Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Frau Dr. Grodde interessante Fragen zu ihren Erfahrungen als Zahnärztin.
jameda: Frau Dr. Grodde, was hat Sie motiviert, Zahnärztin zu werden?
Frau Dr. Grodde: Ich wollte schon immer einen handwerklichen Beruf ausüben, der idealerweise mit Menschen zu tun hat und einen „helfenden“ Schwerpunkt besitzt. Gleichzeitig war ich fasziniert von Technik, Forschung und Wissenschaft. Als Zahnärztin kann ich alle diese Bereiche optimal miteinander verbinden.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Frau Dr. Grodde: Ich mag am meisten den „Vorher-Nachher-Effekt“ - nicht nur, was den optischen Eindruck angeht, sondern vor allem deshalb, weil ich dadurch als Zahnärztin mit meinem Team Menschen glücklich machen kann. Wir erleben es so oft, dass Menschen mit katastrophalem Zahnzustand zu uns kommen, sie sind verzweifelt, scheuen sich davor zu lachen und in normaler Weise an sozialem Leben teilzunehmen. Wir begleiten diese Menschen oft in kleinen Schritten über viele Wochen und erleben eine wahre Metamorphose. Nicht nur die Zähne und das Zahnfleisch werden gesund, die Menschen kommen unverkrampft zum Termin, wirken nicht mehr gestresst, lachen uns offen an. Das ist einfach toll. Aber wir freuen uns natürlich auch über kleine Effekte – wie aus einem auffällig kaputten Zahn innerhalb einer Sitzung ein unauffälliger schöner Zahn werden kann, das macht uns einfach Freude. Oder wenn ein Patient mit starken Schmerzen kommt und nach unserer Behandlung schmerzfrei geht - in vielen anderen ärztlichen Fachrichtungen ist so eine schnelle Hilfe nicht möglich. Die größte Herausforderung ist für mich, dass jeder Patient individuelle Bedürfnisse hat, auf die ich meine Arbeit abstimmen muss. Viele Menschen kommen mit großer Angst zu mir, brauchen behutsame Heranführung an zum Teil große komplexe zahnärztliche Behandlungen. Schmerzpatienten bekommen in meiner Praxis immer am selben Tag noch einen Termin. Das stellt für einen reibungslosen Ablauf des Behandlungstages oft eine Herausforderung dar, vor allem, weil man ja nie vorher weiß, was der Patient letztendlich für eine Behandlung benötigt. Die Zahnmedizin entwickelt sich ständig weiter, Wünsche und Vorstellungen der Patienten sind oft nicht im Leistungsumfang der Krankenkasse enthalten. Trotzdem eine gute und auch finanziell tragbare Lösung für die Patienten zu finden, ist ebenfalls etwas, was manchmal Kopfzerbrechen bereitet. Es freut mich dann aber umso mehr, wenn wir am Ende mit und für den Patienten gute Möglichkeiten finden.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Frau Dr. Grodde: Ich begegne eigentlich keinen Vorurteilen. Das gängige Vorurteil, dass ich als Zahnärztin „Dinge verkaufen“ möchte, die nicht unbedingt notwendig sind, erlebe ich in meinem Alltag nicht wirklich. Ich höre es manchmal über andere Kollegen. Die Patienten merken bei mir schon beim ersten Termin, dass ich sehr umfassend und dabei neutral berate. Ich kläre gleichermaßen über Kassen- und Privatleistungen auf und überrede grundsätzlich Patienten nicht zu irgendwelchen Therapien. Meiner Meinung nach müssen Patienten gut über unterschiedlichste Alternativen aufgeklärt werden, Vor- und Nachteile der jeweiligen Möglichkeiten kennen und letztendlich selbst entscheiden. Meine Überzeugung ist, dass man kein vernünftiges Vertrauensverhältnis zu Menschen aufbauen kann, wenn sie zu irgendetwas „überredet“ werden. Bei aller Neutralität wissen die Patienten aber trotzdem genau, welchen Therapieansatz ich bevorzugen würde.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Frau Dr. Grodde: Ich versuche, mit dem Patienten immer wieder über das Endergebnis zu sprechen, was wir erreichen wollen und ihm darzustellen, was wir schon alles erreicht haben. Um das „große Ziel“ zu erreichen, muss man eben manchmal Geduld haben. Was Schmerzen betrifft, so arbeiten wir aber immer so, dass der Patient möglichst schmerzfrei die Behandlung erleben kann. Wir betäuben beispielweise auch mit einem kurz wirkenden Betäubungsmittel bei Zahnsteinentfernung, wenn der Patient sehr empfindlich ist und das wünscht.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Frau Dr. Grodde: Das hängt natürlich davon ab, von welcher Art von Therapie wir sprechen und was die Ursache für das „Nichtbefolgen“ ist. Ich erlebe selten den Fall, denn meine Patienten entscheiden sich ganz bewusst für die jeweilige Therapie und hatten genügend Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie haben üblicherweise selbst Interesse daran, dass die Behandlung zügig voranschreitet. Wenn es aber doch einmal vorkommt, dass beispielsweise Termine nicht eingehalten werden oder ich Skepsis bemerke, dann versuche ich im Gespräch herauszufinden, was die Beweggründe des Patienten sind, und Therapiealternativen zu finden, die den Patienten eher zusagen.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Frau Dr. Grodde: Ich wünsche mir Bürokratieabbau und eine andere Verteilung der zur Verfügung stehenden Gelder. Es ist unglaublich, wie viel Formulare heutzutage nötig sind, um Zähne vernünftig zu behandeln. Und was das Geld betrifft, so würde ich mehr Geld dafür benutzen, Krankheiten zu verhindern, als sie hinterher heilen zu müssen. Natürlich müssten Patienten auch zur Vorsorge noch mehr angehalten werden. In der Zahnmedizin ist das ganz klar der Wunsch nach einer Bezuschussung für Prophylaxe-Leistungen. Des Weiteren würde ich mir aber auch wünschen, dass generell unsere zahnärztliche Leistung von den Kassen besser honoriert würde. Wir als Zahnärzte geben immer höhere Summen für modernere, bessere Medizin aus, die Anforderungen an Hygiene und Qualität sind immens gestiegen und man braucht deutlich mehr Personal als früher, aber die Gebührenordnung spiegelt das in keinster Weise wieder. Es geht nicht darum, Reichtümer zu verdienen, sondern die anfallenden Kosten vernünftig widerzuspiegeln.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Frau Dr. Grodde: Ich glaube, Verbesserungspotential gibt es im Bereich „Empathie“, beim „Hineinversetzen“ in die Patientensituation. Patient wollen ernst genommen werden mit ihrer Angst, ihren Sorgen und Fragen. Wesentlich dabei ist, dass wir Ärzte uns genug Zeit für Patientengespräche nehmen, zuhören und auch in verständlicher Sprache mit dem Patienten reden. Das alles ermöglicht ein „Wohlfühlen“ des Patienten in der Praxis und schafft Vertrauen als Basis für eine gute Behandlung.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Frau Dr. Grodde: Ich habe mich in der letzten Zeit intensiv mit Verfahren für bessere Wurzelbehandlungen beschäftigt und fortgebildet und in diesem Bereich mehrere Veränderungen zur Qualitätssteigerung vorgenommen. Der wichtigste Punkt ist die Umstellung der Aufbereitung auf ein maschinelles Verfahren. Der Vorteil für den Patienten liegt darin, dass die Aufbereitung der Wurzelkanäle schneller geht und dabei trotzdem schonender und gründlicher ist als beim herkömmlichen Verfahren. Und darüber hinaus braucht man weniger Behandlungssitzungen. Des Weiteren erfolgt die Längenbestimmung der Wurzelkanäle nicht mehr nur röntgenologisch, sondern mit einem elektrischen Längenbestimmungsgerät, das in das Reziprok-Gerät integriert ist und permanent bei der Behandlung durch akustische Signale die korrekte Länge bei der Aufbereitung anzeigt. Dadurch werden die Kanäle bei der Wurzelbehandlung weder zu kurz, noch zu lang aufbereitet. Zur Abfüllung der Wurzelkanäle als Abschluss der Behandlung haben wir in der Praxis bereits ein Gerät zur thermoplastischen Füllung. Damit können wir die Kanäle dichter und zuverlässiger verschließen. Wir bilden uns gerade für diese Technik fort. Beim Röntgen arbeiten wir schon seit Bestehen der Praxis mit digitalen Verfahren, um zum einen weniger Strahlung beim Patienten anzuwenden, und zum anderen gleichzeitig eine bessere Qualität bei problemloser Reproduzierbarkeit zu gewährleisten. Das ist wichtig, wenn Patienten beispielsweise zu einem Kollegen oder einer Kollegin überwiesen werden. Wir können so bestimmte Dokumente per verschlüsselter E-Mail weiterleiten und müssen nicht unsere Originale aus der Hand geben, die eventuell verloren gehen. Seit 2010 haben wir in der Praxis die Möglichkeit, laserunterstützte Zahnmedizin anzubieten. Wir arbeiten mit einem Diodenlaser und setzen den Laser zur Unterstützung bei der Parodontaltherapie ein, um eine schnellere Wundheilung zu ermöglichen. Man kann den Laser aber ebenso zur Desensibilisierung empfindlicher Zahnhälse verwenden, zur Desinfektion von entzündeten Wurzelkanälen, in der Chirurgie, zur Behandlung von Aphten und beim Anfangsstadium von Herpes.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Frau Dr. Grodde: Ich erinnere mich sehr gut an einen Patienten, den ich vor mehr als 10 Jahren kennengelernt habe, als ich noch als angestellte Zahnärztin in einer anderen Praxis tätig war. Es handelte sich um einen Mann, der aus Angst vor dem Zahnarzt viele Jahre nicht in einer Praxis gewesen war. Er wirkte verschlossen, sprach und lächelte wenig und versteckte seine Mundpartie hinter einem ausgeprägten Bart. Die Zähne waren größtenteils zerstört und er schämte sich sehr wegen dieser Situation. In vielen kleinen Sitzungen reparierte ich damals die Zähne dieses Mannes, behandelte die Parodontose und versorgte ihn schließlich mit Zahnersatz. Von Woche zu Woche veränderte sich nicht nur die Mundsituation des Patienten, sondern der ganze Mensch blühte regelrecht auf. Die Körperhaltung änderte sich, der Mann lächelte und sprach wieder mehr und irgendwann kam er sogar ohne Bart in die Praxis. Der Patient wirkte deutlich jünger, war fröhlich und kaum wiederzuerkennen. Beim letzten Termin brachte er sogar seine Frau mit und beide bedankten sich für dieses komplett neue Lebensgefühl, das durch die Behandlung entstanden war. Ein normales „Sozialleben“ war nun wieder möglich, was vorher für den Patienten unvorstellbar gewesen war. Dieses Erlebnis war für mich so faszinierend und machte mich selbst so glücklich, dass ich damals schon den Entschluss fasste, einen Teil meiner beruflichen Tätigkeit wirklich den „Angstpatienten“ zu widmen, um diesen Menschen zu helfen. Mittlerweile habe ich ähnliche Verwandlungen schon unzählige Male erlebt und es erfüllt mich immer noch mit Freude.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Frau Dr. Grodde: Machen Sie sich unser Motto „ein Herz für Zähne“ zu Eigen und hegen und pflegen Sie Ihre Zähne! Kommen Sie regelmäßig zur Vorsorge und versuchen Sie, die Tipps der Prophylaxe-Fachfrauen zu Hause umzusetzen - Sie werden langfristig davon profitieren! Am glücklichsten machen mich am Ende die Patienten, die entspannt zu mir kommen und nichts brauchen, außer einer Kontrolle plus Prophylaxe und einem „wir müssen nichts behandeln, weiter so!’.
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