Team jameda
Wem ist nicht mulmig, wenn seine privaten medizinischen Daten von 2 Millionen Menschen in Deutschland gelesen werden können? So viele nämlich sind im Gesundheitswesen tätig, und noch viel mehr in Europa. Im Ausland sollen die Daten sogar ohne Eingeben der PIN-Nummer lesbar sein, um Behandlungen nicht zu verzögern. Wenn sich Computerspezialisten sogar in Pentagon-Rechner hacken können, werden die Schutzsysteme der zentralen Krankenkassenrechner kein Hindernis für sie darstellen. Ich warte schon auf den Moment, in dem in der Zeitung steht, dass unsere Kanzlerin Antidepressiva nimmt und ein Hinterbänkler unter Hämorrhoiden leidet. Aber ich halte ich es auch für wenig erstrebenswert, dass die Krankenkassen unsere Daten horten.
Als Hausärztin fürchte ich ganz andere Nebenwirkungen der E-Card. Das Ausstellen eines Rezeptes wird 20 Sekunden dauern, zuvor brauchte ich nur zwei für den Ausdruck. Woher sollen wir diese Zeit nehmen? Das Eingeben der PIN hat in den Testgebieten nicht nur alte Menschen zur Verzweiflung gebracht. Vielen ist es unmöglich, die sechsstellige Zahlenkombination in der vorgegebenen Zeit einzutippen, und so wurden im Testgebiet Flensburg 75 % der ausgegebenen Karten wegen falscher Eingaben gesperrt. Nun wird von erwogen, dem Arzt die Eingabe zu gestatten. Keine perfekte Lösung, da im Schleswig Holsteiner Feldversuch 30 % der Ärzte und Apotheker ihre eigenen Heilberufsausweise mit fehlerhafter PIN-Eingabe sperrten; 10 % so irreversibel, das neue Ausweise nötig wurden.
Die Elektrokarte wurde entwickelt, damit Kosten durch Doppeluntersuchungen eingespart werden. Ärzte und Patientenvertreter gehen von vielleicht 60 Millionen Euro aus, die Kosten der neuen Karte summieren sich auf 7 bis 10 Milliarden. Das aber interessiert die Krankenkassen nicht, weil wir Ärztinnen und Ärzte diese Kosten durch Anschaffung teurer Terminals schultern müssen. Wie bezahlen wir Lesegeräte und Einstellung neuer Arbeitskräfte für noch mehr Bürokratie?
Den Patienten wird weis gemacht, dass das Speichern ihrer Notfalldaten ihnen Sicherheit verspräche. Welcher Retter hat denn im Notfall ein Lesegerät dabei? Welcher Schwerverletzte oder Schlaganfall-Patient kann seine PIN-Nummer eingeben? Warum brauche ich für die Angaben von Allergien und Medikation einen elektronischen Ausweis, den im Notfall keiner lesen kann? Leichter zieht sich der alte blaue Allergiepass aus der Hosentasche. Die Medikation meiner Patientinnen und Patienten ändert sich oft: Sie nehmen mal Antibiotika, mal wird die Dosis eines Dauermedikamentes geändert oder eines ersetzt, gestrichen oder hinzugefügt. Wer soll das alles einpflegen? Meine jetzt schon überlasteten Mitarbeiterinnen vielleicht? Oder ich im Hausbesuch, den ich für 20 Euro erbringen muss?
Jetzt schon drängen die Krankenkassen ihre Mitglieder dazu, ihre gesamte Patientenakte elektronisch zu speichern. Ich kann davor nur warnen, denn die geht nur wenige etwas an. Zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen empfiehlt sich immer noch ein vertrauter Hausarzt, der als Lotse durch die Facharztwelt führt. Ich werde mich gegen die E-Card wehren, so lange ich kann.
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