Artikel 02/06/2017

Geistige und motorische Entwicklungsstörungen: Ist mein Kind betroffen?

Team jameda
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Geistige, seelische und kognitive Entwicklungsstörungen bei Kindern können schwere Folgen haben. Lesen Sie hier, welche Störungen es gibt und wie sie sich auf das Leben des Kindes auswirken.

Definitionen und Ursachen von Entwicklungsverzögerungen


Entwicklungsstörungen sind Fehler in der körperlichen oder psychischen Entfaltung eines Menschen. Motorische Entwicklungsstörungen betreffen den Bewegungsapparat.

Jede Bewegung des Menschen, auch die einfachste oder selbstverständlichste, ergibt sich aus vielen genau abgestimmten Muskelaktivitäten, die durch komplizierte neuronale Abläufe gesteuert werden. Die motorischen Zentren, die für die Ausführung und Kontrolle der Körperhaltung und Bewegung verantwortlich sind, befinden sich in verschiedenen Abschnitten des Zentralnervensystems von der Hirnrinde bis zum Rückenmark.

Fast alle Bewegungen können Störungen aufweisen, die auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen sind, wie zum Beispiel:

  • Muskel- und Gelenkserkrankungen
  • Atmungs- und Kreislaufprobleme
  • neurologische Erkrankungen als Folge von Gehirn- und Schädelverletzungen
  • eingeschränkte Sensorik, wie zum Beispiel Sehbehinderung, Taubheit oder Schwerhörigkeit
  • Entwicklungsstörung der geistigen Fähigkeiten

Bewegungseinschränkungen, die ohne eines der oben genannten Probleme auftreten, sind ,umschriebene‘‘ Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen.

In der Kindheit oder Jugend können motorische Störungen durch organische oder psychische und psychosoziale Einflüsse verursacht werden. Organische Ursachen sind Fehler im Erbgut, Entzündungen während der Schwangerschaft, Verletzungen, Mangelernährung, verzögertes Reifen des zentralen Nervensystems, Hirnfehlbildungen oder frühkindliche Hirnschädigungen. Zu den psychischen und psychosozialen Ursachen gehören Misshandlung, Erkrankungen der Eltern, längere Krankenhausaufenthalte, Verluste, gestörte Familienverhältnisse oder Armut.

Psychische Entwicklungsstörungen kommen entweder von ,innen‘‘, zum Beispiel im Rahmen von Stoffwechselerkrankungen, oder von ,außen‘‘ und sind durch Erziehungsdefizite oder Traumatisierungen verursacht. Beispiele psychischer Entwicklungsstörungen sind:

  • Beziehungsstörung: Unfähigkeit, Partnerschaften oder Freundschaften zu beginnen
  • Angststörung: starke Angstreaktionen, die kaum oder nicht kontrolliert werden können, obwohl es dafür keinen objektiven Grund gibt
  • Borderline-Persönlichkeitsstörung: Impulsivität und Instabilität in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen, Stimmung und Selbstbild

Entwicklungsstörungen können nur Teilbereiche betreffen: Zum Beispiel bei motorischen Störungen, Teilleistungs- oder Sprachstörungen kann die Intelligenz normal sein. Oder aber mehrere Entwicklungsbereiche sind betroffen, was sich mit Intelligenzminderung äußert.

Symptome eingeschränkter Motorik: Ungeschicklichkeit und Wahrnehmungsstörungen

Die Symptome einer motorischen Koordinationsstörung sind:

  • Ungeschicklichkeit, die bei sportlichen Aktivitäten auffällt, wie zum Beispiel beim Fahrradfahren, Ballspielen, Springen, Laufen und Klettern
  • plumper Gang mit Aufsetzten des ganzen Fußes ohne Mitbewegung der Arme
  • Überbeweglichkeit
  • grobes und ungelenkes Schriftbild, Vermeiden feinmotorischer Tätigkeiten, wie zum Beispiel Malen
  • undeutliche Aussprache
  • Wahrnehmungsstörungen, wie zum Beispiel eingeschränkte Körper- und Kraftwahrnehmung, Gleichgewichts- und Orientierungsstörungen und niedrige Schmerzschwelle

Kinder mit umschriebenen Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen weisen meistens unauffällige Bewegungsmuster auf und erreichen die motorischen Meilensteine der Entwicklung mit Verspätung. Sie machen zum Beispiel ihre ersten freien Schritte erst nach dem dritten Lebensjahr oder können mit dreieinhalb Jahren noch nicht drei Bauklötze aufeinander stellen. Im Kindergarten- und Schulalter lassen sie häufig Gegenstände fallen und haben Schwierigkeiten beim Anziehen und beim Essen mit Messer und Gabel.

Diagnose: So funktioniert der Test

Besteht Verdacht auf eine motorische Entwicklungsstörung, beurteilt ein klinischer Psychologe die Gesamtentwicklung des Kindes. Durch Verhaltensbeobachtung beantwortet er folgende Fragen:

  • Sind die Bewegungen des Kindes altersgemäß?
  • Gibt es Bewegungsmuster, die im normalen Entwicklungsverlauf nicht auftreten?
  • Versagt das Kind bei Bewegungsanforderungen? Wenn ja, aus welchen Gründen?

Bewegungsanforderungen sind zum Beispiel: mit geschlossenen Augen auf einem Bein stehen, auf einem Bein hüpfen, Hampelmann-Sprung, Sprünge am Trampolin und Finger-Nasen-Versuche. In einigen Fällen sind Video-Aufzeichnungen hilfreich.

Zur Diagnosestellung nutzt der Arzt standardisierte Testverfahren zur Überprüfung der Grob- und Feinmotorik. Liegt die Leistung des Kindes um mindestens 1,5 Standardabweichungen unter der Altersnorm, handelt es sich tatsächlich um eine motorische Entwicklungsstörung.

Es gibt 5 Testverfahren:

  • die Münchener Funktionelle Entwicklungsdiagnostik, MFED, für das erste bis dritte Lebensjahr
  • die Entwicklungsüberprüfung von Kiphard für die ersten 4 Lebensjahre
  • der Motoriktest von Zimmer und Volkamer für 4- bis 6-jährige
  • der Körperkoordinationstest für Kinder (für 5- bis 14-jährige)

Ist die Diagnose gestellt, sind zusätzlich ein Intelligenztest und eine körperliche, augenärztliche, neurologische und Hörfähigkeitsuntersuchung notwendig.

In Deutschland sind 5 bis 10 Prozent der Kinder bei Schuleingang von motorischen Koordinationsstörungen betroffen. Jungen leiden doppelt so häufig darunter als Mädchen.

Symptome und Diagnose geistiger Entwicklungsstörungen

Eine geistige Entwicklungsstörung äußert sich mit folgenden Symptomen:

  • eingeschränkte geistige Leistungsfähigkeit
  • Schwierigkeiten im Sprachverständnis und beim Sprechen
  • verlangsamtes Denken
  • Verhaltensstörungen bei Veränderungen
  • gestörtes emotionales Verhalten
  • eingeschränkte Fähigkeit, sich selbst zu versorgen

Alle Intelligenzminderungen äußern sich mit gestörten kognitiven Funktionen. Die betroffenen Kinder sind geistig zurückgeblieben: Sie lernen oft später zu sprechen und zu gehen, haben Schwierigkeiten, Aufforderungen angemessen nachzukommen, wirken geistig schwerfällig, können Impulse nicht kontrollieren und weisen verlangsamte seelische und kognitive Funktionen auf, wie zum Beispiel bei Wahrnehmung, Denken und Fantasieren.

Die Intelligenz wird anhand des IQ beurteilt:

IQ

Einstufung

90 bis 120

Normal

70 bis 89

Minderbegabung

50 bis 69

Debilität (leichte Behinderung)

35 bis 49

Imbezillität

20 bis 34

Ausgeprägte Imbezillität

< 20

Idiotie

Förderprogramme und Bewegungstherapie

Zur Behandlung motorischer Störungen gibt es mehrere sogenannte Förderprogramme, die das gestörte Bewegungsverhalten verbessern, die Lern- und Verhaltensstörungen beseitigen und die Gesamtentwicklung des Kindes positiv beeinflussen sollen. Die bekanntesten Förderprogramme sind:

  • perzeptivmotorisches Training (PMT, Kephard)
  • sensorisch-integratives Therapie (SIT, Ayres)
  • kinästhetische Training (KT, Laszlo & Bairstow)
  • psychomotorische Übungsbehandlung (Kiphard)

In den letzten Jahren geht es hauptsächlich um die Prävention von Verhaltensstörungen und die ganzheitliche Förderung der Persönlichkeit des Kindes durch das Zusammenspiel von Bewegen, Denken, Fühlen und Orientieren. Dabei ist die Wechselwirkung zwischen motorischen Störungen und Gefühlen wie Aggressivität, Ängstlichkeit, fehlende Motivation und Lernstörungen ausschlaggebend.

Die Förderung kombiniert verschiedene Elemente der Bewegungspädagogik, wie Kletterübungen, Trampolin, Ballspiele, Konzentrationsspiele, rhythmisch-musikalische und tänzerische Aktivitäten und Entspannungsübungen. Bei leichten Koordinationsstörungen sind bestimmte Sportarten wie Judo und Schwimmen hilfreich. Sportarten, die von Konkurrenz- und Leistungsdruck geprägt sind, wie Fußball, sollten vermieden werden.

Geistige Behinderungen sind nicht heilbar, aber es gibt Möglichkeiten, die Fähigkeiten des Kindes individuell zu entfalten, das Selbstwertgefühl zu steigern und die soziale Integration zu fördern.

Bei geistigen Behinderungen empfiehlt sich eine heilpädagogische Frühförderung ab dem zweiten Lebensjahr, eine Ergo- und eine Lerntherapie. Eltern brauchen eine frühzeitige, langanhaltende Beratung, die ihnen hilft, realistische Vorstellungen für die Leistungsmöglichkeiten ihres Kindes zu entwickeln und die richtige Schulform zu wählen.

Bei einem IQ unter 70 ist ein selbständiges Leben auch später meistens nicht möglich. Selbsthilfegruppen für Kinder und Eltern bieten Unterstützung, mit dieser schwierigen Situation umzugehen.

Fazit

Die motorische und geistige Entwicklung ist die Grundlage der meisten Leistungen von Jugendlichen, Kindern und Säuglingen. Deshalb haben Entwicklungsstörungen in diesem Bereich eine bedeutende Beeinträchtigung des Kindes zur Folge. Nicht nur der Bewegungs- und Handlungsspielraum ist beeinträchtigt, sondern auch das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen und das soziale Leben. Darüber hinaus werden dadurch weiter Persönlichkeitsbereiche negativ beeinflusst.

Deshalb müssen Abweichungen von der normalen Bewegungsentwicklung beachtet und behandelt werden. So lässt sich der drohende Teufelskreis vermeiden, denn motorische Störungen führen zu Misserfolgen, die das Kind zur Vermeidung von Bewegung zwingt, was wiederum die Störungen verschlechtert und langfristig zu eingeschränkter Leistungsfähigkeit führt.

Links

www.ich-geh-zur-u.de - Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu Früherkennungsuntersuchungen im Kindesalter
Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Jugendgesundheitsuntersuchung J1
kindergesundheit-info - Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Förderung einer gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
Intakt - Internetplattform für Eltern von Kindern mit Behinderungen
Kindernetzwerk
Deutscher Kinderschutzbund
[Deutsche Liga für das Kind

](http://www.liga-kind.de/)

Literatur

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  • Hünnekens H, et al. Motoskopische Untersuchungen beim Trampolinspringen. Acta paedopsychiat.1963;30:231-247,324-341.
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