Mitochondrien sind kleine Kraftwerke, die unserem Körper Energie zur Verfügung stellen. Arbeiten sie nicht mehr richtig, kommt der Körper aus dem Gleichgewicht. jameda fragte Dr. Mutschler, der Mitochondrien-Medizin in eigener Praxis anwendet und an Forschungsprojekten beteiligt ist, was Betroffene tun können, um ihre Mitochondrien zu aktivieren.
jameda: Sind die Mitochondrien beschädigt, können schwere Krankheiten entstehen, darunter Multiple Sklerose, Herzprobleme und Rheuma. Doch für diese Krankheiten gibt es viele Ursachen – wie häufig sind geschädigte Mitochondrien die Auslöser?
Dr. Mutschler: Der Mensch ist kein Auto, bei dem sich eindeutig klären lässt, dass die Lichtmaschine oder die Bremse kaputt ist. Die Entstehung einer Krankheit ist ein sehr komplexer Prozess. Oft sind Entzündungen, Infektionen, Toxine und Nährstoffmängel beteiligt, die wiederum die Mitochondrien schädigen. Nun bräuchte der Körper mehr Energie als sonst, um wieder gesund zu werden, doch die Mitochondrien, die für die Energiebereitstellung zuständig sind, funktionieren nicht mehr einwandfrei. Mitochondrien spielen daher häufig eine Rolle bei der Entstehung von Krankheiten. Bestimmte Erkrankungen sind darüber hinaus in den Genen der Mitochondrien angelegt.
jameda: Wieso können Kieferentzündungen und Darmprobleme die Mitochondrien schädigen? Gibt es weitere Faktoren, unter denen Mitochondrien leiden?
Dr. Mutschler: Wenn der Darm Nährstoffe nur schlecht aufnimmt und viele Toxine in den Körper entlässt, kommen die Mitochondrien aus dem Gleichgewicht. Das gilt auch für Kieferentzündungen, die toxische Substanzen freisetzen. Außerdem können Antibiotika, Antidiabetika und Statine (cholesterinsenkende Medikamente) die Mitochondrien schädigen und Folgeerkrankungen hervorrufen, die erneut medikamentös behandelt werden müssen. Schädlich wirken sich zudem Alkohol, Tabak, eine ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel aus.
jameda: Stress soll die Aktivität der Mitochondrien ebenfalls einschränken. Wirkt sich auch ganz normaler Alltagsstress auf die Mitochondrien aus?
Dr. Mutschler: Es gibt zwei Studien aus Prag und Ulm, die zeigen, dass schon alltäglicher Stress die Mitochondrienfunktion signifikant verschlechtert. Die genauen Mechanismen sind noch nicht erforscht, aber Stresshormone, Zytokine und freie Radikale spielen wohl eine Rolle.
jameda: Mitochondrien sind kleine Kraftwerke, die immer wieder Nachschub brauchen, um Energie zu erzeugen. Welche Lebensmittel sind besonders geeignet, um die Mitochondrien zu stärken?
Dr. Mutschler: Eine ausgewogene Ernährung mit viel basenbildendem Gemüse, kalorienarmen Lebensmitteln und genügend Mangan, Magnesium, Selen, B-Vitaminen und Zink ist die wichtigste Grundlage, um die Mitochondrien zu stärken. Besonders frische, regionale und biologische Obst- und Gemüsesorten sind zu empfehlen, um den Körper mit genügend Vitamine und Polyphenolen zu versorgen. Viele Menschen essen zu viel Fleisch: Einmal pro Woche Fleisch und zwei- bis dreimal Fisch reichen vollkommen aus. „Mitochondrien-Food“, mit dem sich die Mitochondrien gezielt stärken lassen, gibt es jedoch nicht, auch wenn bestimmte Produkte das vermuten lassen.
jameda: Was ist von Nahrungsergänzungsmitteln zu halten?
Dr. Mutschler: Um Q10 ist mittlerweile ein Hype entstanden, obwohl es sich dabei nur um ein ganz kleines Rädchen in einem komplexen Gefüge handelt. Theoretisch wirkt es sich günstig auf die Mitochondrien aus, aber nicht in den Mengen und in der Form, wie es angepriesen wird. Nahrungsergänzungsmittel sollte man nur gezielt einsetzen: Spezielle Blutlaboruntersuchungen macht deutlich, wo Mängel herrschen. Leere Speicher sind im Anschluss gezielt zu füllen, ohne eine Überversorgung zu erzielen.
jameda: Mitochondrien brauchen auch Sauerstoff, um richtig arbeiten zu können. Wie lange sollte man täglich an die frische Luft, damit dem Körper genug Sauerstoff zur Verfügung steht?
Dr. Mutschler: Wie wichtig Bewegung ist, lässt eine Studie aus dem Himalaya vermuten: Das Bergvolk der Sherpas zeigt keine Anzeichen von Sauerstoffmangel, obwohl die Einheimischen auf über 5.000 Metern in dünner Luft leben. Man vermutet, dass der hohe Grad an körperlicher Aktivität zu einer ausreichenden Sauerstoffversorgung führt. Im Westen verbringen viele Menschen den Tag dagegen im Sitzen. Sie bewegen sich wenig und bekommen zu wenig Sauerstoff. Sinnvoller ist es, jeden Tag eineinhalb Stunden an der frischen Luft aktiv zu sein, um die Folgen des Dauersitzens auszugleichen. So lassen sich die Mitochondrien sehr stark beeinflussen.
jameda: Ab wann sollten Patienten einen Arzt aufsuchen?
Dr. Mutschler: Viele Patienten profitieren von Hausmitteln der Volksmedizin: Schonkost, Ruhepausen oder Darmreinigungen sind effektive Maßnahmen und machen Medikamente teilweise sogar überflüssig. Wenn diese Maßnahmen nicht mehr greifen oder sich die Patienten übers Wochenende nicht mehr erholen, ist ein Arztbesuch anzuraten. Es gibt allerdings keine eindeutigen Symptome, die auf eine Funktionsstörung der Mitochondrien hinweisen.
jameda: Wie kann die Mitochondrien-Medizin helfen?
Dr. Mutschler: Obwohl eine Laboruntersuchung eine gute Therapiegrundlage ist, weil sie detailliert Auskunft über den Status quo gibt, wird sie nur noch selten angewandt. Das ist in der Mitochondrien-Medizin anders. Zu den Therapiemaßnahmen zählen intravenöse Laserbehandlungen, die gezielte Behebung von Nährstoffmängeln und die Beseitigung von Darmproblemen.
jameda: Wie ist die Forschungslage: Gibt es bereits genügend Studien, die die Wirkung der Mitochondrien-Medizin belegen, um ihr gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen?
Dr. Mutschler: Meiner Ansicht nach gehört die Mitochondrien-Medizin zur Schulmedizin. Das sehen allerdings nicht alle Ärzte so. Es gibt zwar eine umfangreiche Grundlagenforschung über die Wirkmechanismen der Mitochondrien, aber bislang noch zu wenige klinischen Studien. Dass der Lebensstil und Umweltfaktoren die Funktion der Mitochondrien beeinflussen, ist allerdings unumstritten. Weitere Studien sind in Vorbereitung.
jameda: Vielen Dank für das Gespräch!
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