Team jameda
Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Dr. Martin interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Neurochirurg.
jameda: Herr Dr. Martin, was hat Sie motiviert, Neurochirurg zu werden?
Dr. Martin: Das Gehirn, das Rückenmark und das gesamte Nervensystem inklusive der peripheren Nerven haben mich bereits im 2. Studiensemester fasziniert. Ab diesem Zeitpunkt durfte ich bei Herrn Professor Winkler in München an meiner Promotion zu einem epilepsiechirurgischen Thema arbeiten. Das komplexe Zusammenspiel des Nervensystems hat mich von Anfang an gefesselt, ebenso wie die damit verbundene, erforderliche Präzision in diagnostischer, therapeutischer wie auch chirurgischer Hinsicht. Und so brenne ich bis heute für das Fach der Neurochirurgie.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Dr. Martin: Am meisten Freude bereitet mir der Umgang mit Menschen. Es ist schön mitzuerleben, wie meine Patienten wieder beschwerdefrei sind und ihren Alltag sowie ihre Freizeit wieder sorglos genießen können. Auch bei meiner Arbeit im Operationssaal gehe ich völlig in mir auf, wenn ich unter dem Mikroskop operiere. Dabei lasse ich mir so viel Zeit wie ich benötige, um das bestmögliche Operationsergebnis zu erreichen.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Dr. Martin: Mit den Vorurteilen ist das so eine Sache, natürlich werden mir diese nur sehr selten offen mitgeteilt. Die meisten Patienten kommen auf Empfehlung von Kollegen zu mir. Ihr Besuch ist oft mit hohen Erwartungen verbunden, denen ich gern gerecht werden möchte. Wenn ich später Rückmeldungen erhalte, sind diese in den allermeisten Fällen positiv.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Dr. Martin: Gerade Erkrankungen des Nervensystems haben häufig längere Regenerationszeiten. Das kann bedeuten, dass Monate oder auch Jahre vergehen, bis die vollkommene Funktion wiedererlangt werden kann. Ich versuche, meinen Patienten gut zu erklären, wie sich der Heilungsprozess entwickelt und welches Ergebnis nach welcher Zeit zu erwarten ist. Die meisten Patienten sind motiviert und arbeiten sehr gut mit, selbst wenn sich die Behandlung über sehr lange Zeiträume erstreckt. Bei Nervenverletzungen, wie zum Beispiel einer Armplexuslähmung, sind zwei Jahre und länger, regelhafte Zeiträume bis eine Funktion wiedererlangt werden kann. Über solch lange Zeiträume entsteht eine enge Patienten-Arzt-Beziehung.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Dr. Martin: Ich versuche, ihm die Hintergründe aufzuzeigen, warum ich auf bestimmte Punkte so viel Wert lege und was passieren kann, wenn der Behandlungsplan nicht eingehalten wird. Ein Beispiel ist die Ruhigstellung nach Karpaltunneloperationen. Patienten, die zu schnell wieder ihre Hand stark belasten und im Alltag einsetzten, bekommen häufiger Probleme. Die meisten Patienten halten sich aber an die empfohlen Therapiepläne, weil sie durch die persönlichen Gespräche gut nachvollziehen können, worauf es bei der jeweiligen Therapie ankommt.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Dr. Martin: Ich würde mich dafür aussprechen, dass Krankenhäuser nicht zu Wirtschaftsunternehmen werden. Der Patient mit seiner persönlichen Lebensgeschichte und seinen Bedürfnissen muss immer im Mittelpunkt stehen.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Dr. Martin: Wir Ärzte sollten unsere Patienten immer gut, umfassend und vor allem verständlich über die geplanten Therapien und Operationen aufklären. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Arzt ist hier wichtig. Außerdem sollte jeder Patient die Möglichkeit haben, eine Zweitmeinung einzuholen.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Dr. Martin: Ich beschäftige mich schon seit langer Zeit mit der Nervenstimulation. So kann ich zwei sehr neue und damit auch noch recht unbekannte Therapien im Bereich der Neurostimulation anbieten: Zum einen implantiere ich einen Zugennervstimulator, mit dem man das Schlafapnoesyndrom behandeln kann. Patienten, für die die nächtliche CPAP-Maske nicht in Frage kommt, kann eine Elektrode um den Nervus hypoglossus gelegt werden und die Zunge wird im richtigen Moment nach vorn gedrückt. Ein Schlafen ohne CPAP-Maske und ohne Atemaussetzer wird so möglich. Zum anderen implantiere ich einen Fußheberstimulator, welcher bei einer zentral bedingten Fußheberparese das Laufen wieder flüssiger und ausdauernder möglich macht.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Dr. Martin: Ich erinnere mich an einen sehr bewegenden Moment, als ein Patient, der nach aufwendiger Rekonstruktion des Armnervenplexus und nach 2 Jahren Therapie, seinen Arm wieder sinnvoll bewegen konnte. Oder an eine sehr junge Patientin, die den Fußheberstimulator beidseits implantiert bekommen hat. Sie ist im Rollstuhl gekommen und konnte mit Stimulation wieder Laufen. Das hat mich und alle Anwesende sehr stark beeindruckt und ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Dr. Martin: Ich möchte gern alle dazu motivieren, regelmäßig moderat Sport zu treiben. Alle Muskelgruppen gleichmäßig zu trainieren und einen Schwerpunkt auf die Rückenmuskulatur zu legen. Darüber hinaus auf das Körpergewicht zu achten. Wenn es erst einmal zu Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule gekommen ist, sind diese in vielen Fällen nicht mehr komplett rückgängig zu machen. Dass das Heben von sehr schweren Gegenständen nicht gut für den Rücken ist, versteht jeder. Die Einsicht, dass man es lieber nicht getan hätte, kommt jedoch erst, wenn der Bandscheibenvorfall bereits vorhanden ist.
Das Medizinstudium absolvierte ich an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach dem Studium zog es mich in meine Heimat an die Universitätsklinik Dresden. Hier verantwortete ich die „peripheren Nerven- und Plexuschirurgie“. Seit 9/2015 bin ich als Oberarzt im Klinikum Dresden-Friedrichstadt tätig.
Sie können mich in meiner Sprechstunde besuchen. Die Wartezeiten versuche ich immer, sehr kurz zu halten. Sollte eine Operation notwendig sein, führe ich diese im Krankenhaus Dresden Friedrichstadt durch. Die modern eingerichteten Praxisräume im Ambiente der Gründerzeit teile ich mir mit Herrn Dr. Andersch.
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