Es geht mir doch gut

Wenn ich nicht allerlei Patienten hätte, die nur sporadisch in meiner Praxis auftauchten, dann hätte ich noch mehr Budgetprobleme. Denn ich erhalte für einen Patienten, der noch nicht als Rentner geführt wird, einen Pauschalbetrag von vierzig Euro im Quartal. Dafür kann er sich von mir so oft beraten und untersuchen lassen, wie er will… Ganz schön viel Service für so wenig Geld! Für Rentner gibt das Budget ein paar Euro mehr her, aber das reicht hinten und vorne nicht: Wer, wie viele von ihnen, auch nur zuckerkrank ist, braucht ja eine kontinuierliche Betreuung. Gut, dass es Leute gibt, die höchstens einmal im Quartal hereinschauen!

So sage ich zwar gern: „Bleib zu Hause, wenn es dir gut geht, und tauche nicht dauernd wegen Kleinigkeiten auf!“, aber ein bisschen Kontrolle muss natürlich sein. So habe ich jetzt einen jungen Mann angehalten, der gerade mit seinem Rezept aus der Praxis stürmen wollte. Seit zwei Jahren hat er sich nicht mehr zu einer Untersuchung angemeldet, obgleich er unter Bluthochdruck leidet. Ich erklärte ihm, dass ich wenigstens hin und wieder nachprüfen muss, ob die Werte im gesunden Bereich liegen, und ob die Dosis ausreicht. Auch eine Blutuntersuchung einmal im Jahr ist angeraten. Er stellte die übliche Frage: „Ja, warum denn aber, wenn es mir gut geht?“.

Er bekam die gleiche Antwort, die ich auch meinen Patienten mit erhöhtem Cholesterinspiegel in diesem Falle gebe: „Ihre Krankheit tut nicht weh, darum fehlen Alarmzeichen, wenn die Behandlung nicht mehr ausreicht“. Wenn aber Fettwerte und Blutdruck über Jahre leicht erhöht sind, schädigen sie die Adern nachhaltig. Das will ich verhindern, bevor Herzinfarkt oder Schlaganfall eindeutig dokumentieren, das etwas nicht stimmt!

Tatsächlich maß ich einen Blutdruck von 160/90, also eindeutig zu hoch. Vielleicht lag das an der milden Rüge, die ich dem Patienten erteilt hatte; vielleicht aber auch nicht. Denn seine Medikamenten-Dosis war für einen „gestandenen Kerl“ ganz schön niedrig. Wir einigten uns auf eine Langzeitblutdruckmessung über vierundzwanzig Stunden. Die wird uns zeigen, ob er auch weit entfernt von meinem weißen Kittel zu hohe Werte hat.

Meinem Gewissen ist nun Genüge getan, aber mein innerer Finanzminister klagt: „Jetzt kommt der Mann in diesem Quartal noch öfter!“. Aber das muss die Sorgfalt mir wert sein.

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