Artikel 29/03/2010

Was tun bei freiliegenden und empfindlichen Zahnhälsen?

Team jameda
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Die Ursache für empfindliche Zahnhälse (Dentinhypersensibilität) ist das freiliegendes Zahnbein (Dentin). Das Dentin genannte Zahnhartgewebe bildet die Hauptmasse des Zahnes. Es unterscheidet sich deutlich vom Schmelz , welcher die härteste Substanz des menschlichen Körpers ist. Dentin ist in seiner chemischen Zusammensetzung eher dem Zahnzement (Oberflächenmaterial der Zahnwurzel) und dem Knochen ähnlich; es besteht zu 70 % aus mineralisierter Substanz, zu 20 % aus organischen Bestandteilen und zu 10 % aus Wasser.

Dentin wird von einem Kanälchensystem durchzogen, den Dentintubuli. Diese verlaufen von der Dentinoberfläche (im gesunden Zustand also von der Grenzfläche des Dentins zum Schmelz oder zum Zement) bis zum Zahnnerven (Pulpa).

Am freiliegenden Zahnhals sind diese Tubuli nicht mehr oberflächlich durch eine Schicht Schmelz oder Zement bedeckt. So finden sich bei Zähnen mit überempfindlichen Zahnhälsen in der Zahnhalsregion wesentlich mehr eröffnete Dentintubuli auf als schmerzfreien Zähnen. Wissenschaftlich vermuteter Grund hierfür ist die Produktion von Zellflüssigkeit durch den Zahnnerv (Pulpa), die einen hydrostatischen Druck erzeugt wodurch ein Druckgefälle nach außen entsteht.

Sind die Öffnungen der Dentinkanälchen durch

  • Abrasion (Mechanische Abtragung des im Zahnhalsbereich sehr dünnen Schmelzes mit nachfolgender Freilegung des Dentins, vor allem im Halsbereich durch Zähneputzen mit abrasiven Zahnpasten und/oder zu harten Zahnbürsten. Teilweise kann das Dentin im Zahnhalsbereich aber auch von Geburt an freigelegt sein),
  • Attrition (Verlust an Zahnhartsubstanz aufgrund von Verschleiß durch Zahnkontakt an okklusalen und approximalen Flächen, z. B. Zähneknirschen. Das Zähneknirschen oder -pressen führt zu einer unphysiologischen Belastung der Zähne und kann zu Schmelzausbrüchen am Zahnhals führen),
  • Erosion (eine Auflösung des Schmelzes durch häufigen Kontakt mit Säuren, die aus dem Magen (z. B. bei Magersucht) oder von außen kommen (Energiedrinks!) begünstigt die Dentinfreilegung. Letztendlich führen einzelne oder mehrere dieser Mechanismen dazu im Zahnhalsbereich. Hieraus resultieren Schmerzen, aber auch eine deutlicherhöhte Anfälligkeit für weitere Zerstörungen durch kariöse oder mechanische Angriffe. Deshalb darf das Fehlen von Schmerzen – z. B. bei älteren Patienten– kein Kriterium für ein Nachlassen der adäquaten Mundhygienebemühungen sein, da trotz geringeren Schmerzempfindens die Probleme Zahnhalskaries und Abrasion akut bleiben) und
  • durch Angriffe von Säuren bakteriellen Ursprungs freigelegt, verursachen äußere Reize (chemische, mechanische und thermische) einen rapiden Flüssigkeitsausstoß und damit eine Bewegung des flüssigen Kanälcheninhaltes. Dies verursacht eine Schmerzreaktion der Fasern des Zahnnervens. Diesen wissenschaftlichen Erklärungsansatz nennt man die hydrodynamische Theorie, welche 1973 von Brännström formuliert wurde.

Die Dentinkanälchen vermitteln aber nicht nur Schmerzempfindungen, sondern sie dienen auch als Eintrittspforte für Mikroorganismen und ihren sauren Stoffwechselprodukten. Der Röhrenbau des Dentins ebnet der Zerstörung den Weg direkt bis in die Pulpa.

Im Rahmen der Therapie überempfindlicher Zahnhälse versucht man deshalb in erster Linie, die eröffneten Dentintubuli zu verschließen. Das besonders empfindliche, freiliegende Dentin muss dann vor kariösen und mechanischen Angriffen geschützt werden.

Normalerweise ist beim gesunden Zahn der Zahnhals vom Zahnhalteapparat, bzw. dem Zahnfleischrand geschützt. Das Zahnfleisch ummantelt den Zahnhals wie eine straffe Manschette. Liegt der Zahnhals aber frei, wie es oftmals der Fall ist nach oberflächlicheren Zahnfleischentzündungen und tiefergehenden parodontalen Erkrankungen , nach Verletzungen des Zahnfleisches (falsche Putztechnik!) oder bei Rezessionen (Rückgang des Zahnfleisches ohne klinische Entzündungszeichen) wird zunächst die Zahnwurzeloberfläche freigelegt. Da diese relativ weich ist wird sie schnell abgenutzt. Damit wird das Dentin freigelegt, dann drohen Überempfindlichkeiten, Dentinkaries und mechanische Beschädigungen.

Freiliegende Zahnhälse hat man sein Leben lang, meist ohne dass man sich dessen bewusst ist. Auf Dentin sorgen bereits geringe Mengen von Plaque für eine sehr starke und schnell voranschreitende Zerstörung von Dentingewebe. Der Schweregrad des freiliegenden Zahnhalses wird sowohl von der jeweils individuellen Situation des Patienten als auch von äußeren Faktorenbestimmt. Bakterien und Essgewohnheiten sind meistens die ersten Auslöser des Geschehens. Dazu kommen Putzgewohnheiten, die verwendeten Zahnbürsten und auch Stressfaktoren. Parodontale Erkrankungen führen durch irreversible Zerstörung des parodontalen Halteapparates ebenfalls zu freiliegenden Zahnhälsen in oftmals sehr schwerer Ausprägung.

Zu große Krafteinwirkung auf die Zahnbürste beim Zähneputzen ist anfangs schädlich für die Zahnhartsubstanz und das umliegende Weichgewebe. Falsche Zahnputztechniken können den Zahnhals, also Dentin freilegen. Es ist weicher und damit empfindlicher gegenüber Abrasion als Schmelz:
Dentin nutzt sich etwa 25mal schneller ab als Schmelz.

  • Bei horizontaler Schrubbtechnik mit starker Bürstkraft kann man Schäden in allen möglichen Formen erzeugen. (Besser: modifizierte Bass-Technik = kreisende Bewegungen mit 45° Aufstellwinkel des Bürstenkopfes auf den Zahnfleischrand; Anpressdruck 80-90 Gramm (vgl. Küchenwaage) reichen)
  • Falsche Zahnputztechniken in Verbindung mit zu abrasiven Zahncremes und zu harten Zahnbürsten tragen deutlich zu Zahnhartsubstanzverlusten bei. Bei Patienten, die mit den Zähnen knirschen und gleichzeitig kräftig Zähne bürsten, treten häufig keilförmige Defekte auf.
  • In der Regel wird die Abrasivität von Zahnpasten nach einem weltweiten Standard gemessen. Gemäß dieser Norm dient der RDA-Wert (radioactive dentine abrasion) als Maß für den Substanzabtrag beim Zähneputzen. Bei freiliegenden Zahnhälsen sollte er auf das weiche Dentin abgestimmt sein und unter einem Wert von 40 liegen. (vgl. Tubenkennzeichnung)
  • Allerdings geht geringe Abrasivität immer mit einer leicht reduzierten Reinigungsleistung einher. Beide Effekte müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen und die individuellen Bedürfnisse des Patienten berücksichtigen. (Nach Parodontalbehandlung soll z. B. eine weiche Zahnbürste verwendet werden)
  • Harte, schlecht abgerundete Borstenspitzen greifen die Zahnoberflächen an. Zusätzlich werden harte Zahnbürsten oft von Patienten mit größeren Kräften eingesetzt.
  • Besonders wichtig ist neben einer adäquaten Zahnputztechnik auch die Verwendung einer weichen Zahnbürste, die vor allem die empfindlichen Dentinoberflächen sanft und schonend reinigt.
  • Oft beginnt man an der gleichen Stelle mit dem Zähneputzen. Hier entstehen oft Abrasionen oder keilförmige Defekte.

Maßnahmen zur Vorsorge bei Patienten mit freiliegenden Zahnhälsen sollen die auslösenden Faktoren beseitigen. Sie müssen dementsprechend darauf ausgerichtet sein, Gewohnheiten zu verändern, die verbliebene Zahnhartsubstanz zu schützen und das Wohlbefinden des Patienten wiederherzustellen.
Ihr Zahnarzt sollte Ihnen gute Prophylaxekonzepte anbieten, die den individuellen Gegebenheiten des Patienten gerecht werden.

Auch im Hinblick auf Zusammenhänge mit der Parodontologie ist ein Praxiskonzept, welches nur standardisierte ‘0815 Zahnreinigungen’ anbietet daher abzulehnen.

Ein modernes Behandlungskonzept beim Spezialisten für Parodontologie bietet darüber hinaus die Möglichkeit freiliegende Zahnhälse plastisch ästhetisch zu decken. Dies führt zum Verschwinden der Beschwerden und zur ästhetischen Rehabilitation ‘langer’ Zähne.

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