Team jameda
Die meisten Menschen verlieren im Lauf ihres Lebens mehrere Zähne. Implantate sind eine viel gepriesene Möglichkeit, Lücken zu schließen, aber sie sind teuer. Deshalb fragen sich viele Patienten: Lohnen sich Implantate wirklich? Das wollte jameda von Herrn Sattler wissen, der ein Mitglied der Leading Implant Centers ist.
jameda: Zwar werden immer mehr Implantate in Deutschland gesetzt, aber sie machen trotzdem nur fünf Prozent aller Zahnersatz-Versorgungen aus. Warum entscheiden sich viele Patienten für andere Lösungen?
Herr Sattler: Das liegt einerseits an finanziellen Gründen. Leider übernehmen die Krankenkassen in den meisten Fällen die chirurgisch-implantologischen Leistungen nicht, nur den Anteil des Zahnersatzes. Aus diesem Grund ist der Eigenanteil des Patienten bei implantologischen Versorgungen oft sehr hoch. Andererseits liegt es sicher auch an der Aufklärung der Zahnärzte. Wer selber keine Implantate setzt, rät häufiger zu Brücken oder herkömmlichem Zahnersatz.
jameda: Laut Regelversorgung ist eine Zahnlücke mit einer Brücke zu schließen, die deutlich günstiger ist als ein Implantat. Eine Brücke ist für rund 600 Euro zu haben, die günstigste Implantat-Versorgung beginnt dagegen bei ca. 2000 Euro. Beide Versorgungen bezuschusst die Kasse ja nach Bonusheft mit nur rund 400 Euro. Das Implantat ist also deutlich teurer – lohnt es sich trotzdem?
Herr Sattler: Wenn es keine medizinischen Kontraindikationen gibt, dann ja. Allerdings nicht unbedingt wegen der besseren Optik und Funktion, wie oft behauptet wird, denn Brücken kommen in dieser Hinsicht sehr nahe an Implantate heran. Ein anderer Vorteil fällt mehr ins Gewicht: Die Pfeilervermehrung. Werden alle Zähne, die entfernt werden müssen, direkt mit einem Implantat ersetzt, wird der Patient mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie mit herausnehmbarem Zahnersatz im Alter konfrontiert werden, weil genügend Pfeiler durch Implantate vorhanden sind. So kann der Patient auch den sehr hohen Kostenplan einer Gesamtversorgung vermeiden. Implantate sind außerdem schonender, weil die Nachbarzähne nicht beschliffen werden müssen, und haben eine längere Lebensdauer als Brücken.
jameda: Wenn der Zahnarzt mehrere Lücken schließen muss oder ein Knochenaufbau erforderlich ist, steigen die Kosten schnell in den fünfstelligen Bereich. Ist in diesem Fall eine andere Versorgung, beispielsweise eine Prothese, eine gute Alternative?
Herr Sattler: Das hängt vom Patienten ab. Wenn Geld keine Rolle spielt, sind Implantate die beste Wahl, weil sie der Natur am nächsten kommen. Knochenaufbau ist nicht so aufwendig, wie Patienten häufig denken. Grundsätzlich ist eine herausnehmbare Prothese vom Tragemodus und der Ästhetik und Funktion der Implantatversorgung deutlich unterlegen. Man sollte grundsätzlich einen Mittelweg beschreiten, der finanziell tragbar ist und dennoch ein zufriedenstellendes Ergebnis bietet.
jameda: Kronen oder Brücken aus individuellen Keramikverblendungen sind deutlich teurer als Standardmodelle aus Stahl. Was sind die Vor- und Nachteile beider Versorgungen?
Herr Sattler: Keramik und Zirkon sind besser verträglich, schmiegen sich besser ans Zahnfleisch an und sind optisch ansprechender: Man sieht kaum, dass der Patient Zahnersatz trägt. Verblendete Stahlkronen sind ästhetisch deutlich schlechter und bestehen im Vergleich zu Vollkeramikkronen aus mehreren verschiedenen Materialien, die zu einer verminderten Haltbarkeit führen.
jameda: Wo können Patienten sparen, die auf eine günstige Implantatversorgung angewiesen sind?
Herr Sattler: Die Verringerung der Implantatanzahl oder eine günstigere zahntechnische Versorgung sind Möglichkeiten der Kostenreduzierung. Beim zahnlosen Unterkiefer zum Beispiel könnten im individuellen Fall anstelle von vier Implantaten auch zwei möglich sein. Zudem können Druckknöpfe (Lokatoren) eine kostengünstigere Alternative zu Teleskopen oder Stegen sein.
jameda: All on 4 gilt ebenfalls als kostengünstige Alternative bei zahnlosem Kiefer. Bei diesem Verfahren wird eine Prothese an vier Implantaten so befestigt, dass sie nur der Zahnarzt herausnehmen kann. Ebenfalls eine gute Option?
Herr Sattler: Davon halte ich nichts. Der Patient kann die Prothese nicht selbst herausnehmen, um sie zu reinigen. Deshalb können sich auf der Schleimhaut viele Bakterien ansammeln, die zu einer Entzündung um das Implantat und zu dessen späteren Verlust führen kann.
jameda: Wie könnten Patienten bei drei fehlenden Zähnen sparen?
Herr Sattler: Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Man muss keine drei Implantate einsetzen, auch wenn das natürlich das Optimum wäre. Hier kann es reichen, zwei Implantate einzubringen und sie mit einer Brücke zu versorgen. Eventuell kann sogar nur ein Implantat reichen, das eine Brücke mit dem natürlichen Nachbarzahn verbindet. Die Langzeitprognose dieser Hybridbrücken sind jedoch schlechter. Eine andere Möglichkeit wäre, günstigeres Material zu verwenden. Im Seitenzahnbereich genügt manchen Patienten beispielsweise eine gefräste Keramikkrone ohne individuelle Bemalung.
jameda: Dass ein bis zwei Tage nach der Implantation leichte Schmerzen auftreten, ist ganz normal. Was könnte dahinterstecken, wenn die Schmerzen länger anhalten?
Herr Sattler: Das ist schwer zu sagen, weil das individuelle Schmerzempfinden unterschiedlich ist. Nach einer aufwendigen OP können die Schmerzen außerdem länger andauern. Normalerweise findet am zweiten Tag nach der Operation ein Kontrolltermin statt, um die Schmerzen und die Schwellung zu überprüfen. Wenn danach Probleme auftreten, sollten sich die Patienten an ihren Zahnarzt bzw. Chirurgen wenden.
jameda: Wie häufig passiert es, dass die Implantation schiefgeht oder die künstliche Zahnwurzel nicht richtig einwächst und entfernt werden muss?
Herr Sattler: Der frühe Implantatverlust direkt nach der OP ist sehr selten, kann jedoch dadurch entstehen, dass keine Primärstabilität des Implantates vorhanden war. Dass die Implantate nach drei bis sechs Monaten bei Freilegung der Implantate nach Einheilphase nicht richtig eingewachsen sind, tritt auch nicht häufig auf und kommt eher bei Risikoerkrankungen vor. Der späte Implantatverlust ist am häufigsten, aber ebenfalls die Ausnahme: Nach fünf Jahren sind 95 Prozent der Implantate intakt, nach zehn Jahren sind es 92 Prozent. Häufig ist die Periimplantitis die Ursache für späten Implantatverlust, hervorgerufen durch mangelnde Mundhygiene und fehlende Kontroll- bzw. Prophylaxetermine beim Zahnarzt.
jameda: Um wieviel Prozent verringert sich die Haltbarkeit der Zahnimplantate bei einer durchschnittlichen bis schlechten Mundhygiene?
Herr Sattler: Mangelnde Mundhygiene kann zu einer Periimplantitis führen, die das Risiko eines Implantatverlusts um sechs Prozent erhöht. Rauchen und ein schlecht eingestellter Diabetes erhöhen das Risiko ebenfalls um jeweils sechs Prozent. Implantate lohnen sich nur, wenn die Patienten mitmachen, wenn sie ihren Zahnersatz gut pflegen und Grunderkrankungen, die ein Risiko für einen Implantaterfolg darstellen, behandeln lassen.
jameda: Würden Sie sich selbst Implantate setzen lassen, wenn Sie eine Zahnlücke hätten?
Herr Sattler: Absolut! Solange es keine relative oder absolute medizinische Kontraindikation gibt, sind Implantate derzeit die beste Lösung.
jameda: Vielen Dank für das Gespräch!
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