Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellte jameda Dr. Krieg interessante Fragen über kritische Patienten, Neuerungen in der Frauenheilkunde und Defizite im Gesundheitssystem.
jameda: Herr Dr. Krieg, was hat sie motiviert, Frauenarzt zu werden?
Herr Dr. Krieg: Ich finde Frauenheilkunde das absolut spannendste und faszinierendste Fach in der gesamten Medizin. Nirgendwo sonst findet man diese Vielfalt und Komplexität. Wo finden Sie diese Intensität im Zusammenspiel mit Körper und Geist – diese psychosomatische Dynamik? Für mich gibt es definitiv kein schöneres und großartigeres Fach als Frauenheilkunde! Jeden Tag bin ich aufs Neue fasziniert vom Fach und meinen Patientinnen.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Dr. Krieg: Am meisten Freude macht mir die Begegnung mit immer neuen Menschen. Immer wieder bietet sich ein spannendes Bild mit immer neuen Facetten des persönlichen Lebens. Deshalb lege ich auch so viel Wert auf das Gespräch, auf das Mitfühlen und auf den persönlichen Kontakt. Wenn man merkt, dass dieses Miteinander funktioniert, ist dies das schönste Gefühl, das es gibt.
Die größte Herausforderung ist es, nicht gleichgültig zu werden, nicht in seiner Routine unter zu gehen und zu glauben die Patienten seien für mich da. Das ist die größte Herausforderung - wie immer im Leben - es ist immer der Kampf mit der eigenen Bequemlichkeit! Man darf dem nie nachgeben – sonst verliert man jeden Kontrakt zu den Patienten und ist eigentlich keine Hilfe mehr – auch wenn man ein noch so guter Theoretiker oder Techniker ist!
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Dr. Krieg: Zu den Vorurteilen gehört natürlich an erster Stelle: „Ein Mann versteht das eh nicht!“ Ich denke diesem Vorurteil kann man(n) am besten durch eine offene Art und durch das Zeigen eigener Gefühle begegnen – es kann sein, dass ich als Mann einige Dinge nicht nachfühlen kann – aber ich kann es verstehen und Gefühle respektieren sowie Rücksicht darauf nehmen. Und ich behaupte jetzt einfach, dass dadurch vielleicht sogar mehr Empathie und rücksichtsvolleres Handeln resultieren, als dies von gleichgeschlechtlichen Therapeutinnen manchmal gezeigt wird.
Bei uns in der Reproduktionsmedizin finden aber oft die Männer es sehr entlastend, wenn ein Mann als Therapeut da ist. Denn gerade die männliche Kommunikationsmöglichkeit ist häufig eingeengt, wenn es um private und intime Bereiche und die Gefühlswelt geht. Hier ist es oft hilfreich, den männlichen Standpunkt zu verstehen und entsprechende Worte zur Verständigung mit der Partnerin zu finden. Ansonsten fühlen sich die Männer doch oft sehr erschlagen in einer Frauenarztpraxis!
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Dr. Krieg: Mit raten ist es hier nicht getan! Man muss die Therapie und ihre Ziele immer wieder neu darstellen und besprechen. Letztlich wird der Patient nur durchhalten, wenn er versteht, warum er die Therapie auf sich nimmt und was es ihm bringt.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Herr Dr. Krieg: Offen ansprechen und Gründe für die Abweichung erfragen. Der Argumentation zuhören und evtl. Bedenken und Ängste ansprechen. Auf keinem Fall beleidigt sein! Letztlich ist immer der Patient für sein Handeln verantwortlich – er muss mit seinen Ängsten und Vorbehalten zurechtkommen. Und letztlich muss auch der Patient mit den Konsequenzen umgehen, die durch eine Nicht-Einnahme entstehen. Ich sehe einen Therapieplan daher eher als Vorschlag – der kann angenommen werden oder nicht.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Dr. Krieg: Kinderwunschbehandlung wäre dann wieder komplett Kassenleistung! Es müsste mehr lokale Absprachemöglichkeiten zwischen Kassen und Ärzten geben. Dem ärztlichen Gespräch müsste wieder mehr Beachtung geschenkt werden – derzeit wird reden nicht honoriert – daher wird es auch nicht mehr praktiziert.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Dr. Krieg: In der Gesprächskultur und im eigenen Zurücknehmen liegt noch vieles im Argen. Mediziner sollten sich nicht so wichtig nehmen – letztlich sind wir Dienstleister und Berater. Wir können und sollten niemanden zum Glück zwingen. Außerdem bräuchte es häufiger mehr Gelassenheit – nicht zu verwechseln mit Gleichgültigkeit.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Dr. Krieg: Ja – insbesondere im Bereich Zellkultivierung hat sich viel getan. Um das Zellwachstum richtig beurteilen zu können und somit schon frühzeitig das Entwicklungspotenzial abschätzen zu können, wurde ein spezieller Brutkasten mit integrierter Kamera entwickelt. Somit wird die Überwachung der Zelle möglich, ohne dabei die Kultivierung zu unterbrechen. Das sogenannte „Embryoscope“ hat uns in der Praxis überzeugt – wir haben gleich zwei dieser Brutkästen angeschafft, um wirklich möglichst allen Patienten die Möglichkeit dieser neuen Technik anbieten zu können.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Dr. Krieg: Mit Sicherheit werde ich mich immer an das Gefühl und die Patientin erinnern, bei der, nach Durchführung unserer ersten künstlichen Befruchtung, tatsächlich eine Schwangerschaft entstanden ist. Die Zelle unbefruchtet gesehen zu haben und dann die Befruchtung erlebt, die Entwicklung im Brustkasten verfolgt zu haben und letztlich einen Feten zu sehen – mit Herzaktion und eigenen Bewegungen, das ist schlicht unvergesslich.
Das Zweite, was mich geprägt hat, war eine Patientin, die nach erfolgreicher Schwangerschaft mit erneutem Kinderwunsch zu mir kam. Man würde annehmen der Leidensdruck wäre jetzt nicht mehr so groß, da sie ja schon ein Kind hat. Aber sie meinte es würde viel mehr schmerzen, wenn es sich dann nicht nochmals erfüllt, weil man weiß, wie schön es ist ein Kind beim Aufwachsen zu erleben! Dies hat mir wirklich bewusst gemacht, dass das Leiden wegen eines Kinderwunsches nicht ein Frage der schon vorhandenen Kinder ist, sondern eine Frage der aktuellen Lebenssituation. Und das hat mir eine gewisse Demut beigebracht, auch Sorgen und Nöte ernst zu nehmen, die man objektiv nicht sofort nachempfinden kann. Es gibt keine Objektivität im Bereich Gefühle, Ängste und Sorgen!
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Dr. Krieg: Gesundheit nicht ideologisieren und stets sein Tun reflektieren. Das Leben genießen und bei allem was man tut – Nichts übertreiben.
Zur Praxis
Wir sind eine sehr patientenorientierte Praxis, die durch ein hohes Maß an Flexibilität und Kompetenz den Anforderungen der Patienten gerecht wird. Mit dem Leitsatz „Vertrauen verbindet “ begegnen wir täglich unseren Patienten, Kollegen und Partnern rund ums Gesundheitswesen. Dies schafft eine sehr gute Zusammenarbeit und ein wunderbares Klima in unserer Praxis.
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