Artikel 06/04/2009

Frag nach Sonnenschein!

Team jameda
Team jameda
hirschhausen-frag-nach-sonnenschein

Frühling ist die Zeit, in der man die Uhren eine Stunde vorstellt - und die Waagen 10 Kilo zurück. Die Deutschen sind in diesen Wochen leicht verwirrt: ist das noch auslaufende Winterdepression oder schon beginnende Frühjahrsmüdigkeit? Im heutigen Beitrag geht es darum, wie sehr das Wetter tatsächlich unsere Stimmung bestimmt – am besten ausdrucken und auf der Parkbank lesen – viel Glück!
Frag nach Sonnenschein!

Alle reden über das Wetter – ich jetzt auch. Warum fragen wir uns und andere ständig danach, wie das Wetter wird? Weil wir wissen wollen, was aus uns wird. Wie wir drauf sein werden. Denn an einer erschreckend banalen Tatsache kommen wir nicht vorbei. Unsere Stimmung hängt vom Wetter ab. Trübe Gedanken und Wetterlagen gehören zusammen, wie Hochdruckgebiet und Hochgefühl. Es ist eine kleine Beleidigung unseres Verstandes, dass die erhellendsten Einsichten uns nicht so beglücken können wie ein Sonnenstrahl. Nicht umsonst sagte Diogenes zum mächtigen Alexander, der den berühmten Philosophen in der Tonne nach einem Wunsch fragte „Geh mir aus der Sonne!“

Wie wetterfühlig unser Glück ist, untersuchte Norbert Schwarz. Seine Forschungsgruppe befragte per Telefon Menschen über ihre allgemeine Zufriedenheit mit ihrem Leben. Und verglichen dann das Ergebnis mit der Wetterkarte. Und siehe da: wenn gerade gutes Wetter war, waren die Befragten mit ihrem Leben insgesamt zufriedener. Wo es bewölkt war, bekam das ganze Leben Punktabzug. Um zu testen, ob es wirklich am Wetter lag, wurde in einer zweiten Runde zuerst nach dem Wetter und dann nach der Zufriedenheit gefragt. Sobald die Befragten sich über das Wetter draußen bewusst wurden, machten sie ihre Zufriedenheit nicht mehr davon unbewusst abhängig, sondern antworteten „objektiver“.
Vielleicht ist das der tiefe Grund, warum wir tatsächlich in so vielen Telefonaten nach Sonnenschein fragen. Um zu wissen, wie wir die Antworten einzuordnen haben. Und um den Angerufenen eventuell darauf zu bringen, dass er nicht sauer ist, weil wir anrufen, sondern weil er im Regen steht.

Sonnenbrand ist auch ein Stimmungskiller, wobei Sonnenlicht als einzige Lichtquelle sämtliche Bestandteile des sichtbaren Lichts zu etwa gleichen Anteilen enthält. Die Wellenlängen, die uns besonders wach machen sind die blauen. Selbst unter graubedecktem Himmel bekommen wir mehr blau ab als mit dem hellsten Kunstlicht. Solarium erhellt kaum die Stimmung, verbrennt dafür aber die Haut. Man sieht wenige Jahre ein wenig jünger aus, dafür aber auch sehr viele Jahre lang sehr viel älter. Wenn die Anbeter der künstlichen Sonne immer versichern „ich fühle mich wie neugeboren“, nicht in die Augen schauen, sondern auf die gepanzerte Hülle drum herum. Vielleicht wurden diese Wesen auch schon so oft wieder geboren, dass sie sich auf der Leiter der Evolution rückwärts bewegt haben, bis zum Reptil!

In meinem Buch „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ ist die Geschichte enthalten, warum Hunde vor Depression schützen, indem sie uns zu Bewegung und Licht geradezu zwingen. Mit jedem Gassigehen kommen Hund und Halter erleichtert zurück. Ist gar nicht so klar, wer da eigentlich wen an der Leine führt. Zusätzlich gibt es sozialen Kontakt, eine sinnvolle Aufgabe und Sicherheitsgefühle. Hunde tun uns gut. Ich weiß, dass gerade Frauen auch Katzen mögen. Aber glauben sie mir – es gibt gute Gründe, dass Blinden keine Katze an die Seite gestellt wird. Nur soviel dazu. Wie würde wohl eine Katze einen Menschen bezeichnen? „Dosenöffner“. Bei Winterdepression helfen übrigens auch Lichttherapie-Lampen, die sich mit dem zufrieden geben, was es in Steckdosen gibt.

Depressive muss man immer daran erinnern, nicht aus dem Moment heraus zu stark zu Verallgemeinern. Ihre momentane Gefühlslage ist eben eine Schieflage, und kein Dauerzustand. Dass Glück vorbeigeht, ist sehr viel leichter zu akzeptieren als das Unglück vorbeigeht. Sind wir richtig im Tal der Tränen drin, wollen wir nicht wahrhaben, dass hinter den düsteren Wolken eine Sonne existiert, lieber ertrinken wir. Wenn die so mächtig ist, warum haben sich denn dann die Wolken noch nicht aufgelöst?
 
Ich werde nie vergessen, wie ich das erste Mal mit einem Flugzeug geflogen bin. Die Maschine startete im zugezogenen Berlin. (Der Himmel über Berlin ist meistens so zugezogen, wie die meisten Berliner auch). Es wackelte in den Wolken, meine Hand klammerte sich an den Sitz, eigentlich hatte ich mit dem Leben schon abgeschlossen, da brach über den Wolken plötzlich die Sonne hervor, strahlte mich an und brachte meine Angst zum Schmelzen. Ich verstehe bis heute nicht die Vielflieger, die über die ganze Strecke nicht einmal aus dem Fenster schauen. Die sich schon vor dem Start auf Autopilot gestellt haben und sich mit Regenbogenpresse beschäftigen, wo sie doch den echten Stoff haben könnten.

Über das schlechte Wetter zu meckern ist so beliebt, weil es eins der Dinge ist, für die wir nun garantiert keine Verantwortung übernehmen müssen – von der globalen Erwärmung mal abgesehen. Das tolle am Wetter in Mitteleuropa ist, dass es wechselt. Worüber reden die Leute eigentlich am Äquator? Auch so ein Monsun ist konversationstechnisch schneller ausgeschöpft als der Keller. Deutscher Regen ist irgendwann vorbei, und dabei so herrlich demokratisch, es regnet auf den Reichen genauso wie auf den toten Hund. Und im besten Fall hat der Reiche auch noch vergessen, sein Cabrio-Dach zuzumachen.

Meine Kabarettkollegin Anka Zink erzählte mir bei der Arbeit am Glücksbringer-Programm eine wahre Geschichte. Sie war im Süddeutschen unterwegs, machte an einem strahlend sonnigen Frühlingstag einen Waldspaziergang. Es gab an diesem Moment wirklich so gar nichts zu meckern, sehr vergnügt wandelte sie so vor sich hin, als ihr eine Schwäbin entgegen kam. Ohne unnötig Worte zu machen sagte diese nur, mit Blick zum Himmel:
„Fascht zu warm!“

Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.

Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.


www.jameda.de © 2023 - Wunscharzt finden und Termin online buchen.

Diese Webseite verwendet Cookies.
Surfen Sie weiter, wenn Sie unserer Cookie-Richtlinie zustimmen.