Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Heiler interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Arzt.
jameda: Herr Heiler, was hat Sie motiviert, Arzt zu werden?
Herr Heiler: Die Arbeit mit Menschen, insbesondere wenn es darum geht, die Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen, war für mich die Hauptmotivation. Meine Patienten jeden Tag dabei zu unterstützen, bedeutet mir sehr viel. Ich bin daher sehr froh, meinen Beruf ausüben zu können. Umso spannender natürlich auch in einer Zeit, die von Innovationen in der Medizin geprägt ist.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Heiler: Wir führen unsere Praxis bewusst familiär und locker, aber trotzdem professionell. Das schätzen unsere Patienten. Auch wir fühlen uns dadurch wohler bei der Arbeit. Die Herausforderung ist dabei, dennoch eine gesunde emotionale Distanz zu unseren Patienten einzuhalten. Gerade bei langfristigen Therapien im psychischen Bereich können ja beinahe freundschaftliche Beziehungen zwischen Therapeut und Patient entstehen, die aber oft nicht förderlich für die Therapie sind. Diesen Spagat zwischen Wohlfühlen und Behandlung haben wir daher genau im Blick.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Heiler: Gerade bei psychosomatischen oder psychischen Beschwerdebildern gibt es natürlich immer noch viel Scham. Patienten fragen sich, ob sie nicht willensstark sind oder nicht schlau genug, um ihre Probleme selbst zu meistern. Zudem sind die “Krankheitsbilder” für Mitmenschen unsichtbar und schwer nachvollziehbar. Das macht es häufig innerhalb von Familien oder Freunden schwierig - natürlich absolut zu Unrecht! Bei einem gebrochenen Arm würde auch niemand sagen “Stell dich nicht so an!”. Glücklicherweise findet hier mehr und mehr eine Entstigmatisierung statt.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Heiler: Bei uns ist die Therapie recht angenehm und schmerzfrei. Aber die Beschwerdebilder ziehen sich in der Tat häufig über Jahre hin, worunter die Betroffenen stark leiden. Auch die Therapie folgt einem langfristigen Ansatz. Es ist daher besonders wichtig, klare und auch realistische Ziele zu setzen und den Patienten dabei zu unterstützen, die erreichten Erfolge zu sehen. Ein großer Vorteil ist dabei sicher, die Therapiefortschritte immer wieder zu messen. Das ist mit Neurofeedback, aber auch mit regelmäßigen Tests oder Fragebögen gut möglich.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Heiler: Ich würde den Patienten mehr Entscheidungsspielraum über individuelle Therapien geben. Beispielsweise mit einem gewissen Betrag pro Jahr, der frei für gewünschte Therapieangebote, insbesondere solche aus dem alternativen Bereich, genutzt werden könnte. Aktuell muss für so etwas häufig eine zusätzliche private Versicherung abgeschlossen werden. Medizin muss individueller werden, auch für gesetzlich versicherte Patienten. Außerdem würde ich mich für mehr Förderungen von präventiven Maßnahmen einsetzen.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Heiler: Wir Ärzte stecken oft ziemlich tief in unseren Fachbereichen und tauschen uns mit Kollegen aus. Dabei wird natürlich eine medizinisch-wissenschaftliche Sprache verwendet, die für den Patienten aber häufig nicht vollständig zu verstehen ist. Durch den täglichen Umgang mit Fachwörtern vergisst man das manchmal. Die Diagnose oder Therapie zunächst mit alltäglichen Beispielen zu erklären und dann bei Bedarf spezifischer zu werden, wäre wahrscheinlich meist der optimale Weg. Ich versuche daher häufig, mich beim Patienten zu versichern, ob er auch alles verstanden hat.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Heiler: Wir haben unsere gesamte Praxis auf ein neuartiges Therapieverfahren ausgerichtet. Es handelt sich dabei um Neurofeedback, eine technisch unterstützte Form der Verhaltenstherapie bzw. des Gehirntrainings. Die Technologie ist schon etwas älter, aber die breitflächige Anwendung hat erst in den letzten Jahren begonnen. Auch nutzen wir selbst entwickelte Therapien in der Virtual Reality. Ich denke, dass sich beide Technologien in den kommenden Jahren fest etablieren werden. Sowohl Patienten als auch Unternehmen und Krankenkassen geben uns positive Rückmeldungen.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Heiler: Das Erlebnis, wenn Patienten das erste Mal in ihrem Leben eine Virtual-Reality-Brille aufhaben und in eine komplett neue Welt eintauchen, ist für mich als Beobachter sowohl faszinierend als auch höchst amüsant. Auf der einen Seite gibt es Kinder, die aufgeregt ihren Eltern beschreiben, was sie gerade sehen. Andererseits gibt es viele Erwachsene, die mit einer gewissen Vorsicht und Skepsis zunächst wie angewurzelt dasitzen und abwarten, was passiert. Es ist erstaunlich, wie schnell die meisten Menschen sich dann aber in der virtuellen Welt zurechtfinden.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Heiler: Die mentale Fitness und Gesundheit wird immer wichtiger werden und auch zunehmend in den Fokus der Medizin rutschen. Gerade hier sind präventive Maßnahmen am effektivsten. So wie heutzutage eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio zumindest in Städten selbstverständlich ist, wird es sich hoffentlich zukünftig auch mit Möglichkeiten für mentales Fitness-Training verhalten. Dass Yoga und Meditation an Beliebtheit gewinnen, ist auf jeden Fall positiv. Daher mein Gesundheitstipp: Schenken Sie Ihrem Gehirn und damit auch Ihrer Psyche genauso viel Aufmerksamkeit wie Ihrem Körper.
Philipp Heiler ist Arzt und mit seinem Team und seiner Praxis komplett auf Neurofeedback spezialisiert. Er ist Gründer und Geschäftsführer von ‘brainboost’, einem Unternehmen, das Weiterentwicklung und Forschung im Bereich Neurofeedback durchführt und auch nicht-medizinische Anwendungen anbietet.
Die auf Neurofeedback spezialisierte Praxis liegt im Zentrum von München und bietet ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Psychologen, Sport- und Gesundheitswissenschaftlern. Neurofeedback wird dort bei einer Vielzahl von Beschwerdebildern sowohl bei Kinder als auch Erwachsene angewendet.
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