Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Prof. Dr. med. Jan Andre Schmidt-Lucke interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Arzt.
jameda: Herr Prof. Schmidt-Lucke, was hat Sie motiviert, Arzt zu werden?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: In der Zeit vor meinem Abitur waren Psycho-Neuro-Biowissenschaften besonders „hip“. Ich hatte die Vorstellung, dass auch psychiatrische Probleme eine biochemische Erklärung oder zumindest Grundlage haben müssten und so entsprechend diagnostizier- und therapierbar sein müssten. Im Laufe der folgenden Jahre habe ich mich dann jedoch eher von einem „klinischen Wissenschaftler“ zu einem „wissenschaftlichen Kliniker“ gewandelt.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Der erste Teil der Frage schließt nahtlos an die vorherige an. Mittlerweile kommen zu Ausbildung, Weiterbildung, Fortbildung und jahrelangen wissenschaftlichen Arbeiten viel mehr praktische Erfahrungen im Umgang mit Menschen hinzu. Entsprechend ist es mir immer eine Freude, meinen medizinischen Hintergrund auf die individuelle menschliche Problematik herunterbrechen und oft hilfreich anwenden zu können. Unterstützend hierbei ist sicher auch meine psychosomatische Grundausbildung.
Die größte Herausforderung? Das ist eine sehr allgemeine Frage, daher auch eine sehr allgemeine Antwort: „Anspruch und Wunsch“ auf der einen Seite mit „Möglichkeit und Wirklichkeit“ auf der anderen Seite in möglichst nahe Übereinstimmung zu bringen.
Wenn mir das im Alltag beruflich als Arzt gelingt, verbuche ich das als einen kleinen Erfolg.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Ich habe keine Vorurteile und ich begegne auch keinen; zumindest keinen wirklich negativen. Es sei denn, dass manche Patienten vor ihrem ersten Besuch bei mir Angst vor dem Arzt und schon gar einem Professor hatten, dann aber oft nachher berichten, dass es ja eigentlich eine recht angenehme Konsultation gewesen sei.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Zusammenhänge zu verstehen ist die Basis für einen erfolgreichen Therapieweg. Entsprechend bemühe ich mich um eine gute Erklärung und Aufklärung. Vielfach kann der Patient mit Eigenaktivität mehr für seine Genesung beitragen als manche Pille es vermag, insbesondere im Herz und Kreislaufbereich. Hier zu motivieren ist mir immer besonders wichtig.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Nun, nicht jeder Plan, nicht jedes Konzept und nicht jedes einzelne Medikament ist für jeden Patienten ideal geeignet. Entsprechend muss ich mit dem Patienten zusammen sehen, warum die Therapie abgelehnt wurde. Das weitere Gespräch muss die Ablehnungsgründe des Patienten herausarbeiten. Eventuell müssen Änderungen im Therapieplan stattfinden, gegebenenfalls muss der Patient auch neu motiviert werden. Auf jeden Fall bin ich schon zu viele Jahrzehnte als Arzt tätig, als dass mich diese Thematik frustrieren würde.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Siehe zweite Frage, was sind die größten Herausforderungen? Ich war schon weiter oben geneigt, diese Frage mehr allgemein auf das Gesundheitssystem zu beziehen, denn zunächst einmal ist die allgemeine Antwort gleich wie oben. Wir müssen Anspruch und Wirklichkeit miteinander abgleichen. Wir müssen auf Patienten- wie auf Arzt-Ebene erkennen, was ist wichtig, was ist richtig, was ist notwendig, was ist überflüssig, was ist nützlich, was ist schädlich. Das Ganze im diagnostischen wie im therapeutischen Bereich. Wenn wir hier wirklich „klug entscheiden“, könnten wir im medizinischen Versorgungsbereich Ressourcen freisetzen, die die Themen Ärztemangel und medizinische Finanzierungprobleme für lange Jahre von der Tagesordnung nehmen würden.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Die Patienten da abzuholen, wo sie stehen, ihre Ängste aufzugreifen, diese zu adressieren und zusammen mit Ihnen zu bearbeiten.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Wir sind technisch-apparativ auf dem aktuell neuesten Stand der Entwicklung. Vielmehr aber ist Innere Medizin mit all ihren Teilgebieten in erster Linie ein Fach, das das kombinatorische Denken des Arztes herausfordert. Das war natürlich eigentlich immer so, ist aber in vielen vergangenen Jahren etwas in Vergessenheit geraten und erlebt momentan unter der Überschrift „choose wisely“ ein Revival. Der Sinn hierbei besteht nicht nur in besserer Ressourcennutzung, es dient auch ganz konkret dem Patienten, indem auch seine Zeit nicht übermäßig belastet wird und er auch nicht unnötigen diagnostischen oder therapeutischen Risiken ausgesetzt wird. Das klingt vielleicht nicht sehr spannend, aber eine gesunde Faulheit hat mich immer minimalistische Wege zum Ziel wählen lassen. Hier den Patienten mitzunehmen, gehört natürlich zu meinen ärztlichen Aufgaben.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Sicher auch in der Praxis, vor allem aber denke ich an meine Zeit, als ich auch noch als Notarzt unterwegs war und einmal einen Patienten behandelt und im NEF mitgenommen habe, den ich vor Ort, dann später auf der Intensivstation noch insgesamt über sicher fast 2 Stunden reanimiert habe und ich mich aus irgendeinem Gefühl heraus nicht von den Ratschlägen zur Einstellung der Maßnahmen hatte überzeugen lassen. Diesen Patienten habe ich dann zu Hause noch einmal weitere 5 Jahre später als Notarzt besuchen müssen, und auch aus dieser Situation ist er wieder herausgekommen. Der individuelle Einsatz lohnt sich also doch immer wieder, was eine große Motivation für die tägliche ärztliche Arbeit darstellt.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Prof. Schmidt-Lucke: Die Grundlagen eines gesunden Lebens kennt eigentlich jeder Mensch; setzen Sie sie um. Vor allem aber bleiben Sie entspannt und gelassen auch in gesundheitlichen Fragen. Eine bange Selbstbeobachtung macht sie krank.
Professor Schmidt-Lucke betreibt eine naturwissenschaftlich und allfällig psychosomatisch fundierte individualisierte Innere Medizin mit den besonderen Schwerpunkten Angiologie/ Phlebologie und Kardiologie.
Die Praxis und Klinik liegt in einem gepflegten Altbau unweit des KaDeWe. Die Organisation ist serviceorientiert. Das Ambiente ist zurückhaltend elegant. Wir lassen allen die gleiche Behandlung zukommen, unabhängig vom Versicherungsstatus. Wir behandeln „normale“ Mitbürger, aber auch eine anspruchsvolle internationale Klientel.
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