Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Prof. Dr. med. Gerhard Gründer interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Facharzt für Psychiatrie & Psychotherapie.
jameda: Herr Prof. Dr. Gründer, was hat Sie motiviert, Facharzt für Psychiatrie & Psychotherapie zu werden, und warum haben Sie sich für Ihre Spezialgebiete entschieden?
Herr Prof. Dr. Gründer: Schon ganz früh in meinem Medizinstudium habe ich mich ganz besonders für alles rund um Gehirn und Psyche begeistert. Am Ende ist es die Psychiatrie geworden, weil die Psyche das ganz Besondere am Menschen ausmacht. Für mich ist die Psychiatrie die Königin unter den medizinischen Fachdisziplinen.
Besonders fasziniert mich die Psychopharmakologie, weil sie ganz grundsätzliche Fragen nach der Interaktion zwischen Gehirnfunktion und psychischem Erleben stellt. Wie kann ich durch einen Eingriff in die Hirnchemie das subjektive Erleben eines Menschen beeinflussen?
jameda: Worin liegt Ihr Tätigkeitsschwerpunkt und was macht ihn so besonders?
Herr Prof. Dr. Gründer: Ich bin einerseits Professor an der Universität Heidelberg und leite die Abteilung für Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Hier erforsche ich mit meinem Team die biologischen Grundlagen psychischer Störungen und deren Therapie.
Andererseits habe ich mit Freunden und Kollegen ein in Berlin ansässiges Unternehmen gegründet, das zum Ziel hat, die Therapie mit Psychedelika in die klinisch-psychiatrische Praxis zu implementieren und dafür eine klinische Infrastruktur aufzubauen. In dieser Praxis (OVID Praxis) arbeiten wir mit Augmentierter Psychotherapie zur Behandlung von Depression, Angststörungen, Zwangsstörungen und Post-Traumatischer Belastungsstörung (PTBS). Dieser Ansatz ist tatsächlich einzigartig, denn wir sind die erste Praxis für Psychedelisch Augmentierte Psychotherapie in Deutschland.
jameda: Gibt es ein medizinisches Vorbild, das Ihre Laufbahn besonders geprägt hat?
Herr Prof. Dr. Gründer: Es sind immer die Mentoren, die einen in der frühen Phase der beruflichen Entwicklung fördern und prägen. Für mich waren das der Psychiater Prof. Otto Benkert an der Universität Mainz und der Nuklearmediziner Prof. Dean Wong an der Johns Hopkins University in Baltimore, USA. Ohne die beiden wäre ich heute nicht da, wo ich bin.
jameda: Gibt es aktuell Hilfen oder Neuerungen, die Ihnen Ihren Praxisalltag erleichtern können?
Herr Prof. Dr. Gründer: Die Therapie mit Psychedelika könnte eine solche Neuerung in der Psychiatrie darstellen. Ein Team und ich erforschen gerade die Behandlung von Depression mit Psilocybin, einem Psychedelikum (einer halluzinogenen Substanz), in einer klinischen Studie (der sogenannten EPIsoDE Studie).
Derzeit arbeiten wir auch in der OVID Praxis in Berlin mit psychedelischer Therapie. In der Augmentierten Psychotherapie wird die Wirksamkeit der Psychotherapie durch zusätzliche Methoden verstärkt – bei uns sind dies veränderte Bewusstseinszustände. Diese werden durch Medikamente, wie zum Beispiel Ketamin, oder nicht-pharmakologische Methoden hervorgerufen.
Dabei geht diese Therapie weiter als die reguläre Ketamintherapie: Psychotherapie und Anwendung von Medikamenten stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern entwickeln in ihrer Kombination eine neue Wirkintensität. Wir setzen Augmentierte Psychotherapie derzeit zur Behandlung von Depression, Angststörungen, Zwangsstörungen und Post-Traumatischer Belastungsstörung (PTBS) ein.
jameda: Wo sehen Sie in Ihrem Fachgebiet die größten Herausforderungen für die Zukunft?
Herr Prof. Dr. Gründer: Die größte Herausforderung wird es sein, bei den Entwicklungen in Richtung Digitalisierung und Automatisierung von Diagnostik und Therapie, die man auch als „Big-Data-Psychiatrie“ bezeichnen kann, die Individualität des einzelnen Patienten nicht aus den Augen zu verlieren. Die persönliche Beziehung zum Patienten wird für die Therapie immer die entscheidende Rolle spielen, und sie lässt sich nicht durch Technik ersetzen oder durch Roboter simulieren.
jameda: Was wird an Ihrem individuellen Umgang mit Ihren Patienten besonders geschätzt?
Herr Prof. Dr. Gründer: Meine Patienten schätzen an mir, dass ich mir immer Zeit nehme, zuhöre und ihnen mit Empathie begegne. Ihre Beobachtungen und Wahrnehmungen nehme ich ernst. Daneben wird natürlich meine fachliche Kompetenz geschätzt.
jameda: Was schätzen Sie an Ihren Patienten besonders?
Herr Prof. Dr. Gründer: Jede Patientin und jeder Patient ist anders und jeder hat eine individuelle Geschichte. Ich habe nie ein Objekt aus einer diagnostischen Schublade vor mir, sondern immer ein Individuum mit einer ganz subjektiven Geschichte. Das macht die Psychiatrie so einzigartig.
jameda: Gibt es ein besonderes Patientenerlebnis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Prof. Dr. Gründer: In 30 Jahren, die ich inzwischen Patientinnen und Patienten behandle, gibt es sehr viele Menschen und Geschichten, die ich nie vergessen werde und die mich auch als Psychiater und als Menschen geprägt haben.
Wenn ich eine junge Frau herausgreifen darf: Eine Studentin, die an einer Schizophrenie erkrankt war. Es war mühsame, monatelange Arbeit, ihre Erkrankung so erfolgreich zu behandeln, dass sie ihr Studium wieder aufnehmen konnte. Viele Jahre später – ich hatte in der Zwischenzeit nichts mehr von ihr gehört – rief sie mich an, ich saß abends noch an meinem Schreibtisch, und bat mich um einen ganz persönlichen Rat. Das hat mich sehr berührt.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Prof. Dr. Gründer: Man kann sehr viel selbst dafür tun, um sich seine körperliche und psychische Gesundheit zu erhalten. Gesunde, fleischarme Ernährung, Sport, Meditation und Besinnung in der Natur und Lesen anspruchsvoller Literatur.
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