Team jameda
In der Regel sind das Auslöser, die dann für die Ursache gehalten werden. Das ist etwas, was wohl für einen normal denkenden Menschen sehr schwer nachzuvollziehen ist.
Es werden normale Reaktionen auf unangenehme oder schlimme Ereignisse in der Wahrnehmung der Menschen verwechselt mit Symptomen von Krankheiten, die ihre eigenen Gesetze haben.
Denn wie kann meine Stimmung schon gut sein, wenn z. B. in der Familie etwas schlimmes passierte, oder wieso darf mich das nicht traurig machen, wenn ich in einem anderen Land zunächst einmal sprachlich gehindert bin, mich differenziert auszudrucken. Kann der Arzt das nicht etwa nachvollziehen?!
Eine normale, selbst eine sehr tiefe, Traurigkeit ist nicht gleich eine Depression.
Eine normale Angst ist nicht gleich eine Angsterkrankung.
Normales Herzrasen oder Atemnotgefühl oder gering erhöhter arterieller Blutdruck bei Aufregung sind nicht gleich Herzrhythmusstörung, Asthma oder arterielle Hypertonie u.s.w.
Aber auch umgekehrt: Wenn ein Arzt eine Depression diagnostiziert, dann ist das viel mehr, als eine tiefe Traurigkeit, selbst wenn alles angefangen hat nachdem etwas schlimmes passierte. Danach bedeutet nicht deswegen. Denn bei Depression kann man nicht die gesamte eben depressive Stimmung mit den sichtbaren belastenden Ereignissen erklären, auch wenn das sehr danach aussieht.
Wenn beispielsweise nach dem Verlust eines nahe stehenden geliebten Menschen die Stimmung nach, na sagen wir mal, einigen Monaten – einem Jahr nicht allmählich besser wird und der Mensch immer weiter sich zurück zieht, immer weiniger Interesse am Leben hat, seine Initiative verliert etc., wenn also der Zustand sich eher Verschlechtert statt dass er sich bessert, dann muss man an Depression denken.
Bei der Traurigkeit liegt die Ursache im nachvollziehbaren zeitlichen Zusammenhang mehr im hier und jetzt. Bei Depression liegen die Ursachen vielmehr in der Vergangenheit, sind für einen normal denkenden Menschen nicht zugänglich, da verdrängt, unbewusst, nicht vorhanden und somit nicht nachvollziehbar, eben ‘grundlos’. Da die Menschen es sehr schwer verkraften, die Ursachen nicht zu kennen und unbedingt eine Erklärung haben wollen, wird gerne (oder eher ungern, sondern notgedrungen) das nächste belastende Ereignis zur Ursache erklärt. Und so vergeht Zeit, oft Jahre, die für die angemessene Behandlung verloren gehen und die Krankheit fortschreitet.
Hier noch einmal: Nicht jede Stimmungsschwankung ist gleich eine Depression! Aber auch nicht jede, auf den ersten Blick ‘verständliche’ tiefe Stimmungslage, ist eine einfache Traurigkeit, sondern kann eine behandlungsbedürftige Depression sein.
Dieser meine Beitrag, wie auch die anderen von mir, sind keine Anleitung zur Selbstdiagnose oder gar zur Selbstbehandlung! Diagnosestellung und Behandlung von Krankheiten war schon immer, ist, und wird immer die Aufgabe eines erfahrenen Arztes bleiben!
Ich verstehe meine Beiträge auch nicht als eine fundamentale Berichterstattung, sondern als Denkanstoß und will auf das jeweilige aktuelle Thema sensibilisieren und soweit aufklären, dass einerseits die Komplexität der Problematik bewusst wird, andererseits, dass beim richtigen Therapieansatz eine zufrieden stellende Lösung durchaus möglich ist.
Freundliche Grüße,
W. Peters
Psychiater und Psychotherapeut aus Köln.
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