Artikel 21/12/2010

Ein möglicher Ausweg für Patienten mit Zahnbehandlungsängsten

Team jameda
Team jameda
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Zahnärztliche Komplettbehandlung unter Einsatz moderner medizinischer Hypnose. Eine Fallbeschreibung.
Eine zahnärztliche Behandlung kann bei vielen Patienten erhebliche Angst auslösen. Führt das Ausmaß der Angst zur Vermeidung der Behandlung sind die Folgen für die Zahngesundheit häufig erheblich. Einen möglichen Weg aus der Zahnbehandlungsangst stellt der Einsatz klinischer Hypnose dar.
Die vorliegende Fallbeschreibung einer zahnärztlichen Komplettbehandlung unter Einsatz moderner medizinischer Hypnose stellt den Ablauf der Behandlung von den ersten, vertrauensbildenden Schritten bis hin zum kompletten Abschluss der Sanierung dar. Durch den Einsatz von Hypnose in der zahnärztlichen Therapie kann sowohl eine deutliche Verminderung der Angst als auch eine Verbesserung des Behandlungskomforts für den Patienten erreicht werden.

Am 19.06.2007 stellte sich die zu dem Zeitpunkt 37jährige Patientin erstmalig in unserer Praxis vor. Aufgrund von starken Zahnbehandlungsängsten vermied die Patientin trotz gelegentlich starker Zahnschmerzen seit über 10 Jahren den Besuch beim Zahnarzt. Die mittlerweile auch im sichtbaren Bereich entstandenen Zahnschäden ließen aber letztendlich den Leidensdruck der Patientin so stark ansteigen, dass sie sich an unsere Praxis mit der Bitte einer Zahnbehandlung unter Einsatz Zahnärztlicher Hypnose wandte.

Beim ersten Termin wurde das Aufklärungsgespräch über Hypnose durchgeführt und die zu erwartenden Investitionen besprochen. Um den zu erwartenden Sanierungsbedarf einigermaßen abschätzen zu können, wurde ein Panorama-Röntgenbild (OPG) angefertigt. Nach genauer Erfragung der die Angst auslösenden Faktoren wurde ausführlich besprochen, wie die Patientin sich eine entspannte Zahnbehandlung wünscht.

Der zweite Termin beinhaltete eine Hypnosesitzung ohne zahnärztliche Therapie. Insbesondere bei sehr ängstlichen (\‘phobischen\’) Patienten mit einem jahrelangen Vermeidungsverhalten ist die schrittweise Heranführung der Patienten an eine zahnärztliche Behandlung von besonderer Bedeutung. Ein vor der eigentlichen Hypnoseinduktion durchgeführter sog. Suggestibilitätstest, zum Einsatz kamen die sog. Mesmer´schen Passes, half die Eignung der Patientin für die Hypnose festzustellen. Es erfolgte eine Tranceinduktion sowie daran anschließend die Vertiefung des Trancezustandes durch den Einsatz eines hypnotischen Phänomens, der sog. Armlevition.

Durch spezielle Suggestionen wurde das innere Erleben der Patientin auf ein für sie besonders positiv besetztes Erlebnis gelenkt. Diese emotionale schöne Erfahrung, die Geburt der Welpen ihrer Hündin, wurde im weiteren Verlauf der Hypnose \‘geankert\’. Einen Anker kann man als externen Reiz definieren, der einen bestimmten inneren Zustand oder eine innere Reaktion auslöst. Das Neuro-Linguistische-Programmieren (NLP) bietet mit der Ankertechnik eine einfach zu erlernende und sehr wirksame Methode, einen positiven inneren Zustand immer wieder durch einen äußeren Reiz, wie z.B. eine Berührung an der Schulter, abzurufen.

Im Nachgespräch wurde die Patientin über ihre Hypnoseerfahrungen befragt. Sowohl die eigene Erfahrung der Patientin mit dem Phänomen Trance wie auch die Einschätzung des Behandlers über die Hypnotisierbarkeit führten zu dem Ergebnis, dass auch für die weitere Therapie der Einsatz von Hypnose als sinnvoll und hilfreich angesehen wurde.

Wenige Tage nach der ersten Hypnosesitzung erfolgte nach dem Prinzip der kleinen Schritte eine erste zahnärztliche Behandlung unter Hypnose. Vor Beginn der Sitzung wurde in Absprache mit der Patientin klar das Behandlungsziel für diesen Termin bestimmt. Ein kleiner Backenzahn sollte unter Einsatz örtlicher Betäubung mit einer Füllung versehen werden. Auch diese Sitzung verlief in der Einschätzung der Patientin sehr zufriedenstellend. Nach einer weiteren Behandlung konnte ein stetiger Angstabbau auf Seiten der Patientin beobachtet werden. In der dritten Behandlungssitzung war es bereits möglich, eine, von vielen Patienten gefürchtete, Wurzelkanalbehandlung unter Einsatz eines OP-Mikroskops durchzuführen.

Da eine ausreichende Mitarbeit seitens der Patientin als gesichert angesehen werden konnte, erfolgte zu diesem Zeitpunkt die Planung für die komplette Wiederherstellung des stark geschädigten Gebisses. Neben mehreren, aufwendigen Entfernungen der nicht mehr erhaltungswürdigen Zähne, erfolgte eine vollständige Parodontitis-Therapie zur Sanierung des erkrankten Zahnhalteapparates. Ein halbes Jahr nach Beginn der Behandlung konnte an einer inzwischen völlig angstfreien Patientin die abschließende prothetische Therapie vorgenommen werden. Insgesamt wurden drei Brücken und eine Krone zur Wiederherstellung der Funktion und der Ästhetik eingegliedert. Seit Mai 2008 befindet sich die Patientin im regelmäßigen Recall zum langfristigen Erhalt des erreichten Zustandes.

Der Einsatz von Hypnose in der Zahnheilkunde hat eine lange Geschichte. Während bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine hypnotische Schmerzausschaltung im Vordergrund des Interesses stand, erweiterte sich parallel zur Entwicklung der modernen Betäubungsmittel das Einsatzgebiet der Hypnose in der Zahnmedizin .
Der Gang zum Zahnarzt ist auch in Zeiten moderner Betäubungsmittel für viele Menschen mit unguten Gefühlen verbunden. Ausgelöst werden diese Angstreaktionen häufig durch frühere Erfahrungen mit (zahn-) ärztlichen Tätigkeiten, die durch negative Vorstellungsbilder noch verstärkt werden. Selten werden dabei die tatsächlich zu erwartenden Situationen richtig eingeschätzt, es genügen die mitgebrachten Phantasien oder die Erzählungen anderer, selbst die einfachste Behandlung zu Stress werden zu lassen. Schlechter Schlaf in der Nacht vor dem Termin, Appetitlosigkeit, Engegefühle und Verkrampftheit im Körper belasten viele Patienten schon bei der Vorstellung einer zahnärztlichen Behandlung. Die wohl deutlichste Konsequenz einer extremen Angst vor der Zahnbehandlung ist die völlige Vermeidung notwendiger zahnmedizinischer Behandlungen.

Viele in der allgemeinen Medizin mögliche pharmakologische Möglichkeiten wie Prämedikation, Sedierung, Lachgasinhalation oder Vollnarkose sind durch ihren organisatorischen und technischen Aufwand, Nebenwirkungen, Risiken und Kosten mit nicht zu vernachlässigenden Nachteilen behaftet.
Psychologische Ansätze im Sinne der Verhaltenstherapie oder der kognitiven Therapie benötigen einen ausgebildeten Psychotherapeuten und können so für einen routinemäßigen Einsatz in der zahnärztlichen Praxis nicht eingesetzt werden.

Anders dagegen die moderne medizinische Hypnose. Bei der insbesondere durch den amerikanischen Psychiater Milton Erickson (1901–1980) maßgeblich beeinflussten Hypnose kommen Auto- und Fremdsuggestionen zum Einsatz, welche u.a. zum Angstabbau und zur Erhöhung des Patientenkomforts während (zahn-) medizinischer Eingriffe dienen. Durch die von Erickson formulierten Techniken lassen sich bei bis zu 90% der Patienten unterschiedlich tiefe Trancezustände hervorrufen.
In einer kürzlich durchgeführten Untersuchung über die Akzeptanz der Hypnose in der Zahnheilkunde belegen die Studienergebnisse eine hohe Akzeptanz klinischer Hypnose bei zahnärztlichen Patienten (Rauch, 2008),

Durch die Hypnose als spezielle Kommunikationsform wird der Patient in angenehmer Weise körperlich und geistig entspannt. Er liegt mit geschlossenen Augen auf dem Behandlungsstuhl, seine Muskeln sind locker, er gibt – bildlich gesprochen – den Mund zur Reparatur ab. Er ist mit seinem inneren Erleben z.B. mit einem schönen Urlaubsaufenthalt oder anderen positiv besetzten Erinnerungen auf das Angenehmste beschäftigt, reagiert aber auf Ansprechen und behält seine natürlichen Reflexe. Der Patient ist nicht \‘weg\’ in einem wie auch immer definierten Nirwana, sondern erlebt die Behandlung dissoziiert, wie durch einen Nebel quasi aus einiger Entfernung. Patienten beschreiben ihre Wahrnehmungen von der zahnärztlichen Therapie mit Formulierungen wie: \‘Ich habe schon mitbekommen, dass Sie meinen Zahn präpariert haben. Aber es war mir nicht so wichtig. Es war irgendwie weit weg von mir.\’

Ein weit verbreitetes Vorurteil in der Zahnärzteschaft und auf Patientenseite besteht in der Annahme, dass der Einsatz von Hypnose einen hohen Zeitaufwand bedeutet, der im Praxisalltag nicht zu bewerkstelligen oder der mit sehr hohen Kosten verbunden sei. In dem oben beschriebenen Fallbericht bestand der zusätzliche Zeitaufwand in einer Trainingshypnose-Sitzung von 45 Minuten Dauer sowie zwei Hypnoseeinleitungen vor den konservierenden Behandlungen à 15 Minuten. Im weiteren Verlauf der Behandlung konnte sogar eine Zeitersparnis festgestellt werden, da die Behandlungsschritte in einer für alle Beteiligten entspannten Atmosphäre durchgeführt werden konnten. Hypnose hilft heilen!

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