Artikel 16/04/2020

Homosexuelle Zwangsgedanken (HOCD): Angst um die sexuelle Identität

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery Heilpraktiker für Psychotherapie
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery
Heilpraktiker für Psychotherapie
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Homosexualität ist eine positive und völlig ‘normale’ Form menschlicher Sexualität, die definitiv keine psychotherapeutische Behandlung benötigt. Es ist wunderbar, wenn sich ein Mensch in einen anderen Menschen verliebt – und welches Geschlecht die beiden haben, ist aus sexualtherapeutischer Sicht unerheblich.

Was sind homosexuelle Zwangsgedanken?

Homosexuelle Zwangsgedanken sind etwas völlig anderes als Homosexualität. Hier geht es nicht um die Liebe zwischen zwei Menschen, die sich zueinander hingezogen fühlen. Vielmehr geht es um die Sorge eines einzelnen Mannes oder einer einzelnen Frau, mit der eigenen Sexualität könne etwas nicht stimmen. Und zwar obwohl sie zuvor nie ein lustvoll und positiv empfundenes Interesse für einen Menschen gleichen Geschlechts empfanden. Auch in der eigenen Biografie gibt es keinerlei Hinweise darauf.

Die ständig wiederholte Frage: ‘Bin ich schwul oder nicht? Bin ich homosexuell oder nicht? Bin ich lesbisch oder nicht?’ dient nicht der sexuellen Lust, sondern wird zur ständigen Qual und Ungewissheit. Das kann so weit gehen, dass ich mich als Betroffener zu fragen beginne, ob ich meinen eigenen Partner überhaupt noch lieben kann.

Ein solches Denken hat nichts mit Sexualität zu tun, sondern gehört in den Bereich des Grübelzwangs, der nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) nach folgenden Kriterien als eine Form der Zwangsstörung beschrieben wird:

  1. Die Zwangsgedanken werden als eigene Gedanken erlebt.
  2. Der Betroffene leistet gegen die Gedanken inneren Widerstand.
  3. Der Zwangsgedanke wird als unangenehm empfunden und nicht als lustvoll.
  4. Die Zwangssymptome wiederholen sich immer wieder und beschäftigen den Betroffenen mindestens zwei Wochen lang an den meisten Tagen.

Wie entstehen Zwangsstörungen?

Häufig tritt eine solche Zwangssymptomatik als Begleitsymptom einer mittelgradigen oder schweren depressiven Episode auf. Hier kommt es bei den Betroffenen zu einer Störung im Hirnstoffwechsel (insbesondere in Bezug auf den Neurotransmitter Serotonin) mit den Hauptfolgen:

  • negatives, depressives Denken
  • Antriebsarmut
  • Verlust von Lebensfreude
  • negative Zukunftserwartung
  • suizidale Gedanken

Auch wenn eine Depression in erster Linie ein Problem der Biochemie ist, empfinden Betroffene die Depression nicht als körperliche Erkrankung, sondern als eine psychische Störung. Das endlose Nachdenken darüber ‘Warum geht es mir bloß so schlecht?’ führt häufig zu vorschnellen Erklärungsmustern, die zwar kurzfristig Erleichterung schaffen, langfristig aber noch mehr in die Depression führen.

Zu solchen vorschnellen Erklärungen gehört auch der Gedanke: ‘Wenn es mir jetzt so schlecht geht und ich auch in meiner Partnerschaft keine Lebensfreude mehr empfinde: Könnte das dann nicht daran liegen, dass ich in Wirklichkeit homosexuell bin?’

Das wäre ein typisches Erklärungsmuster für homosexuelle Zwangsgedanken oder HOCD (Homosexual Obsessive Compulsive Disorder). So heißt die Störung im englischsprachigen Raum heißt, wo hierzu schon weit mehr Studien vorliegen als in Deutschland.

Welche Folgen können anhaltende Zwangsstörungen mit sich bringen?

Die schwerwiegendste Ausprägung dieser Zwangsstörung kann dazu führen, dass sich Betroffene oft stundenlangen Selbsttests unterwerfen (etwa durch das Ansehen von gay porn).

Ein solcher Pornokonsum geschieht dann nicht aus Freude. Er geschieht nur in der Hoffnung, nicht doch irgendein Anzeichen an sich zu entdecken, durch solche Pornos erregt zu werden. Und irgendwann kann sich dann eine Art Sucht nach solchen Selbsttests entwickeln: Obwohl die Pornos keinen Spaß machen, muss der Test wieder und wieder, oft sogar mehrmals täglich, gemacht werden.

Es liegt auf der Hand, dass solche Selbsttests nicht dazu führen können, aus der psychischen Zwangsstörung herauszukommen. Vielmehr verstärkt sich die Problematik so noch einmal um ein Vielfaches.

Wie können Zwangsstörungen behandelt werden?

Erfahrungsgemäß haben Zwangsgedanken ebenso wie Depressionen die Tendenz, ohne psychotherapeutische Behandlung mit der Zeit immer schwerwiegender zu werden. Deshalb ist es unbedingt wichtig, sich hier fachkundige Unterstützung im Rahmen einer Psychotherapie zu holen.

Und da liegt der positive Aspekt. Zwangsstörungen gelten – ebenso wie Depressionen – als gut und relativ schnell heilbar. In der Regel ist dazu ein gutes Zusammenwirken zwischen Psychotherapie und behandelndem Arzt erforderlich. Er kann die Therapie ggfs. durch entsprechende Medikamente (z. B. SSRI = Serotoninwiederaufnahmehemmer oder andere Antidepressiva) unterstützen.

Zwangsstörungen und Depressionen müssen definitiv nicht sein. Es ist unbedingt sinnvoll, hier die Initiative zu ergreifen und den Arzt bzw. Therapeuten eigenen Vertrauens auf die Problematik anzusprechen.

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