Artikel 04/06/2017

Minderwertigkeitskomplexe überwinden: Tipps und Therapien, die helfen

Team jameda
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Sie denken, alle anderen sind besser als Sie? Dann leiden Sie vielleicht an einem Minderwertigkeitskomplex. Lesen Sie hier alles über die Entstehung, die Anzeichen und die Folgen dieses Problems, wie es Ihre Beziehungen beeinflusst und wann Sie sich Hilfe holen sollten.

,Ich bin nicht gut genug‘‘

Laut Definition leidet unter einem Minderwertigkeitskomplex, wer den Eindruck hat, weniger Wert zu sein als andere, was ein Gefühl innerer Unvollkommenheit und einen Mangel an Selbstvertrauen ausdrückt.

Minderwertigkeitsgefühle gibt es auf Grund von Diskriminierung bestimmter Menschengruppen auch in ganzen Gesellschaften. Sie verursachen Kriege und Revolutionen oder motivieren die Betroffenen, soziale und kulturelle Verbesserungen anzustoßen.

Ursachen: Hohe Ansprüche und Hilflosigkeit

Der Psychologe Alfred Adler hat den Begriff ,Minderwertigkeitskomplex‘‘ in der Psychologie eingeführt und ihn in seiner Individualpsychologie benutzt. Ein normales Minderwertigkeitsgefühl hat jeder Mensch: Es lässt ihn Ziele in Angriff nehmen. Man versucht, sich selbst zu beweisen und sagt sich, wenn die Aufgabe erfüllt ist: ,Doch, ich kann es!‘‘

Die Individualpsychologie erklärt die Entwicklung des normalen Minderwertigkeitsgefühls beim Kleinkind so: Weil es auf seine erwachsenen Eltern angewiesen ist, fühlt es sich unvollkommen und hilflos. Ein übermäßiger Minderwertigkeitskomplex entsteht, wenn ein Kind selten gelobt und häufig kritisiert wird oder wenn es zu sehr verwöhnt wird.

Ein übertriebener Minderwertigkeitskomplex kann krank machen oder mit einem ausgeprägten Gefühl der Überlegenheit ausgeglichen werden. Die Überlegenheit kann teilweise der Wahrheit entsprechen. Ein Beispiel: Ein junger Mann hat das Gefühl, dumm zu sein. Um das auszugleichen, versucht er, toll auszusehen, indem er stundenlang im Fitnessstudio Muskeln aufbaut und sich aufwendig kleidet. Ist die Überlegenheit aber fiktiv, kann sie Probleme in Beziehungen und Beruf verursachen.

Eine weitere Theorie des Psychologen Paul Häberlin aus der Schweiz erklärt das Minderwertigkeitsgefühl auf Grund ständigen moralischen Urteilen des Betroffenen: Er hat das Gefühl, den eigenen, familiären oder sozialen Idealen nicht gerecht zu werden, was zu Schuld-, Scham- und Reuegefühlen führt. In diesem Zusammenhang wird man vom Drang des Perfektionismus überwältigt, was zu ständiger Selbstüberforderung und Entmutigung führt.

Symptome: Abhängigkeit von der Gunst anderer

Menschen mit einem Minderwertigkeitskomplex zeigen verschiedene Symptome. Sie

  • fühlen sich klein, wertlos, unbedeutend und unterlegen
  • versuchen ständig, andere auf sich aufmerksam zu machen
  • sehen sich immer als Opfer
  • haben Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen
  • fühlen sich übertrieben abhängig vom Partner
  • haben ständig Angst, einen Fehler zu machen
  • meiden das Sozial- und Gemeinschaftsleben
  • haben Sprachhemmungen

Oft haben sie sogar Persönlichkeitsstörungen oder Depressionen und sind suizidgefährdet.

Bei jungen Männern äußert sich der Minderwertigkeitskomplex oft mit Aggressivität, übermäßigem Alkoholkonsum, Arroganz und Kompensation mit Statussymbolen, wie zum Beispiel teuren Sportautos.

Die Diagnostik beruht auf speziellen psychologischen Tests, die helfen, den Schweregrad festzulegen. Ein oder zwei Sitzungen reichen aus, die jeweils mehrere Stunden dauern. Dabei füllt der  Betroffene standardisierter Fragebögen aus und spricht mit Psychiatern oder Psychotherapeuten.

Therapie und Selbsthilfe: So überwinden Sie Minderwertigkeitskomplexe

Wenn ein Minderwertigkeitskomplex das Leben stark einschränkt, zum Beispiel wenn sich der Betroffene zurückzieht und nicht an sozialen Aktivitäten teilnimmt, dann sollte er einen Arzt aufsuchen. Wenn er sich selbst Schmerzen zufügt, dann ist die ärztliche Behandlung dringend nötig.

Der erste Schritt für die Überwindung eines Minderwertigkeitskomplexes ist anzuerkennen, dass Sie Hilfe brauchen. Es gibt sehr effektive psychologische Prozesse, wie zum Beispiel die Verhaltens- oder die Konfrontationstherapie, die Ihnen helfen können. Als erstes bekommen Sie Übungen und Anleitungen, um Ihr Selbstwertgefühl zu steigern und Ihr Selbstbild zu verbessern.

Eine weitverbreitete und vielpraktizierte Methode zur Behandlung eines Minderwertigkeitskomplexes ist die sogenannte Autosuggestion, auch Affirmation genannt. Dabei sagen Sie sich selbst ermutigende, aufbauende und positive Sätze, um eine innere Wandlung zu erreichen. Affirmationen müssen jahrelang täglich praktiziert werden, damit sie wirken.

Medikamente brauchen Betroffene nur, wenn sich eine Depression oder eine Persönlichkeitsstörung entwickelt hat.

Fazit

Ein Minderwertigkeitsgefühl steckt seit unserer Kindheit in uns allen. Einige kompensieren es im Erwachsenenalter, anderen gelingt der Umgang damit jedoch nicht. Wenn der Alltag davon stark eingeschränkt wird, dann ist der Arztbesuch sinnvoll. Psychotherapeuten können Minderwertigkeitskomplexe erfolgreich behandeln.

Quellen

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  • Jorswieck. Häufigkeit und Bedeutung spontan geäußerter Minderwertigkeitsgefühle in der Erstanamnese neurotischer Persönlichkeiten. Zeitschrift für Psycho-somatische Medizin; Vol. 1, No. 3 (1954/55), pp. 211-216
  • Steffen Moritz, Gerit Pfuhl, Thies Lüdtke, Mahesh Menon, Ryan P. Balzan, Christina Andreou. (2017) A two-stage cognitive theory of the positive symptoms of psychosis. Highlighting the role of lowered decision thresholds. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry56, pages 12-20.
  • Marie-Luise Kesting, Tania Marie Lincoln. (2013) The relevance of self-esteem and self-schemas to persecutory delusions: A systematic review. Comprehensive Psychiatry54:7, pages 766-789.
  • Marie-Luise Kesting, Marcel Bredenpohl, Julia Klenke, Stefan Westermann, Tania M. Lincoln. (2013) The impact of social stress on self-esteem and paranoid ideation. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry44:1, pages 122-128.
  • Tania M. Lincoln, Stephanie Mehl, Michael Ziegler, Marie-Luise Kesting, Cornelia Exner, Winfried Rief. (2010) Is Fear of Others Linked to an Uncertain Sense of Self? The Relevance of Self-Worth, Interpersonal Self-Concepts, and Dysfunctional Beliefs to Paranoia. Behavior Therapy41:2, pages 187-197.

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