Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Dr. med. Gerrit Keferstein interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Praktischer Arzt.
jameda: Herr Dr. Keferstein, was hat Sie motiviert, Augenarzt zu werden, und warum haben Sie sich für Ihre Spezialgebiete entschieden?
Herr Dr. Keferstein: Ich habe erst mit dem Medizinstudium begonnen, als ich schon viele Jahre Erfahrung im Profisport als Sportmanager, Ernährungsberater, sportwissenschaftlicher Berater, Athletiktrainer, Coach und Ausbilder gesammelt hatte. Ich habe durch meine Arbeit im Sport gemerkt, dass es für Leistungssportler schwer ist, medizinische Unterstützung bei chronischen Beschwerden des Immunsystems, des Nervensystems oder des Stoffwechsels zu finden.
Während des Medizinstudiums stellte ich fest, dass das medizinische System nicht nur für Sportler, sondern für fast jeden Menschen keine optimale Unterstützung liefert, wenn es darum geht, wie man auf natürliche, biologische Art und Weise die Funktionsfähigkeit des Körpers wieder herstellen und optimieren kann. Also habe ich mich bereits während des Studiums und nach dem Studium genau darauf spezialisiert.
jameda: Worin liegt Ihr Tätigkeitsschwerpunkt und was macht ihn so besonders?
Herr Dr. Keferstein: Mein Tätigkeitsschwerpunkt ist die Regenerationsmedizin. Sie sieht den Körper als biologischen Organismus, als Ansammlung von 30 Billionen Zellen, die in einer Symbiose stehen sollten. Wenn diese zelluläre Symbiose gestört ist, kann der Organismus sich nicht adäquat an sein Umfeld anpassen und die Regeneration ist gestört. Das nehmen wir Menschen dann als Krankheit wahr.
Die Regenerationsmedizin basiert auf modernster Forschung über die Zusammenhänge von Zellfunktion, Immunsystem, Nervensystem, Stoffwechsel und unserem modernen Lebensstil. Wir befassen uns mit therapeutischer Ernährung, Mikronährstofftherapie, Stressregulation, und Bewegung.
jameda: Gibt es ein medizinisches Vorbild, das Ihre Laufbahn besonders geprägt hat?
Herr Dr. Keferstein: Vorbilder waren für mich immer die Mediziner, die den Menschen in seinem ganzen Wesen geschätzt und respektiert haben. Ich habe immer schämend Gänsehaut bekommen, wenn ein Arzt einem leidenden Menschen sagt: „Sie haben nix“. Denn das ist totaler Quatsch. Nichts ist realer als die menschliche WAHRnehmung. Und nur weil wir manchmal nichts messen können, heißt das nicht, dass der Patient nichts hat.
Der menschliche Körper in seinem Biotop von anderen Menschen ist unendlich komplex und wir Mediziner haben bisher nur einen Bruchteil davon verstanden. Vorbilder waren für mich daher schon immer fürsorgliche und demütige Ärzte wie Bernard Lown, der über die „verlorene Kunst der Heilung“ geschrieben hat.
jameda: Wo sehen Sie in Ihrem Fachgebiet die größten Herausforderungen für die Zukunft?
Herr Dr. Keferstein: Wir leben in einer Gesellschaft, die auf vielen Ebenen Heilung braucht. Wir verarmen seelisch, leben distanzierter, leben in Monokulturen der Agrarwirtschaft, der Bildung und der medizinischen Lehre, sehen Emotionen als Schwäche und marginalisieren das Schöne, das Wahre, und das Gute auf Kosten von Fortschritt, Wachstum und Profit.
Das Menschliche wird marginalisiert durch das Technische. Dabei bleiben Viele auf der Strecke. Das zeigt sich in immer drastischeren Anstiegen chronischer Erkrankungen. Sowohl Krankheit als auch Heilung entstehen immer in einem biologischen Biotop und die größte Herausforderung für die Zukunft ist es, unser menschliches Biotop zu heilen.
jameda: Was wird an Ihrem individuellen Umgang mit Ihren Patienten besonders geschätzt?
Herr Dr. Keferstein: Das sollen die Menschen selber bewerten. Zu allererst vermeiden wir das Wort Patient, denn dieses Wort kommt aus dem Griechischen und heißt „der Leidende“. Wir machen Medizin für Menschen, die keine Patienten (mehr) sein wollen. Wir versuchen, aus dem Leid herauszukommen und in die Hoffnung und in die Chance einzutauchen. Ich denke, das schätzen die Menschen sehr, die zu uns finden. Und was ich auch immer wieder höre, ist, dass die Menschen bei uns das Gefühl haben, gesehen zu werden.
jameda: Was schätzen Sie an Ihren Patienten besonders?
Herr Dr. Keferstein: Mut! Ich schätze ihren Mut! Es braucht verdammt viel Mut, gegen den gesamten gesellschaftlichen Sog, der einen nur als „den Kranken“ abstempeln und ihn einfach mit Medikamenten ruhigstellen will, in die Handlung und in die Hoffnung und die aktive Selbstbestimmung zu gehen und sich zu sagen: „Nein, ich werde hier nicht das Opfer sein. Ich werde mit erhobenem Haupt in die Lösung schreiten.“ Wahnsinn. Ja, definitiv: Mut!
jameda: Gibt es ein besonderes Patientenerlebnis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Dr. Keferstein: Ja, zahlreiche! Eine aktuelle, tolle Geschichte ist die einer 25 Jahre jungen Frau, die seit ihrem 16. Lebensjahr auf starker antipsychotischer Medikation war und sehr viel zugenommen hatte. Ihr wurde gesagt: „Sie werden nie wieder gesund und müssen die Medikamente ihr Leben lang einnehmen.“
Für mich ist das eine Schande, wie man so etwas sagen kann. Wir haben gemeinsam viel an Stolz und Mut gearbeitet, haben ihr Nervensystem reguliert, haben ihr Immunsystem gestärkt, sie ist selbstbewusster geworden und wir haben begonnen, die Medikamente zu reduzieren. Alle Psychiater haben davon abgeraten.
Wir glauben allerdings nicht an die „Einbahnstraße Psychiatrie“ und haben es in einem sehr kontrollierten und bewussten Prozess über 18 Monate geschafft, die komplette Medikation abzusetzen. Sie hat in dieser Zeit ihr Körpergewicht um 53 kg von 115 kg auf 62 kg reduziert, ihre kompletten Stoffwechselparameter normalisiert, einen Partner gefunden und fängt gerade einen Job an. Und natürlich ist sie stolz wie Oskar.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Dr. Keferstein: Du bist keine Maschine. Du hast nicht zu funktionieren. Du bist ein lebendiger Organismus. Du lebst! Maschinen repariert man. Lebendige Organismen sind allerdings dann richtig gesund, wenn sie in dem richtigen Biotop leben aus positiven sozialen Interaktionen, gutem Essen, Bewegung, Sonne, Wasser, Kälte, Hitze, Nährstoffen, und dem Erleben von Bedeutung. Sei liebevoll zu dir und deinen Mitmenschen und pflege dein Biotop, denn das Biotop pflegt dich.
Dr. med. Gerrit Keferstein, Jahrgang 1986, ist geboren in Siegburg und aufgewachsen in Bonn. Kurz nach seiner Schulzeit ist er mit Sportstipendium in die USA ausgewandert und hat dort Sportwissenschaften studiert. Nach diesem Studium war er 15 Jahre im Profisport in verschiedenen Funktionen aktiv. Unter anderem war er für die athletische Entwicklung der Eishockeynationalmannschaft verantwortlich und konzipierte die Athletiktrainerausbildung des DOSB mit. Er schrieb bereits 3 Bücher und zahlreiche Fachartikel. Er absolvierte eine zweijährige Weiterbildung „Funktionelle Medizin“ in den USA. Im Jahre 2020 gründete er das MOJO Institut für Regenerationsmedizin als Anlaufstelle für Leistungssportler und Menschen mit chronischen Erkrankungen, die aktiv nach effektiven Lösungen suchen.
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