Team jameda
Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellte jameda Dr. Seehofer interessante Fragen über kritische Patienten, Neuerungen in der Zahnmedizin und Defizite im Gesundheitssystem.
jameda: Herr Dr. Seehofer, was hat Sie motiviert, Arzt zu werden?
Herr Dr. Seehofer: Das „Basteln“ im Sinne von diffizilen Aufgaben und Feinmechanik verbunden mit der Leidenschaft für Naturwissenschaften in der Schule haben mich sehr bald auf den Berufswunsch „Zahnmediziner“ kommen lassen.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Dr. Seehofer: Noch vor wenigen Jahren waren die Zahnärzte froh, wenn Sie ihre Patienten schmerzfrei machen und vor weiteren Schäden bewahren konnten. Die neuen Techniken ermöglichen uns, heute weit mehr für unsere Patienten tun zu können. Ich möchte sogar noch weiter gehen: Heute können wir unsere Patienten „glücklich“ machen. Das liegt daran, dass wir heute mit minimal- bis noninvasiven Behandlungsmethoden die Zähne und das Zahnfleisch so gestalten können, dass jeder Patient, der es möchte, innerhalb kürzester Zeit, ein bezauberndes und strahlendes Lächeln bekommen kann.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Dr. Seehofer: Zahnärzte werden in den Medien gerne unsachlich dargestellt. Man kann Ihnen vieles „andichten“. Interessanterweise hat aber beinahe jeder Bundesbürger einen Zahnarzt und ist mit diesem auch sehr zufrieden. Dies haben zahlreiche Studien und Umfragen ergeben.
Folglich sind wohl die Vorurteile wie „zu teuer“, „Porschefahrer“, „Abzocker“, „Pfuscher“ wohl eher den vermeintlichen Meinungsmachern der Presse geschuldet. Meine Wahrnehmung der Kollegen ist da eine ganz andere:
So kenne ich Kollegen, die seit 30 Jahren in Doppelschichten von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr für ihre Patienten da sind und darüber hinaus am Wochenende dann auch den immensen Büroaufwand mit Kassen, Versicherern, Behörden, Kammern und Gutachten stemmen müssen.
In Anerkennung dieser Umstände rangieren die medizinischen Berufe dann in den Umfragen der bundesdeutschen Bevölkerung dann doch ganz weit oben in Sachen Engagement, Hilfsbereitschaft und Sorgfalt bei der Ausübung Ihres Berufes. Jedenfalls weit vor Journalisten, Politikern oder Bänkern.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Dr. Seehofer: Zuerst ist eine umfassende Aufklärung und Information des Patienten notwendig. Er muss die Diagnose genau verstanden und die (meist mehreren) Therapiemöglichkeiten verinnerlichen. Erst dann kann er (und nur er) sich frei entscheiden, was mit seinen Zähnen, seinem Zahnfleisch und Mund geschehen soll.
Der Zahnarzt muss ihn fachlich fundiert über alle Möglichkeiten und folgen aufklären. Auch wenn der Patient einmal einen anderen (kompromissbereiteren) Therapieweg wählt, als es der Mediziner favorisieren würde.
Auf diesem therapeutischen Weg hat ihn der Zahnarzt mit Hinwendung zu unterstützen und zu begleiten. Wichtig muss dem Behandler das Wohlergehen des Patienten sein und in Phasen der Zweifel oder Strapaziertheit muss er diesen moralisch unterstützen.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Herr Dr. Seehofer: Unsere Pflicht ist es, den Patienten nach rechtzeitiger Diagnose vollumfänglich über alle therapeutischen Möglichkeiten aufzuklären. Natürlich auch über die Folgen bei einer Unterlassung oder nicht konsequenten Umsetzung solcher Therapien oder Verhaltensmaßnahmen.
Remotivation des Patienten durch den Zahnarzt und seine Assistentinnen ist dabei von entscheidender Bedeutung. So erreichen wir in der Regel auch immer das gewünschte Behandlungsziel.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Dr. Seehofer: Unser Gesundheitswesen ist Vorbild in der Welt. Die Leistungsfähigkeit der deutschen Medizin Weltspitze. Unsere Politik erkennt dies nur ansatzweise und versucht dem System immer wieder den finanziellen Unterbau zu schwächen und Mittel zu entziehen.
Fortschritt gibt es nur in einem prosperierenden Verbund. In Japan, der Schweiz und den USA befinden sich die weltweiten Hotspots der Forschung und Entwicklung, weil Hochleistungsmedizin nachgefragt, zugelassen und honoriert wird.
Daher mehr Transparenz ins Gesundheitssystem: Kostenerstattung für gesetzlich Versicherte.
Und wie bei allen Beamten: einen jährlichen Inflationsausgleich für alle Leistungen. Dies passiert bei uns alle 24 Jahre und dann nicht einmal konsequent. Dieses Problem haben selbst auch die Richter in Deutschland mit ihrer Obrigkeit.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Dr. Seehofer: Technisch und medizinisch sind wir Weltklasse in Deutschland.
Die emotionale Intelligenz der Ärzte sollte sich noch weiterentwickeln. Einfühlungsvermögen, Empathie und vor allem Zeit für die Hinwendung zum Patienten für Gespräche, Informationen und – warum nicht – etwas Plauderei kommen vielerorts zu kurz. Das rigide Vergütungskonzept der Kassen und Versicherungen mit den vielerlei zu erfüllenden Zeitvorgaben, Intervallausschlüssen etc. steht dem entgegen.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Dr. Seehofer: Durch weltweite Fort- und Weiterbildung im Übermaß sind meine Kollegen und ich immer am „Puls der Zeit“ und für alle Innovationen, sofern sie von Dauer sind, offen. Diese werden dann auch baldmöglichst in den laufenden Praxisbetrieb integiert. Hier einige Beispiele der letzten Zeit:
CALAJECT – eine ganz schonende, so gut wie schmerzfreie Injektionstechnik, bei der ganz sanft und mikroprozessorgesteuert der Zahn genau dosiert betäubt wird.
VISTA PROOF – ein neues Durchlichtverfahren zur röntgenstrahlenfreien Kariesdiagnostik.
MINI IMPLANTATE – kleinere Implantate, die z.T. ohne große Schnittführungen gleich durch das Zahnfleisch ganz schonend eingebracht werden können.
KONTAKTLINSEN VENEERS - hauchdünne (0.3mm) Keramikschalen, mit denen man, teilweise ohne die Zähne überhaupt anzuschleifen, superschöne, natürlich weiße Zähne und ein zauberhaftes Lächeln in wenigen Tagen erreichen kann.
LASER – „die sanfte Kraft des Lichtes“ kann in vielen Bereichen der Zahnmedizin, besonders auch in der Kinderzahnheilkunde, wahre „Wunder“ bewirken.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Dr. Seehofer: Ja sicher, wie wohl in jeder Praxis. Und da nicht nur einen – sowohl im positiven, wie auch im negativen Sinne.
Aktuell kann ich mich an eine unserer Patientinnen erinnern, die sich beim Anblick der frisch von uns eingesetzten Frontzahnveneers so freuen konnte, dass sie in Tränen der Rührung ausbrach.
Wir waren dankbar für so viel Anerkennung!
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Dr. Seehofer: „Du bist, was du isst!“ heißt es in einem Sprichwort. Für uns ist die Ernährung erst einmal mit ihren Auswirkungen auf die Zähne und den gesamten Mund entscheidend.
Zucker war früher einmal ein „Gewürz“ und sollte auch in einer solchen Dosierung verwendet werden. Der Bundesbürger verbraucht aber an die 50 kg pro Jahr und Kopf – das würde er mit Pfeffer oder Kümmel niemals schaffen. Also hat sich hier ein Missverhältnis eingeschlichen.
Alle anderen, von der Lebensmittelindustrie im trendkonformen „food design“ verfremdet hergestellten Nahrungsmittel fordern unser Kausystem auch nicht mehr richtig. Sie sind zwar schnell aufgewärmt und entsprechen vielleicht dem Zeitgeist, aber nicht mehr unserem über Jahrmillionen evolutionierten Verdauungssystem. Und das nimmt dauerhaft Schaden! In meinem Fachbereich beginnt es im Mund aber es setzt sich im gesamten Magen-Darm-Trakt fort.
Der Darmkrebs hat von allen Krebsarten die relativ höchsten Zuwachsraten und das kommt nicht von ungefähr!
Zur Person
Dr. Seehofer wurde in München geboren und studierte an der Albert-Ludwig-Universität zu Freiburg im Breisgau. Nach dem Staatsexamen und der Promotion war er bei der Bundeswehr als Oberfeldarzt d.R. tätig. Er absolvierte Auslandspraktika und über 100 Fort- und Weiterbildungen in ganz Europa und den USA.
Zur Praxis
Die Zahnarztpraxis Dr. Seehofer besteht seit 1958 und wurde von Dr. Peter Seehofer 1987 übernommen. Seit der Übernahme 1987 wurde die Praxis kontinuierlich erweitert und den neuesten technischen Gegebenheiten angepasst. 2014 wurden die Fachbereiche Oralchirurgie, Kinderzahnheilkunde, Kieferorthopädie und CMD mit kompetenten Konsiliarärzten besetzt.
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