. Daher bleiben die daraus resultierenden enormen Heilungsmöglichkeiten ungenutzt.
Auch bei Immunmodulation und Zelltraining braucht es eine Zeit der Heilung. Aber wenn die Patienten die Prozesse in ihrem Körper verstehen, kann der immer wieder beschriebenen Hoffnungslosigkeit bei betroffenen Patienten und Patientinnen etwas entgegengebracht und das Gefühl der Selbstbestimmtheit zurückgewonnen werden. Objektive Messverfahren können positive Veränderungen darlegen, die sich auch zunehmend mit subjektiver Verbesserung decken. Heilung von Post-Covid und Fatigue ist möglich.
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