Artikel 29/06/2017

Methadon zur Krebsbehandlung: Wirkung und Nebenwirkungen des Opioids

Dr. med. Michael Würfel Internist, Onkologe, Hämatologe & Internistischer Onkologe
Dr. med. Michael Würfel
Internist, Onkologe, Hämatologe & Internistischer Onkologe
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Methadon ist ein vollsynthetisch hergestelltes Opioid und wird seit langem als Schmerzmittel und zur Drogenersatztherapie bei Heroinabhängigkeit eingesetzt. In den vergangenen Jahren ist es zunehmend als mögliches Krebsmedikament in den Fokus der Forschung gerückt. 2008 konnte die Chemikerin Dr. Claudia Friesen vom Universitätsklinikum Ulm zeigen, dass Methadon Leukämiezellen in den Zelltod treibt. 2014 gelang ihr der Nachweis im Laborexperiment, dass Methadon in Kombination mit einer Chemotherapie zu einem Massensterben von Glioblastomzellen, einem aggressiven Hirntumor, führt.

Ihre Erkenntnisse ließen sich auch auf andere Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs oder bestimmte Formen von Brust-, Eierstock- und Prostatakrebs übertragen.

Was sind die Eigenschaften von Methadon?

Das D-L-Methadon besteht aus zwei Substanzen mit unterschiedlichen Wirkungen. Das Levo-Methadon beseitigt z.B. die Schmerzen, die die Eingeweide betreffen, das Dextro-Methadon wirkt auf Nervenschmerzen und ist als stärkstes Hustenmittel bekannt. Die Halbwertszeit schwankt individuell und liegt bei ca. 22 bis 25 Stunden.

Wie funktioniert der Wirkmechanismus?

Ein großes Problem in der Onkologie ist die Resistenzbildung. Medikamente, die am Anfang eine gute Wirksamkeit auf das Tumorwachstum hatten, verlieren sie und der Tumor kann sich wieder ausbreiten. Die Resistenzbildung beruht auf verschiedenen Mechanismen. So kann die Tumorzelle u.a. verhindern, dass Zellgifte eindringen oder findet Möglichkeiten, um sie wieder rasch aus der Zelle zu entfernen.

Die Krebszellen reagieren auf eine Chemotherapie, indem sie Pumpen an der Zelloberfläche ausbreiten, welche die Zytostatika wieder aus der Zelle entfernen. Diesen Mechanismus kann man mit D-L-Methadon blockieren. Es besteht aus den beiden Substanzen Dextro- und Levo-Methadon, die sich gegenseitig in ihrer zytotoxischen Wirkung ergänzen. Der Wirkmechanismus wurde von Frau Dr. Friesen, Leiterin des Molekularbiologischen Forschungslabors, Schwerpunkt Onkologie, der Universität Ulm beschrieben:

Wenn man die Opioidrezeptoren auf der Zelloberfläche mit Levo-Methadon stimuliert, dann blockiert es die umliegenden Pumpen. Die Zelle reagiert damit, diese Opioidrezeptoren stumm zu regeln, so dass diese Pumpen nicht mehr blockiert werden können. Die zweite Substanz, das Dextro-Methadon, bindet sich an der Zelloberfläche an einer anderen Stelle, dem sogenannten NMDA-Rezeptor und verhindert, dass die Opioid-Rezeptoren stummgeschaltet werden. Damit hat die Zelle das Problem, dass sie die aufgenommen Medikamente nicht mehr losbekommt. In der Zelle häuft sich das Zytostatikum an und sie kann sich nicht dagegen wehren.

Dazu kommt, dass das aufgenommene Zytostatikum die Anzahl der Opioid-Rezeptoren auf der Krebszelle vermehrt, die dann noch mehr Pumpen blockieren, so dass sich diese Wirkungen gegenseitig hochschaukeln.

Ein weiterer Wirkmechanismus ist die Apoptoseinduktion. Tumorzellen sind unsterblich, da sie den Schalter, um einen programmierten Zelltod sterben zu können, nicht mehr aktivieren können. Über die Opiatrezeptor-Aktivierung kann dieser Prozess wieder in Gang kommen. Das erklärt, warum Methadon auch ohne zusätzliche Chemotherapie eine Wirkung auf das Tumorwachstum hat.

In Kombination mit Zytostatika führt Methadon zu einer deutlichen Wirkverstärkung der Chemotherapie. Damit wird der Chemotherapeutikadosis reduziert und die Chemoresistenz durchbrochen. Da Tumorzellen 1.000 bis 10.000 mal mehr Opiat-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche haben als gesunde Zellen, werden gesunde Zellen weitestgehend von diesen Effekten verschont.

Ist Methadon zugelassen?

D-L-Methadon kann nach heutigem Stand der Zulassung für Krebspatienten nur als Schmerzmittel verordnet werden. In Deutschland gibt es D-L-Methadon zur Schmerztherapie nicht als Fertigarzneimittel. Es wird als Standardrezeptur in der Apotheke hergestellt. Um als Tumormedikament zugelassen zu werden, bedarf es aussagekräftiger Studienergebnisse. Diese wird man aber voraussichtlich nicht bekommen, da es sehr teuer ist, Studien durchzuführen.

Demgegenüber ist Methadon nicht mehr patentrechtlich geschützt und die Herstellungskosten sind zu gering. Aus ökonomischer Sicht lohnt sich das für die Pharmaindustrie nicht. Alternativ könnte der Staat die Entwicklung vorantreiben, aber augenscheinlich liegen weder die Mittel noch ein Interesse dafür vor.

Wie verträglich ist Methadon?

Die Substanz hat eine sehr hohe therapeutische Breite. Nebenwirkungen können, müssen aber nicht auftreten. Vor allem in der Einschleichphase können Übelkeit, Verstopfung und Schwindel eine Rolle spielen. Diese Nebenwirkungen kennt man gut von anderen Opiaten. Die Verstopfung kann nach der Eingewöhnungsphase fortbestehen, während die anderen Nebenwirkungen wieder verschwinden. Da Methadon bereits in den Mundschleimhäuten aufgenommen wird und nur in geringeren Mengen in den Darm gelangt, stellt die Verstopfung ein eher geringeres Problem dar.

Hinsichtlich der Wirkung und unerwünschten Wirkungen wies D-L-Methadon gegenüber den Opiaten Morphin, Fentanl und Buprenorphin das günstigste Profil auf. Im Gegensatz zu anderen Opioiden kann es sogar für Patienten mit Leber- und Niereninsuffizienz genutzt werden. Mit entsprechenden Begleitmedikamenten können die Nebenwirkungen reduziert werden.

Krebspatienten, die von anderen starken Opioiden auf Methadon umgestellt werden, benötigen danach weniger zusätzliche Schmerzmittel. Zudem scheint Methadon, einer japanischen Studie zufolge, neuropathische Schmerzen besser zu dämpfen, als andere Opioidanalgetika.

Unter Methadon können Herzrhythmusstörungen auftreten. Diese werden klinisch aber erst in Dosen vom 10 bis 20-fachen der zur Schmerztherapie notwendigen Menge relevant. In den vorliegenden Berichten ist diese Nebenwirkung deshalb gering ausgeprägt.

Als Zusatzwirkung wird Methadon eine antidepressive Wirkung zugeschrieben. Dieser Effekt erklärt sich durch eine sogenannte serotonerge und noradrenerge Wirksamkeit des Medikaments.

Methadon kann mit konventionellen Krebstherapien kombiniert werden. In einer rückblickenden Studie zum Einsatz von Methadon in der Glioblastom-Therapie wurde gezeigt, dass die Toxizität nicht wesentlich erhöht wird.

Wie reagiert das Medikament im Körper?

Methadon wird über die gleichen Wege in der Leber verstoffwechselt wie viele andere Medikamente. Dadurch kann die Wikung von Methadon z.B. beim Einsatz von Ciprofloxacin, Diazepam, Ethanol und Fluconazol verstärkt werden.

Zusammenfassung

Methadon ist ein seit langem bekanntes Medikament, das u.a. in der Schmerztherapie eingesetzt wird. Hier ist die Wirkung unbestritten. Die Wirkung als Mittel gegen Krebs ist nach derzeitiger Studienlage unklar. Laborergebnisse und Fallbeispiele ersetzen nicht die notwendigen Studien, die es aber voraussichtlich aus Kostengründen nicht geben wird.

Die Verträglichkeit von Methadon ist gut. Wird das Medikament in Dosierungen gegeben, die für die Schmerztherapie ausreichend sind, werden schwerwiegende Nebenwirkungen selten beschrieben. Die auch bei anderen Opiaten bekannten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verstopfung und Schwindel sind häufig gering ausgeprägt, spontan rückläufig und können mit entsprechenden Medikamenten symptomorientiert behandelt werden. Positiv ist die antidepressive Komponente, die gerade bei Krebspatienten erwünscht ist.

Bei onkologischen Schmerzpatienten bleibt die Wahl des Opiats dem behandelnden Arzt überlassen. In Anbetracht des eventuell bestehenden Zusatznutzens im Sinne eines verbesserten Tumoransprechens stellt Methadon eine interessante Alternative dar.

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