Es gibt Krankheiten, bei denen kommt es besonders häufig zu Fehldiagnosen. Dazu gehört das Lipödem, auch Lipodystrophie genannt.
Das Lipödem wird oft mit einer Fettleibigkeit (Adipositas) verwechselt. Für die Betroffenen hat das schlimme Konsequenzen, denn sie werden nicht richtig behandelt. Sie müssen sich Vorträge über richtige Ernährung und Sport anhören, aber beides hilft ihnen nicht. Denn die Ursache ist eine hormonell und genetisch bedingte Fehlverteilung des Fettgewebes, die nicht konservativ behandelt werden kann. Das Fettgewebe lagert sich vermehrt in den Beinen, an den Hüften, am Gesäß und in den Armen an. Die Füße und Hände sind dagegen nie betroffen. In der Taille können die Patientinnen – meistens sind Frauen betroffen – schlank sein.
Jeder kann sich vorstellen, wie belastend die Krankheit ist. Anfangs geht es vielleicht „nur“ darum, dass die Frauen sich zu dick fühlen und sich eine bessere Figur wünschen.
Viele machen die frustrierende Erfahrung, dass Diäten und Sport nichts bringen. Sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, ist ihnen oft unangenehm: „Ich traue mich schon gar nicht mehr ins Schwimmbad.“ oder „Am liebsten würde ich alle Spiegel in meiner Wohnung abhängen.“ sind typische Äußerungen, die der Arzt in der Sprechstunde hört. Doch der Leidensdruck ist nicht nur rein psychischer Natur.
Patientinnen bemerken ein Spannungsgefühl in den Beinen, die nach längerem Stehen oder Sitzen auch schmerzen können. Die Beine dann hochzulegen bringt keine Linderung. Bei Hitze ist es besonders schlimm, aber auch bei niedrigem Luftdruck, z. B. bei Flugreisen. Da die Oberschenkel beim Laufen ständig aneinanderreiben, wird die Haut wund. Das alles schränkt die Lebensqualität massiv ein. Manche Frauen ziehen sich sogar ganz aus dem sozialen Leben zurück.
Das Lipödem schreitet in drei Phasen voran. Anfangs fällt nur eine ungewöhnliche Fettverteilung auf. In diesem Stadium denken die wenigsten Menschen an ein Lipödem. Es kommt zu knotigen Veränderungen im Fettgewebe und zur Cellulite, im Volksmund ‘Orangenhaut’ genannt.
Im zweiten Stadium zeichnen sich erst Knötchen, später auch deutliche Fettwulste an Po sowie Ober- und Unterschenkeln ab.
Im dritten Stadium kommt es schließlich zu einer Verhärtung und Fibrosierung der betroffenen Fettschichten. Fibrosierung bedeutet, dass gesundes Gewebe vermehrt in Bindegewebe umgebaut wird und verloren geht. Wie weit die Krankheit fortschreitet, ist individuell verschieden. Nicht alle Patientinnen erreichen das letzte Stadium, aber sie leiden in allen drei Stadien unter starken Spannungsschmerzen.
Ein Lipödem tritt nie vor der Pubertät auf. Die meisten Frauen sind bei Ausbruch der Krankheit zwischen 20 und 30 Jahre alt.
Die Ursachen sind noch nicht vollständig erforscht, man geht aber von einer familiären Veranlagung und hormonellen Einflüssen aus. Der Grund dafür: Das Lipödem tritt vermehrt nach Schwangerschaft, Wechseljahren oder gynäkologischen Behandlungen (z. B. Entfernung der Gebärmutter oder Hormontherapie) auf. Es handelt sich um eine langsam, aber stetig fortschreitende Erkrankung.
Betroffene sollten sich deshalb frühzeitig in ärztliche Behandlung begeben. Ein erfahrener Mediziner kann ein Lipödem sicher diagnostizieren. Mit konservativen Maßnahmen wie z. B. Stützstrümpfen oder Lymphdrainagen können die Beschwerden zwar gelindert werden, sie führen jedoch zu keiner dauerhaften Besserung.
Um das zu erreichen, muss das betroffene Fettgewebe operativ reduziert oder entfernt werden. Deshalb sind Frauen mit Lipödem bei einem Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie richtig aufgehoben.
Eine verlässliche Methode ist die Fettabsaugung (Liposuktion). Dieser Eingriff muss so schonend wie möglich durchgeführt werden. Das betrifft sowohl die Menge Fett, die auf einmal entfernt wird, als auch die Anzahl der Bereiche, die der Arzt bei einem Eingriff operiert.
Am Anfang wird eine sogenannte Tumeszenzlösung in das Gewebe gespritzt. Sie lockert das Fettgewebe, hat aber auch eine schmerzlindernde und blutstillende Wirkung. Hierfür muss sich der Arzt Zeit nehmen: Damit am Ende der Behandlung ein gutes Ergebnis steht, muss die Lösung gut einwirken können. Aber nicht nur der Mediziner, auch die Patientin braucht Geduld. Denn oft ist es sinnvoller, mehrere kleinere Eingriffe vorzunehmen, damit es nicht zu Kreislaufproblemen und hormonellen Störungen kommt.
Zudem wird das Immunsystem durch große Eingriffe stärker belastet. Die Risiken der Operation sind gering, wenn der Arzt behutsam, also ganz ohne Zeitdruck, vorgeht und die OP-Säle höchsten hygienischen Ansprüchen entsprechen.
Es gibt verschiedene Methoden, das Fettgewebe zu entfernen. Bei der Wasserstrahl-assistierten Liposuktion (WAL) wird das Fettgewebe durch feinste Wasserstrahlen gelockert. Die Power-assisted Liposuction (PAL) nutzt die Vibration (ca. 4.000 Zyklen pro Minute).
Abhängig vom Stadium des Lipödems und der Beschaffenheit des Weichteilmantels entscheidet der Operateur, welche Technik die richtige für die Patientin ist. Bei einer Fettabsaugung entstehen keine nennenswerten Narben. Die Schmerzen sowie Spannungs- und Müdigkeitsgefühle lassen nach. Das Lipödem kann an den behandelten Arealen nicht zurückkommen.
Seit längerer Zeit wird im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beraten, ob die Fettabsaugung beim Lipödem von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden soll. Für Betroffene im Stadium III wurde das nun beschlossen.
Die Patientin muss dafür nachweisen, dass sie mindestens sechs Monate lang die empfohlenen konservativen Maßnahmen (Lymphdrainage, Kompression, Bewegungstherapie) probiert hat, diese aber zu keiner Besserung geführt haben.
Betroffene besprechen das Prozedere am besten mit ihrem Plastischen Chirurgen, der für jedes Stadium des Lipödems eine individuelle Therapie empfiehlt.
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