Der jameda-Phlebologentipp erklärt, was Sie über Venenerkrankungen, Lymphödeme und die periphäre arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) wissen sollen.
Venenerkrankungen sind in Deutschland weit verbreitet. Circa ein Drittel der Bevölkerung ist von klinisch relevanten Veränderungen betroffen. Die Diagnose wird in einer körperlichen und apparativen Untersuchung gestellt.
Venöse Ödeme, Hautveränderungen und in der Spätform Unterschenkelgeschwüre können regelmäßig festgestellt werden. Funktionstests wie der Trendelenburg-Test und der Perthes-Test können hilfreich sein.
Typische Risikofaktoren werden kontrovers diskutiert. Eine genetische Veranlagung und das fortgeschrittene Alter gehören jedoch zu den unstrittigen Charakteristika. Vor diesem Hintergrund stellen eine frühzeitige Abklärung und das Einleiten einer adäquaten Therapie eine wesentliche Option dar. Durch eine rechtzeitige Behandlung kann das chronische venöse Leiden erfolgreich behandelt, aber leider nie ganz beseitigt werden.
Das Venensystem übernimmt den Rücktransport des Blutes aus dem Gewebe zum Herzen. Das geschieht entgegengesetzt der Schwerkraft. Da die Venen ein Niederdrucksystem darstellen, fließt das Blut langsamer als in den Arterien. Daher befindet sich im Venenkreislauf auch mehr Blut als in den Arterien.
Der Rücktransport des Blutes wird hauptsächlich durch die Skelettmuskelpumpen bewerkstelligt. Damit das venöse Blut nicht in die Peripherie zurückfließt, befinden sich in unterschiedlichen Abständen Venenklappen. Sie funktionieren wie Schleusentore und sorgen dafür, dass das Blut wie in einer Einbahnstraße automatisch aus dem oberflächlichen zum tiefen Venensystem abfließt.
Die oberflächlichen Transportgefäße nennt man auch Stammvenen (Vena saphena magna und Vena saphena parva). Kurzschlussverbindungen zwischen dem oberflächlichen und tiefen Venensystem werden als Perforansvenen bezeichnet. Sie können an ganz unterschiedlichen Stellen einen venösen Abfluss durch die Muskelfaszien ermöglichen.
Durch die Stauung des Blutes im venösen Gefäßsystem wird die venöse Hämodynamik gestört. Ein venöser Bluthochdruck entsteht und daraus dekompensieren zwangsläufig die kleinsten venösen Gefäße im Bereich der Haut.
Die Hauptursache ist ein Funktionsausfall der Venenklappen mit der Folge eines venösen Rückstromes. Der Klappenapparat unterliegt einem biologischen Alterungsprozess. Bis zum 70. Lebensjahr bilden sich ungefähr 80 % der Klappen zurück.
Als weitere Ursachen kommen die Tiefe Beinvenenthrombose (TVT), die oberflächliche Venenentzündung (Thrombophlebitis) oder die Entzündung von Varizen (Varikophlebitis) in Betracht. Die TVT wird durch einen thrombotischen Verschluss tiefer Beinvenen verursacht und kann zu einer Lungenembolie führen, die als ausgeprägter Befund auch den Tod des Betroffenen verursachen kann.
Sichtbare Zeichen können eine ödematöse Schwellung, eine harte, gespannte Muskulatur, eine bläuliche Verfärbung der Haut und eine erhöhte Temperatur sein. Ist eine Lungenembolie auffällig, klagen die Betroffenen in der Regel über Atembeschwerden bis hin zur starken Luftnot.
Die chronische venöse Insuffizienz wird als chronische Rückflussstörung des venösen Blutes definiert, in deren Folge stauungsbedingte Ödeme im Knöchelbereich entstehen.
Betroffene berichten von
Im fortgeschrittenen Stadium der venösen Insuffizienz bilden sich Stauungsdermatosen und Hyperpigmentierungen aus. Die Haut verfärbt sich braun.
Am Anfang der phlebologischen Diagnostik wird die Krankengeschichte erhoben. Insbesondere die Frage nach Operationen oder Verletzungen der unteren Extremitäten und der Beckengürtelregion. Des Weiteren die Abklärung früherer Thrombosen oder phlebologischer Vorbehandlungen.
Die Beine werden unter dem Aspekt der CEAP-Klassifikation inspiziert. Auch das VALSALVA-Manöver und die Atemabhängigkeit des venösen Rückflusses sind Hinweise. Neben der klinischen Untersuchung gehört die Duplexsonographie zur Basisdiagnostik. Die Phlebographie (Röntgenkontrastmittel-Untersuchung) spielt allenfalls in gutachterlichen Auseinandersetzungen noch eine Rolle.
Wird die chronische venöse Insuffizienz konservativ behandelt, bildet die optimale, individuell angepasste Kompressionstherapie die Basistherapie. Bei der tiefen Beinvenenthrombose verspricht die dauerhafte Kompressionstherapie eine Besserung der Symptomatik. Bei orthostatischen Belastungen (z. B. bei Berufen, die im Stehen ausgeübt werden) sollte immer über den Nutzen der Kompressionstherapie nachgedacht werden.
Die operative Behandlung der Krampfadern besteht darin, insuffiziente Abschnitte des oberflächlichen Venensystems und deren Verbindungen zum tiefen Venensystem durch Krossektomie auszuschalten. Des Weiteren aus verschiedenen Formen der Resektion und Unterbrechungen insuffizienter Perforansvenen.
Wenn sich die Beschwerden verstärken oder Komplikationen erwartet werden können, bietet sich eine invasiv-operative oder endovenöse Therapie an.
Die endovenösen Techniken (Laser, Radiowelle, Venenkleber) stellen minimal invasive Verfahren dar. Sie bieten gegenüber der operativen Therapie den Vorteil, dass auch Patienten behandelt werden können, die von einer invasiven Therapie, z. B. bei Narkoserisiko, ausgeschlossen werden.
Ohne Wärmeenergie (120°C) lassen sich insuffiziente Krampfadern mit Acrylat, einem Venenkleber, welcher mit einem Kathetersystem verabreicht wird, verkleben. Der Venenkleber verursacht keine Schmerzen und ist derzeit das einzige Verfahren, das ohne eine Anästhesie und ohne Kompressionsstrümpfe durchgeführt werden kann.
Für die Prophylaxe und Nachsorge der Krampfaderpatienten ist von Bedeutung, dass es sich um eine anlagebedingte Erkrankung handelt, weshalb sie nicht ursächlich behandelbar ist. Es muss nach einer abgeschlossenen Therapie mit dem erneuten Auftreten von Krampfadern gerechnet werden. Kann eine Störung der Beinvenenhämodynamik nicht vollständig normalisiert werden, ist eine ergänzende Kompressionstherapie empfehlenswert.
Eine typische und bekannte Spätkomplikation der chronischen venösen Insuffizienz ist das Ulcus cruris venosum. Es ist ein Hautgeschwür des Unterschenkels und mit 70 % die häufigste Form des Beingeschwürs. Umgangssprachlich wird es auch als „offenes Bein“ verstanden.
Jedes Krampfaderleiden kann sich im Prinzip zu einem Ulcus cruris venosum weiterentwickeln. Von daher sind die frühe Diagnostik eines Venenleidens und die Prävention von Folgeerkrankungen von großer Bedeutung. Das venöse Ulcus befindet sich typischerweise im Bereich des medialen oder lateralen Knöchels.
Anfänglich finden sich neben einem Ödem typische Hautveränderungen mit einer Hyperpigmentation, einem präulzerösen Erythem, einer Lipodermatosklerose oder eine Atrophie blanche. Diese Veränderungen münden über die Zeit in eine Ulzeration, die sich zu einem Beingeschwür ausbildet.
Das Lymphödem ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung mit einer Transportstörung im Lymphdrainagesystem. Letztlich sammeln sich im Gewebe Wasser und Proteine an, sodass das betroffene Gewebe anschwillt. Über die Anzahl der Betroffenen kursieren unterschiedliche Zahlen.
Lymphödeme bedeuten für die Patienten körperliche und psychische Belastungen. Einschränkungen der Beweglichkeit, Infektionen durch Pilze, Viren oder Bakterien oder die Ausbildung eines Erysipels führen zu erheblichen Beeinträchtigungen.
Lymphozyten werden im Knochenmark und in der Thymusdrüse gebildet und reifen in der Milz und in Lymphknoten heran. Die Lymphgefäße stellen im Gewebe ein eher offenes System dar, im Sinne von Lymphspalten. Erst später zeigt sich ein Gefäßsystem, das für den Abtransport der Lymphflüssigkeit zuständig ist.
Die Lymphe aus dem rechten oberen Körperquadranten wird im Ductus lymphaticus dexter abgeleitet, der in die rechte Vena subclavia einmündet. Die Lymphe der übrigen Körperregionen sammelt sich im Ductus thoracicus. Dieser mündet in die linke Vena subclavia. Die Lymphknoten dienen als Filter und säubern die Lymphe von Fremdmaterial und Zellpartikeln.
Kann die Lymphflüssigkeit nicht mehr richtig abtransportiert werden, entsteht ein Lymphödem. Ins Gewebe ausgeschwemmte Proteine ziehen das Wasser an und es verbleibt im Gewebe. Immer mehr Flüssigkeit sammelt sich an und verfestigt das Gewebe. Anfänglich lassen sich noch Dellen eindrücken, was später nicht mehr gelingt. Die Ansammlung von Proteinen im Gewebe aktiviert Fibroblasten, sodass sich das Gewebe verhärtet.
Lymphödeme haben verschiedene Ursachen. Auslöser können sein
Sehr oft finden sich Lymphödeme bei Brustkrebsbehandlungen mit begleitender Ausräumung von Lymphknotenstationen.
Eine unbehandelte Krampfadererkrankung, aber auch eine Schädigung von begleitenden Lymphbahnen durch Krampfadereingriffe (Stripping-Operation, Hitzebehandlung mit Laser oder Radiowelle) können ein Lymphödem hervorrufen.
Die Diagnose ist im Wesentlichen eine klinische Diagnose. Anamnese, Inspektion und Palpation sind wegweisend. Das STEMMER-Zeichen zählt zu den wichtigsten klinischen Anzeichen für ein Lymphödem. Lässt sich eine Hautfalte über der zweiten Zehe abheben, ist das STEMMER-Zeichen negativ, d. h., dass kein Lymphödem vorliegt.
Da es beim Lymphödem keinen kausalen Therapieansatz gibt, stellt die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) die Basistherapie des Lymphödems dar.
Die KPE besteht aus folgenden Therapiebereichen:
Ein kausaler Behandlungsansatz – weder medikamentös noch invasiv – steht derzeit überzeugend zur Verfügung. Die vorhandenen chirurgischen Maßnahmen spielen eine untergeordnete Rolle. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind daher besonders wichtig.
Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit handelt es sich um eine Durchblutungsstörung, die zu einer Verengung oder den vollständigen Verschluss von arteriellen Gefäßen führt. Mit zunehmendem Lebensalter steigt auch die Häufigkeit der pAVK. In Deutschland leidet jeder Fünfte über 65 Jahren an einer pAVK.
Eine verkürzte schmerzfreie Gehstrecke – umgangssprachlich auch als Schaufensterkrankheit bezeichnet – ist das typische Krankheitsbild (Claudicatio intermittens). Die arterielle Verschlusskrankheit kann aber auch als Systemerkrankung betrachtet werden und befüllt nicht nur die Beinarterien, sondern auch die Herzkranzgefäße, die Halsschlagadern oder Nierenarterien mit ihren dann ganz eigenen Krankheitsbildern.
Die Diagnose der pAVK wird in der Regel durch die Anamnese, die Abklärung von Risikofaktoren (Nikotin, Bluthochdruck, Diabetes mellitus), die Art der Symptomatik und der klinischen Untersuchung gestellt.
Der Nachweis der pAVK kann durch den Knöchel-Arm-Index, den ABI (ancle-brachial-index), geführt werden. Es ist der Quotient aus dem niedrigsten Knöchelarteriendruck und dem mittleren Armarteriendruck. Mit dem ABI lässt sich auch eine Aussage zur Schwere der pAVK machen. Werte von 0,75 bis 0,9 beschreiben eine geringgradige, Werte von 0,5 bis 0,75 eine mittelschwere und Werte unter 0,5 eine schwere pAVK (kritische Ischämie).
Als weiterführende Diagnostik sind die Farbduplexsonographie (FKDS) und die gefäßdarstellende Computertomographie oder Magnetresonanztomographie (CT-A und MR-A, A für Angiographie) zu nennen.
Das zentrale Anliegen in der Therapie ist es, die Durchblutungssituation zu verbessern, um somit die schmerzfreie Gehstrecke zu verbessern oder zu normalisieren und Gewebeschäden zur Abheilung zu bringen. Das erfolgt stadiengerecht und individualisiert mit gefäßchirurgischen oder endovaskulären Rekonstruktionen.
Liegt neben einer pAVK ein Krampfaderleiden oder eine Lymphödem vor, erlaubt sich eine Kompressionstherapie mit Kompressionsstrümpfen bis zu einem Knöchelarteriendruck von minimal 70 mmHg als Grenzwert.
Um diese unterschiedlichen Gefäßerkrankungen abklären zu lassen, ist der richtige Ansprechpartner ein Facharzt für Gefäßchirurgie oder ein Phlebologe.
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