Team jameda
Wann immer das Füllhorn medizinischer Leistungen aus Finanznot zu versiegen droht, werden neue oder alte Ideen (wieder) aus dem Hut gezaubert. So wurde jüngst erneut die Förderung der „hausarztzentrierten Versorgung“ beschlossen, was mir als Hausärztin natürlich lieb ist.
Was heißt das? Man lässt die gesetzlich versicherten Patienten nicht mehr direkt zum Facharzt gehen, sondern verpflichtet sie, zunächst ihren Hausarzt aufzusuchen. Der soll das heilen, was er selber kann, und im Bedarfsfall den richtigen Spezialisten aussuchen. Weil der einen Überweisungsschein mit gezielten Fragestellungen bekommt, kann er sich auf das beschränken, was noch fehlt. Doppeltuntersuchungen sollten so genauso wie munteres Facharzthopping oder Umherirren zwischen verschiedenen Fachgebieten vermieden werden.
Was zunächst einleuchtete, stellte sich in der Praxis als nur halb so überzeugend heraus. Nicht nur die Barmer Ersatzkasse, in deren Hausarztprogramm über eine Million Patienten eingeschrieben waren, stellte fest: „Wir haben gar nichts gespart!“. Andere Krankenkassen beklagten Wettbewerbsnachteile, Fachärzte kritisierten, dass man ihnen das Wasser abgrabe. Im Sommer letzten Jahres wurde der Barmer Hausarztvertrag richterlich beerdigt, da er nicht gesetzeskonform gewesen sei. Dennoch werden nach dem Willen unserer Bundesregierung bald flächendeckend Hausarzttarife angeboten, da sie immer noch hofft, dadurch sparen zu können.
Warum hat man in diese Diskussion nicht niedergelassene Ärzte eingeschaltet? Die hätten nämlich berichtet, dass viele Hausärzte ihre „Gatekeeper“- Funktion sträflich vernachlässigt haben. Wenn jemand am Quartalsanfang Überweisungen zu allen möglichen Fachärzten gefordert hat, wurden diese wortlos ausgestellt. Ohne Fragestellung, ohne Diagnosen, ohne den Patienten vorher zu untersuchen. Warum auch? Schließlich werden wir mit Pauschalen bezahlt! Ob ich dem Patienten nur Überweisungen gebe oder ihn sorgfältig oder gar mehrfach untersuche: Ich bekomme immer dasselbe magere Honorar. Da muss ich schon tapfer meinen ethischen Prinzipien folgen, statt den Patienten mit seinen Wunschüberweisungen schnell aus der Tür zu schubsen! Das fällt nicht immer leicht, zumal ich mir damit auch lästige Diskussionen einhandele.
Auch Patientenbefragungen wären wichtig: Die hätten nämlich ergeben, dass manche Kranken von mangelhaft ausgebildeten Hausärzten schlecht behandelt wurden. Andere wurden aus Überschätzung der eigenen hausärztlichen Kompetenz zu spät an Fachkollegen verwiesen. Wer aber als Arzt oder Ärztin als Lotse und kompetenter Erstversorger arbeiten will, muss hervorragend ausgebildet sein! Hier liegt noch vieles im Argen.
Mein Fazit: Eine hausarztzentrierte Versorgung kann hervorragend sein, wenn die Hausärztinnen und -ärzte ihren Auftrag ernst nehmen: Sich ständig fortbilden und verantwortungsbewusst überweisen. Dafür allerdings sollte man die Bezahlung mit Pauschalen schnellstens ad acta legen und die fünfjährige Weiterbildung zum „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ zur Pflicht machen.
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