Team jameda
Immer mehr Jugendliche leiden an Übergewicht, jeder zweite klagt über Rückenschmerzen oder jeder fünfte weist Auffälligkeiten am Skelettsystem auf. Ganz zu schweigen von psychischen Problemen. In keiner anderen Altersgruppe sind die Gesundheitsrisiken in den letzten Jahren derart angestiegen, wie bei den Jugendlichen.
Wie lassen sich diese Risiken frühzeitig erkennen, um möglichen Langzeitschäden sowie lebenslangen Belastungen erfolgreich entgegenzusteuern? Dazu sprachen wir mit Dr. Thomas Fischbach. Er ist Landesvorsitzender des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein und niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Solingen.
Herr Dr. Fischbach, die Auswirkungen unseres ungesunden Lebensstils und die Folgen der medialen Reizüberflutung machen sich scheinbar besonders bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar. Wie kann man dem entgegenwirken?
Ganz einfach: Durch Prävention. Jeder sollte selber dafür sorgen, dass Auffälligkeiten rechtzeitig erkannt werden. Denn einfach nichts zu tun, kann gravierende Folgen haben. Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigen beispielsweise die Entstehung von Diabetes oder orthopädischen Problemen. Fehlstellungen der Wirbelsäule können chronische Rückenschmerzen zur Folge haben und Lücken im Impfschutz bergen das Risiko ernster Infektionskrankheiten. Darüberhinaus steigen auch die psychischen Krankheiten, wie etwa Depressionen, Suchtprobleme oder Essstörungen.
In der Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen spielen die Themen Gesundheit und Gesundheitsvorsorge eine eher untergeordnete Rolle. Wie kann man Sie trotzdem erreichen, um all diese möglichen Probleme erkennen zu können.
Für Kinder und Jugendliche gibt es eine eigens entwickelte Vorsorgeuntersuchung, die Jugendgesundheitsuntersuchung J1. Hier können körperliche aber auch seelische Probleme rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
An wen richtet sich die J1 und was sind Bestandteile dieser Untersuchung?
Die J1 richtet sich an junge Menschen im Alter von 12 bis 15 Jahren. Sie ist die einzige im Leistungskatalog aller gesetzlichen Krankenkassen vorgesehene Vorsorgeuntersuchung zwischen der letzten Kindervorsorge (U9 im 5. Lebensjahr) und dem Gesundheits-Check-UP (ab dem 35. Lebensjahr). Deshalb ist sie so wichtig, um mögliche Fehlentwicklungen und gesundheitliche Probleme wie zum Beispiel Allergien, Schilddrüsenerkrankungen, Haltungsschäden oder Gewichtsprobleme frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können. Neben der körperlichen Untersuchung, spielt die Überprüfung des altersgerechten Impfstatus eine große Rolle. Darüberhinaus findet ein ausführliches Beratungsgespräch mit dem Jugendlichen statt.
Ziel der J1 ist es, den jungen Menschen bewusst zu machen, dass sie selbst für ihre Gesundheit verantwortlich sind und ihnen Tipps für eine altersgerechte, gesunde Lebensführung zu geben.
Wie läuft die J1-Untersuchung ab?
Der Arzt führt eine komplette körperliche Untersuchung durch – in der Regel inklusive einer Blut- und Urinuntersuchung – und misst Größe, Gewicht sowie Blutdruck. Zudem überprüft er Auffälligkeiten an Skelettsystem und den Organen. Anhand des Impfpasses überprüft er den Impfstatus; fehlende Impfungen werden vervollständigt oder aufgefrischt. Dabei stehen der Impfschutz gegen Tetanus, Masern, Mumps, Kinderlähmung, Röteln und Keuchhusten sowie bei Mädchen die Schutzimpfung gegen Gebärmutterhalskrebs verursachende Viren (sog. Humane Papillomviren HPV) im Vordergrund. Im anschließenden Beratungsgespräch können die Jugendlichen ihre ganz persönlichen kleinen und großen Sorgen rund ums Erwachsenwerden besprechen – natürlich vertraulich und unter dem Schutz der ärztlichen Schweigepflicht. Jugendliche sind oft verunsichert, wenn es um Fragen zu Ernährung, Sexualität und Verhütung geht: Sie fragen sich, ob die Entwicklungen und Veränderungen ihres Körpers normal sind. Oder sie haben Fragen rund um Nikotin, Alkohol oder Drogen. Aber auch Probleme in Elternhaus oder Schule können im Rahmen des Gesprächs diskutiert werden. Themen, über die Heranwachsende nur ungern mit ihren Eltern sprechen.
Wer führt die J1-Untersuchung durch?
Neben uns Kinder- und Jugendärzten führen auch Allgemeinmediziner und Internisten die J1 durch. Die Jugendlichen können ihren Arzt frei wählen. Beispielsweise wenden Sie sich an einen ihnen vertrauten Mediziner oder sie suchen sich bewusst einen völlig fremden, mit dem sie ungezwungen an die Sache herangehen können.
Sind die Eltern der Kinder dann nicht dabei, wie man es von den Kindervorsorge-untersuchungen eigentlich kennt?
Die Eltern der Kinder sind bei der Untersuchung nur dabei, wenn die Jugendlichen dies möchten. Erstmals können sie selbst entscheiden, wen sie zur Untersuchung mitnehmen. Sie können alleine, in Begleitung von Freunden oder ihrer Eltern kommen.
Wer zahlt die Untersuchung?
Die J1 ist eine Kassenleistung. Die Kosten werden bereits seit 1998 von allen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Leider ist das vielen Patienten nicht bekannt. Generell ist die J1 leider viel zu unbekannt. Derzeit wird sie erst von einem Drittel der Jugendlichen genutzt. Das ist bei so einer bedeutenden Vorsorgemöglichkeit viel zu wenig. Es müssen noch mehr Jugendliche motiviert werden, die J1 wahrzunehmen – um ihrer eigenen Gesundheit willen.
Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.
Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.