Artikel 13/11/2010

Kostenerstattung - ein gangbarer Weg?

Team jameda
Team jameda
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Im Gesundheitswesen tobt derzeit ein Streit, ob die Kostenerstattung auf die gesetzliche Krankenversicherung ausgedehnt werden kann und soll.

Die Befürworter der Kostenerstattung (die Regierung, die Ärzte und die Ökonomen) wollen folgenden Weg gehen: Der Patient bekommt die Wahlfreiheit der ärztlichen Leistung. Eine Behandlung soll sodann in Rechnung gestellt werden. Der Patient rechnet mit der Versicherung ab und erstattet dann dem Arzt den Rechnungsbetrag. Die Krankenkasse wird eine dem Leistungsumfang des Versicherungsvertrages entsprechende Erstattung vornehmen. Dabei werden nicht erstattete Beträge wohl vom Patienten zu tragen sein. Eine Vorleistung (Rechnungsausgleich vor Erstattung) an den Arzt ist derzeit nicht vorgesehen.

Die Vorteile wären:

  • Schonungslose Kostentransparenz

  • Wahlfreiheit in der Therapie ohne Restriktionen

Nachteil könnte sein:

  • Man muss sich darüber klar werden, was man sich leisten kann oder will, denn die moderne Medizin und Zahnmedizin hält weitaus mehr gesicherte Behandlungsmethoden bereit als die gesetzliche Versicherung bezahlen darf.

Während die Regierung und die Leistungserbringer dafür plädieren, wettern die Krankenkassen dagegen. Die dabei entstehende Transparenz wird von den Kassen zu Recht gefürchtet.

Nebenbei gesagt, sind die Ausgaben für Krankheitskosten in den letzten Jahren tatsächlich stark gestiegen. Was aber, wenn jeder wüsste, dass nur ein Bruchteil der eingezahlten Beiträge auch beim Arzt ankommt. Weit mehr als die Hälfte verschlingen Verwaltung und Selbstverwaltung. Im ambulanten Bereich entstehen nach einschlägigen Schätzungen ohnehin nur 15-20% der Gesamtkosten.

Bislang leben wir doch alle in einer Art Vollkasko-Mentalität. Keiner weiß genau, was es kostet, aber jeder geht zum Arzt. Mit jährlich durchschnittlich 18 Arztbesuchen liegt der Deutsche weltweit an der Spitze. Eine etwas verklärte Unwissenheit über die solidarisch gestaltete, gesetzliche Versicherung kann man täglich in der Praxis erleben.

Würde man seine Autoversicherung in gleicher Art wegen jeder Kleinigkeit bemühen, dann wären wir alle wohl niemals in der Lage, einen Schadensfreiheitsrabatt zu erleben.

Die (legale) Ausschöpfung der Sozialsysteme scheint so eine Art ‘stille Rache’ zu sein. Auch die geforderten Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung empfinden viele als unverhältnismäßig hoch. Man darf gespannt sein, welcher Streit entbrennen wird, wenn der dank Kostenerstattung dann aufgeklärte Patient erkennt, was Gesundheit wirklich kostet.

Bleiben wir beim liebsten Spielzeug der Deutschen, dem Auto. Man kann sagen, dass Kostenerstattung im Autofahrerleben eine normale Sache ist. Beispielsweise bekomme ich nach einem Autounfall einen Leihwagen von der gegnerischen Versicherung bezahlt. Aber nur in der Fahrzeugklasse (oder eins drunter), die meinem eigenen Fahrzeug entspricht. Will ich in dieser Zeit Mercedes fahren, so werde ich den Aufpreis nicht erstattet bekommen.

Die Krankenkassen schüren in diesem Zusammenhang in breiter Öffentlichkeit die Angst vor ‘Vorkasse beim Arzt’. Und damit haben sie nicht ganz Unrecht. Denn ein erhebliches Problem bleibt in der derzeitigen Diskussion gänzlich unbeachtet: Die Zahlungsmoral oder besser die Zahlungsfähigkeit des Patienten. Und dieser GAU soll, kann und wird einzig und allein die Leistungserbringer treffen.

Was momentan die Ärzte und Zahnärzte beim Inkasso von Rechnungen (an Privatversicherte) an den Rand der Belastungsgrenze treibt, würde mit der Kostenerstattung dann auf die Mehrheit der Patienten zutreffen.

Die Quote an Zahlungsausfällen stieg in den letzen Jahren ständig. Privatinsolvenzen und sonstige Liquiditätsengpässe lassen schon jetzt so manche Rechnung im Papierkorb verschwinden.

Die Gesetzlichen Krankenkassen haben mit diesem Argument meines Erachtens völlig Recht: Kostenerstattung wird eine Vorkassemedizin werden, zwangsläufig. Dass die Befürworter der Kostenerstattung das beschwichtigend bei Seite wischen, verwundert doch sehr. So viel Fantasie sollte vorhanden sein.

Dabei ist Vorkasse oder besser ‘Zahlung nach Leistung’ eigentlich nichts Ungewöhnliches. Das Brot beim Bäcker bezahle ich ja auch bevor ich es esse. Genauso wie das Flugticket, die Rundfunkgebühr, das Urlaubshotel und jeden anderen Einkauf.

Kürzlich besuchte ich einen Kollegen in einer Praxisklinik auf Mallorca. Während einer kurzen Wartezeit konnte ich mehrere Patienten beobachten. Als diese nach der Behandlung an der Anmeldetheke angekommen waren, fragte jeder unaufgefordert, ob er direkt bezahlen dürfe. Unglaublich, aber wahr…

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