Adipositas und Lipödem werden gerne im selben Atemzug erwähnt. Die beiden Erkrankungen unterscheiden sich jedoch erheblich voneinander. Die Verwendung des BMI (Body Mass Index: Körpergewicht ÷ Körpergrösse2) als Marker ist sehr ungenau und irreführend und könnte dazu führen, dass viele Patientinnen mit Lipödem fälschlich der Diagnose Adipositas zugeordnet werden. Das Problem der Lipödem-Patientinnen ist nicht, dass sie nicht abnehmen können, sondern dass sie an den Problemzonen nicht abnehmen. Die Begleit- und Folgeerkrankungen sind bei beiden Erkrankungen sehr ähnlich mit einem deutlich erhöhten Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt, Bluthochdruck, Schlaganfall, frühzeitiger Gelenkverschleiß (Arthrose), Unfruchtbarkeit und Impotenz, ein u.U. erhöhtes Krebsrisiko, psychische und soziale Probleme.
Der Chemiker Richard DiMarchi und der deutsche Professor Dr. Dr. h. c. Matthias Tschöp, haben die sogenannte „Abnehmspritze“ entwickelt. Diese Superhormone entsprechen natürlichen Darmhormonen. Im Durchschnitt käme es zu einer Gewichtsabnahme um 23 Prozent. Es handele sich aktuell um das weltweit wirksamste Medikament gegen die Adipositas und als Begleiteffekt natürlich um eine Substanz, mit der der Adipositas-bedingte Typ-2-Diabetes behandelt werden könne. Entwickelt wurde es zur Normalisierung eines pathologisch erhöhten Körpergewichtes.
Mit einer ausgewogenen Ernährung, wie auch durch eine adäquate körperliche Aktivität ließe sich die weitere Ausbreitung von Adipositas und Typ-2-Diabetes nicht aufhalten, so Professor Tschöp, denn bei etwa 70 Prozent der Betroffenen läge eine genetische Ursache zugrunde.
Durch die „Abnehmspritze“ hätten diese Betroffenen eine massiv bessere Chance, den häufigen Begleit- und Folgeerkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch bestimmte Krebsarten zu entkommen. Erstmals sei damit bei vielen Übergewichtigen ein seit der Kindheit aktiveres Leben möglich. Auch der psychologische Aspekt sei hier von großer Bedeutung.
Die Wirkweise der „Abnehmspritze“ lässt sich vereinfacht darstellen: die Hunger auslösende Wirkung des Magenhormons Ghrelin wird antagonisiert und das Sättigungsgefühl im Gehirn über den Umweg der Bauchspeicheldrüse aktiviert.
Tschöp spricht hier von einer individuell maßzuschneidernden Therapie; er nennt es personalisierte Stoffwechselmedizin oder auch Präzisionsprävention. Im Prinzip bietet sich mit dieser Spritze eine auf die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnittene Behandlungsmethode an. Auch die Nutzung neuester Methoden der künstlichen Intelligenz haben sich für Prof. Tschöp als effektive Unterstützung herausgestellt.
Die Frage, ob die Adipositas eine Erkrankung sei, wird eindeutig bejaht. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten der Abnehmspritze in der Behandlung des Diabetes, nicht aber in der von Adipositas.
Würde Adipositas richtig behandelt, könnten Kosten für Begleit- und Folgeerkrankungen und deren Komplikationen eingespart werden. Mit der Abnehmspritze ließen sich mehr als 80 Prozent aller Diabeteserkrankungen verhindern.
Es handelt sich um die in den USA beliebte Diabetes-Spritze, mit der man auch abnimmt, weil sie den Appetit hemmt.
Neben dieser vielversprechenden Möglichkeit, Gewicht zu verlieren, muss auch über Nebenwirkungen gesprochen werden, denn die sind nicht ohne: Übelkeit, Durchfall und Erbrechen beeinträchtigen den Alltag massiv. Viele Anwender berichten außerdem nach dem Gewichtsverlust von Hautlappen am Bauch, die man nicht mehr loswird, außer man beseitigt sie operativ.
Was ist, wenn die Spritze abgesetzt wird? Nach dem Absetzen kommen die Kilos zurück, und das mit einem großen Knall. Man isst wie vorher und die Kilos kommen schnell wieder. Außer man nutzt das Medikament langfristig, also dauerhaft. Doch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnt: die langfristige Nutzung birgt ein erhöhtes Krebs-Risiko.
Abnehmen mit den sogenannten GLP-1 Medikamenten bedeutet auch, dass Kosten auf den Nutzer zukommen, denn, wie oben erwähnt, werden die Kosten von den Versicherern nicht übernommen. Ein Monat Abnehmspritze kostet circa 300.- bis 400.-€ und bedeutet wöchentliches Injizieren und das dauerhaft. Also ganz so einfach ist der Weg zur schlanken Figur dann doch nicht.
Die IKKclassic als gesetzliche Krankenversicherung berichtet, dass diese Medikamente keine Lifestyle-Produkte für Menschen seien, die mit ihrem Körpergewicht unzufrieden sind, sondern nur für die Behandlung von Diabetes und Adipositas vorgesehen sind. „Die unkontrollierte Anwendung ohne Indikation ist mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden.“
Das Lipödem ist eine schmerzhafte, disproportionale Ansammlung von Unterhaut-Fettgewebe an den unteren und den oberen Extremitäten, die fast ausschließlich Frauen betrifft, sodass hier ebenfalls von einer genetischen Komponente auszugehen ist. Der Rumpf und der Kopf sind von der Erkrankung nicht betroffen, ebenso wenig die Füße und die Hände.
Im Mittel beginnt das Lipödem im Alter von 19 Jahren. Fast 90 Prozent brachten das Auftreten ihres Lipödems mit einer hormonellen Veränderung in Zusammenhang (Pubertät, Menopause, Schwangerschaft). Mehr als 50% der Betroffenen bieten einen BMI > 40kg/m2 entsprechend einer Adipositas Grad III. In 98 Prozent der Fälle berichtet nahezu jede Lipödem-Patientin über mittelstarke bis starke Schmerzen.
Fast alle Patientinnen (96 Prozent) berichten nach einer Liposuktion von einer erheblichen Schmerzreduktion.
Die Adipositas ist im Vergleich zum Lipödem eine generalisierte Fettgewebsvermehrung des gesamten Körpers mit bevorzugter Lokalisation am Rumpf. Das Fettgewebe der Adipositas verursacht keine Beschwerden. Die Adipositas betrifft beide Geschlechter.
Drei wesentliche Charakteristika des Lipödems (Lipohyperplasia dolorosa) lassen sich benennen: die symmetrische, disproportionale Fettgewebsvermehrung der Extremitäten, die den Stamm und den Kopf ausspart; die Schmerzhaftigkeit; das weibliche Geschlecht.
Im Jahre 2008 wurde die Zahl betroffener Frauen jenseits der Pubertät auf 8 Prozent geschätzt, entsprechend ungefähr 5 bis 6 Millionen Betroffener.
Früher als schicksalhafte Erkrankung betrachtet, haben sich mittlerweile die Auffassungen vieler verändert. Neben der konservativen Therapie steht mit der Liposuktion eine nachhaltige Therapieoption zur Verfügung.
In der ersten US-amerikanischen Leitlinie aus 2021 wird beschrieben, dass weder Ultraschall noch im Kernspin Flüssigkeitsansammlungen im subkutanen Fettgewebe nachweisen können. Wenn es also keine Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe gibt, dann kann die Manuelle Lymphdrainage (MLD) den Patientinnen guttun. Flüssigkeitsansammlungen, die es jedoch nicht gibt, kann die MLD nicht aus den Extremitäten herausbringen. Die Kompression ist in diesem Zusammenhang auch nicht als hilfreich einzuordnen. Kompression hilft jedoch nachweislich gegen den wahrgenommenen Schmerz.
Die „Abnehmspritze“ für die Adipositas und die Liposuktion für das Lipödem sind moderne Ansätze. Die Liposuktion ist korrekt durchgeführt nachhaltig, die GLP-1 Medikamente sind dauerhaft einzunehmen. Das Lipödem entsteht nach Auffassung der Wissenschaft im Wesentlichen durch hormonelle Umstellungen bei den betroffenen Frauen, eine Prophylaxe ist nicht greifbar. Die Adipositas ist auch ein gesellschaftliches Problem. Ob mit einer ausgewogenen Ernährung wie auch durch eine adäquate körperliche Aktivität die weitere Ausbreitung von Adipositas und Typ-2-Diabetes nicht doch aufzuhalten wäre, bleibt offen. Prävention durch Sport, eine kohlenhydratärmere und abwechslungsreichere Ernährung, bereits in der KITA und den Schulen könnte vieles auffangen, ist aber teuer und aufwendig. Der Magen-Darm-Trakt ist ein hochkomplexes Organ, welches mit unserer industriell hergestellten Nahrung überfordert ist. Hochverarbeitete Nahrung führt zu einer vermehrten Kalorienaufnahme. Die Haupttherapie bei Adipositas wäre primär eine Änderung des Lebensstils, bestehend aus einer Umstellung der Ernährung kombiniert mit mehr Bewegung.
Eine Spritze mag da wesentlich einfacher sein. Die Risiken und Nebenwirkungen sind dann allerdings bewusst einzukalkulieren.
Beim Lipödem kann man schlecht den Aspekt der Selbstverantwortung einfließen lassen. Präventive Maßnahmen sind nicht bekannt. Das Lipödem entsteht trotz Sport und bewusster Ernährung.
Was ist Betroffenen zu empfehlen: Eine Begutachtung und intensive, individuelle Aufklärung wären absolut sinnvoll. Dies lässt sich bei Chirurgen, Phlebologen und Internisten realisieren.
Die Kostenträger sollten die verschiedenen Möglichkeiten ihren Versicherten gegenüber viel pragmatischer betrachten und anbieten. Die Liposuktion ist auf Dauer nicht nur nachhaltiger, sondern auch kostengünstiger als eine konservative und dann auch lebenslange Therapie. Die Adipositas mit der „Abnehmspritze“ zu behandeln, erscheint charmant und schnell umgesetzt. Man sieht auch schnell Erfolge. Ob diese Spritzenbehandlung auf Dauer nicht die Büchse der Pandora öffnet, bleibt abzuwarten und sollte von jedem intensiv überdacht werden.
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