Artikel 22/04/2013

Krampfadern und chronische Venenschwäche - viele Betroffene in allen Altersgruppen (Teil 1)

Prof. Dr. med. René Holzheimer Facharzt für Allgemeinchirurgie, Sportmediziner
Prof. Dr. med. René Holzheimer
Facharzt für Allgemeinchirurgie, Sportmediziner
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Krampfadern und chronische Venenschwäche sind häufig, auch bei jungen Menschen, und können zu Recht als Volkskrankheit bezeichnet werden. Menschen mit Übergewicht und besonderer beruflicher Belastung mit sitzender oder stehender Tätigkeit, in höherem Alter oder Frauen mit multiplen Schwangerschaften sind besonders betroffen.
Die Venenveränderungen treten gehäuft familiär auf. Ursächlich für die Beschwerden (Schweregefühl, Spannungsgefühl, Ziehen, Schmerzen, Juckreiz, Unruhe in den Beinen (restless legs), Wadenkrämpfe, Schwellung) ist eine Venenwandschwäche und/oder Klappenschwäche in den Venen der Beine.

In den oberflächigen Stammvenen (im Unterschied zu den tiefen Leitvenen) wie der Vena saphena magna (Verlauf vom Innenknöchel zur Leiste) gibt es wenigstens sechs Venenklappen, in der Vena saphena parva (Außenknöchel - Wade - Kniekehle) sieben bis zehn Venenklappen. Die Klappen funktionieren nicht mehr als Rückschlagventile, das Blut kann aus den tiefen Leitvenen direkt oder über sogenannte Kurzschlussvenen (Perforansvenen) in die oberflächigen Venen zurückfließen und der Rückfluß des Blutes zum Herz und zur Lunge verlangsamt sich bis zum Stau.
Die Venenwand steht unter vermehrtem Druck, beult sich aus und ist als eine typische oberflächige Krampfader (Krummader) sichtbar ist. Nicht alle Venenveränderungen und Krampfadern sind mit dem bloßen Auge sichtbar! Manche sind verborgen und werden nur mit dem Ultraschall sichtbar.

Venöse Verästelungen im Innenknöchelbereich - Corona phlebectatica genannt - sind Frühzeichen. Zeichen einer fortgeschrittenen Venenerkrankung sind Hautveränderungen wie Hyperpigmentierung, Atrophie blanche, Lipodermatosklerose und schließlich das Geschwür (Ulcus cruris).
Ohne eine Anamnese (Krankengeschichte) lassen sich Schweregrad und mögliche Risiken der Venenerkrankung nicht erfassen: tiefe Beinvenenthrombose (Blutgerinnsel in den tiefen Beinvenen), oberflächige Venenentzündung (Thrombophlebitis), Medikamente (Pille), familiär gehäuft Venenthrombosen.

Die Untersuchung findet am stehenden Patienten statt. Untersucht werden die oberflächigen Venen zwischen Haut und Muskelfaszie (Stammvenen V saph magna und parva, retikuläre Varizen, Besenreiser, Venenseitenäste (venae accessoriae)), die tiefen Venen und die Kurzschlussvenen (Perforansvenen), die tiefe und oberflächige Venen miteinander verbinden.

Andere Erkrankungen (Differentialdiagnose) sollten erkannt und ausgeschlossen werden, so z. B.: diabetische Neuropathie, neurologische Erkrankungen, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Gefäßmissbildungen.
Eine aneurysmatisch (Wandausbuchtung mit Erweiterung des Gefäßdurchmessers) veränderte Vena femoralis in der Leiste kann als Schenkelhernie fehl interpretiert werden und umgekehrt.

Die Untersuchung findet heute meist mit einem Farbduplex-Ultraschallgerät statt. Dies ist eine sichere, nicht-invasive, kostengünstige und zuverlässige Untersuchungsmethode. Die Farbkodierung ermöglicht es, den Verschluss, Turbulenzen, Richtung des Flusses (Reflux = Rückfluss) darzustellen. Mit dieser Untersuchung lassen sich nicht nur der venöse Verschluss oder die Klappeninsuffizienz darstellen, sondern auch die Unterscheidung zwischen einer akuten venösen Thrombose oder eine chronisch venösen Venenschwäche (CVI = chronische Veneninsuffizienz) treffen.
Hinweise auf Veränderungen oberhalb des Leistenbandes im Becken oder im Bauch (Abdomen) lassen sich erkennen. Bei den Kurzschlussvenen (Perforansvenen) kann man aus Pendelfluss und Durchmesser das Risiko zur Ausbildung eines Ulcus feststellen. Eine erweiterte Vena saphena parva in der Kniekehle (normal etwa 0,3 cm auf 0,8 cm und mehr) kann, wie wir publiziert haben, selbst den jungen Langstreckenläufer durch starke Schmerzen in seiner Leistung beeinträchtigen (Venöses Entrapment) oder komplett die Laufleistung zum Erliegen bringen.

Eine weitere nicht-invasive Untersuchungsmethode ist die Plethysmographie. Sie stellt eine Screeningmethode (auch Lichtreflexionsrheographie) zur Beurteilung der Wadenmuskelpumpenfunktion sowie des venösen Refluxes dar. Damit lässt sich die physiologische Leistungsfähigkeit nach chirurgischen Eingriffen bewerten.
Die Phlebographie (Venenkontrastmitteldarstellung) wird heute nur noch in ausgewählten Fällen verwendet: postthrombotischen Syndroms (Komplikation nach einer tiefen Beinvenenthrombose), Vorbereitung endovenöser Operationen wie Stenteinlage, Angioplastik, oder offener rekonstruktiver Operation an tiefen Venen.

CT bzw. MRT kommen bei normalen Venenpatienten nur selten zum Einsatz, wohl aber bei V.a. Stenosierung (Einengung) der Vena iliaca interna, venöse Obstruktion (Verschluss) im Becken und Gefässmissbildung.
Intravaskulärer Ultraschall wird für das Monitoring venösen Stentings oder einer Untersuchung des Verschluss der Vena iliaca verwendet.

Normalerweise braucht man für Venenoperation in Tumeszenz oder Lokalanästhesie kein Labor. Blutbild, Elektrolyte, ggf. Gerinnungsanalyse sind sinnvoll bei Veneneingriffen in Narkose. Patienten mit rezidivierender TVT, Thrombose bei jungen Patienten oder ungewöhnlicher Lokalisation, Thrombophilie oder chronisch rezidivierender Ulzera sollten eine Laboruntersuchung, ggf. auch eine gentechnologische Analyse einer erblichen Gerinnungsstörung (Thrombophilie), haben.

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