Artikel 23/11/2016

Angst vor der Angst? Was Sie tun können

null Dagmar Jentz Heilpraktiker für Psychotherapie
null Dagmar Jentz
Heilpraktiker für Psychotherapie
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Wenn uns die Angst aus heiterem Himmel überfällt, ohne dass ein Auslöser zu erkennen ist… Wenn wir beginnen, Menschenmengen, Kaufhäuser und offene Plätze zu meiden oder gleich ganz zu Hause bleiben… Wenn Situationen, wie zum Beispiel im Mittelpunkt zu stehen, von anderen Menschen beobachtet oder bewertet zu werden, öffentliches Sprechen, Treffen mit Anderen oder ähnliches uns auf einmal Angst machen… Wenn bestimmte Objekte oder Situationen, z.B. Tiere, Insekten, der Zahnarzt, das Fliegen, enge Räume o.ä. plötzlich Panik in uns auslösen… Oder wenn wir uns permanent übertriebene Sorgen machen - über die eigene Sicherheit, die Gesundheit, das Wohlergehen und die Unversehrtheit der Familie, über Beruf, Finanzen und ähnliches …

… spricht man in der Medizin von einer Panikstörung, einer Phobie oder einer generalisierten Angststörung.

Was genau passiert bei einer Phobie oder Angststörung?

Viele Menschen wissen nicht, was mit ihnen passiert, sie fühlen sich ausgeliefert. Das Problem ist, dass betroffene Menschen zwar merken, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, die auftretenden Symptome aber in der Regel nicht einordnen können.

Der Hausarzt, wenn er nicht bereits für dieses Thema sensibilisiert ist, konzentriert sich dann häufig auf Schlafprobleme, körperliche Symptome oder die depressive Verstimmung und verschreibt nicht selten Psychopharmaka. So leideen nicht nur die Betroffenen, sondern auch Familie und Freunde, denn diese werden häufig in ein sogenanntes Helfersystem eingebunden. Mit dieser Unterstützung kann die Angst jahrelang aufrechterhalten werden - sie wird größer anstatt kleiner, obwohl sich die meisten nach Angstfreiheit sehen.

Symptome

Sowohl Panikstörungen als auch Ängste äußern sich durch vielfältige Symptome. Häufig entsteht das Gefühl, durchzudrehen, verrückt zu werden oder sogar die Angst, nahestehenden Personen etwas anzutun. Wie zum Beispiel Mütter, die nicht selten davon berichten, dass sie die Messer wegschließen, weil sie Angst haben, ihren Kindern etwas anzutun. Das ist aber eher ein Zeichen für die absolute Überforderung des Gehirns und nicht einer beginnenden Psychose.

Welche Angsstörungen gibt es?

Einige Störungen sollen im Folgenden vorgestellt werden:

Die Panikstörung

Ohne sichtbaren Auslöser kommt es zu einer plötzlich beginnenden Panikattacke, es ist eine Phase höchst intensiver Angst, die - falls ausgehalten - ein Maximum erreicht und dann allein wieder vergeht.

Körperliche Symptome sind Herzklopfen, Schweißausbrüche, Zittern oder Mundtrockenheit, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühle, Kribbeln oder Taubheitsgefühle in Armen und Händen oder Übelkeit, aber auch psychische Symptome wie Derealisation (das Gefühl, dass die Umgebung unwirklich sei), Depersonalisation, totaler Verlust der Kontrolle oder die Angst zu sterben, können auftreten.

Die Agoraphobie

Es ist die Angst vor oder die Vermeidung von bestimmten Orten oder Situationen, wie zum Beispiel Bus- oder Bahnfahren, Einkaufen, Menschenmengen, öffentliche Plätze, Reisen o.ä.

Die Agoraphobie kann mit oder ohne Panikattacken auftreten. Im Zusammenhang mit den belastenden Situationen treten die gleichen körperlichen und psychischen Symptome auf wie bei der Panikstörung. Hinzu kommt eine deutliche emotionale Belastung aufgrund der ständigen Versuche, bestimmte Situationen zu vermeiden und aus Angst vor den Angstsymptomen.

Gleichzeitig erkennen die Betroffenen, dass die Angst übertrieben und unvernünftig ist. Trotzdem gehen viele nach kurzer Zeit nicht mehr alleine aus dem Haus.

Die soziale Phobie

Dabei handelt es sich um die Angst davor, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder die Angst vor Peinlichkeit oder Erniedrigung, und um die Vermeidung solcher Situationen. Auch hier treten die gleichen körperlichen und psychischen Symptome auf wie bei der Panikstörung und Agoraphobie, und zwar sowohl in den gefürchteten Situationen als auch beim Gedanken daran.

Auch hier erkennen die Betroffenen, dass die Angst übertrieben ist. Hinzu kommen weitere Symptome wie Erröten, Angst vor Erbrechen und vor Harn- oder Stuhldrang.

Die spezifische Phobie

Die Angst vor und die Vermeidung von ganz bestimmten Objekten oder Situationen, wie zum Beispiel Spinnen, dem Fahrstuhl, dem Anblick von Blut, dem Zahnarzt oder dem Fliegen. Die Liste der spezifischen Phobien ist lang, es gibt zum Beispiel auch eine Angst vor Knöpfen. Die Angstsymptome entsprechen im Wesentlichen den bisher genannten.

Die generalisierte Angststörung

Betroffene leiden seit längerer Zeit (mindestens 6 Monate) an starker Anspannung, Angst und Sorge in Bezug auf alltägliche Ereignisse und Probleme. Zu den bereits bekannten Angstsymptomen kommen weitere hinzu, wie

Der Teufelskreis der Angst

Eine klassische Entstehungsgeschichte von Angst ist der Weg über die Agoraphobie mit oder ohne Panikattacke, danach kommt die erste Therapie, die Panikattacken verschwinden, aber eine generalisierte Angststörung entsteht. Dadurch entwickelt sich bei vielen das Gefühl, dass sie sich in ihrer Persönlichkeit verändert haben – die Anzeichen bedeuten aber eigentlich, dass die Therapie noch nicht abgeschlossen ist.

Allein unsere Gedanken führen dazu, dass wir uns in einen Angstkreis begeben, aus dem wir ohne Hilfe nur schwer wieder herauskommen. Unsere kognitiven Verarbeitungsprozesse führen dazu, dass sich Angst, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird, schnell ausbreitet und chronifiziert.

Wie entsteht eigentlich Angst?

Das kann sehr gut an einem Beispiel dargestellt werden:

  • Der Auslöser: Mein Herz schlägt schneller als sonst.
  • Die Wahrnehmung: Sie werden ängstlich, befürchten herzkrank zu sein.
  • Die Gedanken: Hoffentlich bekomme ich keinen Herzinfarkt, ich könnte sterben.
  • Die Angst: Die Vorstellung erzeugt Angst.
  • Körperliche Veränderungen: Durch die Angst werden weitere körperliche Veränderungen hervorgerufen.
  • Körperliche Symptome: Nun fangen Sie an zu schwitzen, bekommen Schüttelfrost usw.
  • Wahrnehmung und Gedanken: Das Herz schlägt noch schneller, Sie bekommen Schmerzen in der Brust. Oder: Sie empfinden Todesangst, fürchten das Bewusstsein zu verlieren. Das führt zu Panikattacken und Flucht, Kampf, Vermeidung sowie weiteren körperlichen Symptomen.
  • Und dann: Das Phänomen von der „Angst vor der Angst“ hält den Teufelskreis vor allem bei Panikstörungen in Bewegung. Die ständige Befürchtung (Erwartungsangst), eine erneute Panikattacke zu erleben, führt zu weiteren körperlichen Reaktionen, die wiederum wahrgenommen werden und durch Fehlinterpretationen zu noch mehr Ängsten und erneuten Panikattacken führen.

Behandlung der Angststörung

Die Verhaltenstherapie

Ein Verfahren im Bereich der phobischen Ängste ist das Expositionstraining, das in Gedanken oder mittels direkter Konfrontation durchgeführt werden kann.

Bei beiden Techniken wird zusätzlich ein Entspannungsverfahren eingesetzt. Ein Problem ist allerdings, dass viele Klienten am Anfang viel zu unruhig sind, um ein solches Verfahren zu Hause anzuwenden, weil die Angst vor der Angst noch größer ist. Manche schaffen es noch nicht einmal, die Augen zu schließen, da das einen Kontrollverlust bedeuten kann.

Ein weiteres Verfahren ist die kognitive Umstrukturierung. Dabei geht es darum, die dysfunktionalen Gedanken zu erkennen und zu verändern.

Psychoedukation (z.B. wie funktioniert eine Panikattacke), das Entwickeln und Üben von Problemlösestrategien sowie Selbstsicherheits- und Kommunikationstrainings oder das Führen von Tagebüchern sind weitere Bestandteile der Verhaltenstherapie.

Hypnose

Hypnotherapie ist besonders geeignet zur Therapie von Ängsten. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen haben mittlerweile ziemlich genau belegt, dass Hypnose bei Ängsten hocheffizient und sehr erfolgreich angewendet werden kann.

Denn letztlich ist der Zustand, in dem sich Klienten durch die Angst auslösende Situation befinden, durchaus auch als Hypnose zu bezeichnen, sozusagen eine negative Trance.

Oftmals verbirgt sich hinter der Angst ein negatives Selbstkonzept, dessen Grundstein bereits in der Kindheit gelegt wurde.

Wir leben mit negativen Glaubenssätzen, die in unserem Unterbewusstsein fest verankert sind und die unsere Wahrnehmung, unsere Gedanken und Gefühle und daraus resultierend unsere Handlungen bestimmen.

Es sind Sätze wie: Ich bin nicht liebenswert, ich bin ganz allein, ich bin nicht gut so wie ich bin. Es fehlt dann ein Gefühl von Urvertrauen, Sicherheit und Geborgenheit. Im Gegensatz dazu hat ein positives Selbstkonzept Glaubenssätze wie: Ich fühle mich geborgen und sicher, ich bin liebenswert, ich bin gut so wie ich bin.

Die Hypnotherapie bietet eine Vielzahl von Interventionen, die ganz individuell für jeden Klienten gefunden werden können. Wegbereiter hierfür war Milton H. Erickson, der Begründer dieser Therapieform und einer der innovativsten Psychotherapeuten unserer Zeit.

Drei der vielen möglichen Interventionen sollen hier kurz vorgestellt werden:

  • Das Entdecken von eigenen imaginativen Angsthelfern (z.B. innere Helden) - damit wird das bestehende Helfersystem aus Familie und Freunden überflüssig.
  • Das Entwickeln eines Gegengiftes. Dabei wird ein positives Gefühl an ein Musikstück gekoppelt. Die Betroffenen verwenden es bei beginnender Angst und können es bei allen Phobien einsetzen.
  • Das Besprechen eines Tonträgers mit der positiven Belegung der Ängste, sodass die Betroffenen nach und nach die neuronale Autobahn der Angst an einer Ausfahrt wieder verlassen können. Die Klienten hören den gemeinsam mit ihnen entwickelten Text je nach Schweregrad der Angst mehrmals täglich über einen längeren Zeitraum. Dadurch entstehen neue positive Denkstrukturen und alte können überdacht und gegebenenfalls losgelassen werden. Dieses Verfahren hat sich vor allem bei chronifizierten Ängsten bewährt.

Kann Angst wirklich behandelt werden?

Viele Therapieformen haben das Problem, dass sie bei Ängsten nicht wirklich erfolgreich sind. Das liegt daran, dass die Angst überwunden werden muss, auch wenn die Ursachen bereits bekannt sind.

Ein Beispiel: Selbst wenn wir von negativen Erlebnisse in der Kindheit wissen, sollten sie uns nicht so blockieren, dass wir an ihnen festhalten und uns den Ängsten nicht stellen. Manchmal ist es einfach sinnvoller, die Ursachen nicht weiter zu erforschen, sondern sich ganz auf die Überwindung der Angst zu konzentrieren.

Ängste können sowohl in der Vergangenheit entstehen als auch eine reine Stressreaktion auf die aktuelle Lebenssituation sein. Ein Beispiel aus dem beruflichen Kontext: Ein erfolgreicher, vielbeschäftigter Manager lässt sich mit Blaulicht in das Krankenhaus bringen, wobei sich der vermutete Herzinfarkt dann letztlich als Panikattacke herausstellt. In nachfolgenden Therapiesitzungen stellt sich heraus, dass er als Kind nicht ängstlich und mit seiner Kindheit im Großen und Ganzen zufrieden ist.

Der Auslöser für die Attacken findet sich allein in der stressigen Lebenssituation. Alle vorherigen körperlichen Symptome, wie zum Beispiel zittrige Knie beim Betreten der Rolltreppe im Flughafen, Schweißausbrüche vor Meetings oder Konzentrationsschwierigkeiten wurden einfach ignoriert. Erst die Panikanfälle überzeugten ihn, dass er etwas in seinem Leben ändern muss.

Fazit

Haben Sie keine Angst vor der Angst - werden Sie Ihr eigener Therapeut! Ein erfüllteres Leben wartet auf Sie! Wer allerdings ein Wunder erwartet und die Angst nur „weg“ haben will, ist fehl am Platz.

Unterstützung beziehungsweise Heilung ist meist nur möglich, wenn der Klient erkennt, dass die Überwindung der Angst mit einem kompletten kognitiven Umdenken, neuen inneren Bildern oder einer persönlichen Weiterentwicklung verbunden ist.

Dieser Weg kann manchmal abenteuerlich sein, denn die Angst kann nicht einfach gelöscht werden, aber der Umgang mit ihr ist veränderbar. Denken Sie außerdem immer daran, dass Angst zu einem gesunden Leben dazugehört.

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