Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Prof. Dr. med. Gerd Becker interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Arzt.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Prof. Dr. Becker: Die meiste Freude macht es mir, den Patienten in seiner Krankheitssituation zu beraten.
Zuerst erkläre ich ihm die Krankheit und dann die verschiedenen therapeutischen Optionen. Dadurch, dass wir mit eigener Station im Klinikum und eigener Tagesklinik das gesamte Spektrum der modernen Strahlentherapie bis hin zur robotergeführten Radiochirurgie anbieten und das alles eingebettet in zwei große onkologische Zentren und onkologische Schwerpunkte, können wir den Patienten immer eine individuell angepasste und optimale Therapie zusammenstellen.
Die größte Herausforderung des Alltags ist, alle Krankheitsbefunde des Patienten verfügbar zu haben.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Prof. Dr. Becker: Viele (insbesondere Angehörige und Freunde der betroffenen Patienten) machen den Patienten Angst vor der Strahlentherapie mit völlig unreflektierten und nicht aus eigener Erfahrung bestehenden Vorurteilen die Nebenwirkungen betreffend.
Dass die Therapie sehr gut verträglich ist, lässt sich am einfachsten dadurch ablesen, dass alle radiochirurgischen Eingriffe und 95 bis 98 % aller strahlentherapeutischen Behandlungen ambulant erfolgen.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Prof. Dr. Becker: In der Gesamtonkologie haben wir bei allen bösartigen Tumorerkrankungen zusammen eine Heilungsrate von 75 %. Jährlich werden diese Ergebnisse besser. Trotzdem gibt es zwei Körperregionen, die sehr empfindlich sind. Das ist zum einen der Mund-Rachen-Bereich und zum anderen der Urogenitalbereich. Dort sind wir von Natur aus am empfindlichsten (das kann jeder nachvollziehen, der eine zu heiße Suppe geschluckt hat oder mit dem Po in zu heißem Badewasser war).
Wenn in dieser Region ein bösartiger Tumor besteht und er entweder operativ, strahlentherapeutisch oder mit Medikamenten beseitigt werden muss, reagiert das umgebende Gewebe. Daher muss diese Behandlung in Zentren erfolgen, die über eigene stationäre Einrichtungen verfügen, um den Patienten optimal zu betreuen und zu begleiten, dass er diese Therapie gut verträgt, was uns auch in den meisten Fällen gelingt.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Herr Prof. Dr. Becker: Mit intensiver Aufklärung, Motivation und Erklärung.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Prof. Dr. Becker: Ich würde eine zentrale Datenbank einrichten, wo man durch Freigabe durch den Patienten (z. B. über seine Gesundheitskarte) als ihn beratender und behandelnder Arzt zentral auf alle seine Krankheitsbefunde und Bilder direkt zugreifen kann.
Weiterhin wäre es sehr wichtig, die ganzen Formulare und die Bürokratie, die selbst für Experten kaum noch zu durchblicken sind, zu entschlacken.
Der Mensch muss im Vordergrund stehen. Alle, die im Gesundheitswesen arbeiten, leiden unter der überhandnehmenden Bürokratie. Das Ziel muss immer sein: Der Patient ist am wichtigsten.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Prof. Dr. Becker: Die heutige Zeit (wie oben ausgeführt) überbordet uns mit Computerprogrammen und Formularen. Das führt zu „Gestresstsein“ und Ungeduld. Das sind gleichzeitig unsere größten Schwächen gegenüber den Patienten.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Prof. Dr. Becker: Jede technische Entwicklung im Bereich der Strahlentherapie und Radiochirurgie führen wir in unserer Abteilung ein, wenn ausreichende klinische Sicherheit besteht, dass es wirklich zum Vorteil des Patienten ist. Ebenso setzen wir konsequent die Forschungs- und Studienergebnisse in unseren Therapiekonzepten um.
Insofern haben wir auch immer die bewährteste, aber auch modernste Technologie für den Patienten verfügbar.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Prof. Dr. Becker: Ja! Es gibt viele individuelle Patientengeschichten, die sich tief in meine Seele eingebettet haben.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Prof. Dr. Becker: Ich empfehle möglichst viel Sport und eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie möglichst wenig Übergewicht (eine Empfehlung, die ich in dem langen Berufsalltag selbst leider auch nicht optimal umsetzen kann).
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