Team jameda
Da sitze ich nun im idyllischen Sauerland, die Zeitung vor der Nase und Fassungslosigkeit im Gemüt: Seit einigen Tagen ist die Zunft der Ärzte wieder einmal im Fokus spätsommerlicher Mediengewitter, diesmal wegen Korruptionsvorwürfen. Mit aufkeimendem Zorn lese ich, dass offensichtlich Ärzte dafür bezahlt wurden, dass sie Patienten in zahlungswillige Krankenhäuser einwiesen. Aber, allen Medienrummels zum Trotz, wurden bisher wenige Rösser und noch weniger Reiter genannt.
Beim Lesen der Vorwürfe ziehen Telefonate durch meinen Kopf, die ich, ähnlich wie folgt, regelmäßig mit meinen örtlichen Klinikkollegen führe: „Guten Tag, ich habe hier eine Patientin mit dekompensierter Herzinsuffizienz, die ich Ihnen einweisen möchte“. Schweigen am anderen Ende der Leitung: „Geht es ihr wirklich schlecht?“, kommt dann eine muffelige Antwort. Ich denke: „Wenn es ihr nicht schlecht ginge, würde ich sie in ihrem gemütlichen Zuhause lassen, Sie Schlaumeier!“. Aber natürlich sage ich das nicht so, sondern abgemildert: „Ja, sonst würde ich sie nicht einweisen wollen“. Weitere Pause, dann: „Wir sind aber eigentlich ziemlich voll! Haben Sie es schon im anderen Krankenhaus der Stadt versucht?“. Ich seufze: „Nein, denn die alte Dame hat hier ihr Zuhause und ihre Angehörigen“. Der Krankenhauskollege seufzt noch lauter: „Wollen sie nicht doch…“, aber nun unterbreche ich ihn: „Nein, ich will nicht dort anrufen! Mein Wartezimmer ist voll, der Patientin geht es schlecht, und ich habe keine Zeit für Telefon- Bittgänge. Ich schicke sie jetzt rüber!“. Kurz warte ich, ob Ernst zu nehmender Protest ausbricht. Als der ausfällt und nur ein entnervtes Gebrummel zurückkommt, lege ich schnell und erleichtert auf.
Oder: Ein älterer Patient hat diskrete neurologische Ausfälle, die abklärungsbedürftig sind, aber nicht so gravierend, dass man ihn einweisen müsste. Die niedergelassenen Neurologen gehen am Freitag um 11.30 schon nicht mehr ans Telefon. Auf Vorschlag des Patienten rufe ich im Krankenhaus an und frage nach einer Konsultation beim Chef, die der Patient dann privat bezahlen würde. „Der Chef macht gar keine Privatsprechstunde mehr“, sagt die Sekretärin bedauernd. „Die schafft er zeitlich einfach nicht!“. In dieser Zeitnot ist er gewiss nicht deswegen, weil er Korruptionswege sucht, mit denen er seine Betten füllen will.
Ich habe viele nette Krankenhauskolleginnen und –Kollegen, aber die meisten sind überlastet, entnervt und chronisch schlaflos. Darum kann ich ihnen brummige Dialoge nicht wirklich übel nehmen. Aber umso absurder scheint es mir, dass es offensichtlich Abteilungen gibt, in denen man sich Patienten einkaufen muss. Diese scheinen in einer anderen Welt zu existieren. Wo denn? In der Großstadt? In anderen Bundesländern? Dann ist die Politik gefordert, solche überflüssigen Betten abzubauen. In der Zwischenzeit möge man nicht wieder die ganze niedergelassene Ärzteschaft unter den Generalverdacht der Bestechlichkeit stellen!
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