Artikel 23/06/2017

Das jameda-Interview: 10 Fragen an Frau Dr. Stoltenburg

Team jameda
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Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Frau Dr. Stoltenburg interessante Fragen zu Ihren Erfahrungen als Zahnärztin.

jameda: Frau Dr. Stoltenburg, was hat sie motiviert, Zahnarzt zu werden?

Frau Dr. Stoltenburg: Über ein Praktikum in einer Privatpraxis mit einem eigenem Labor bin ich inspiriert worden. Es war ein kleines anerkanntes Familienunternehmen. Am meisten faszinierte mich der Zahnarzt, der nicht nur am Patientenstuhl arbeitete, sondern auch die gesamte Zahntechnik für den Patienten herstellte. Heute ist so etwas kaum noch vorstellbar, aber zu damaligen Zeiten waren das Eindrücke genug, mich letztendlich für das Studium der Zahnmedizin zu begeistern.

jameda: Was macht ihnen im Praxisalltag am meisten Freude und wo sehen sie die größte Herausforderung?

Frau Dr. Stoltenburg: Die größte Herausforderung ist, die Statik, Funktion und Ästhetik in einem Gebiss wiederherzustellen, egal, ob sich der Patient für ein oder mehrere Implantate entscheidet.

Das Wichtigste ist für mich, die Persönlichkeitsstruktur eines jeden Patienten richtig zu erkennen, um ihm bestmögliche Informationen zu geben. Sobald ich überzeugt bin, dass ein Patient mich nicht nur “ausfragt“, sondern alles hinterfragt, weil er ein ernstes Problem und reale Absichten hat, werde ich natürlich professionell und leidenschaftlich auf seine Belange eingehen.

jameda: Welchen Vorurteilen begegnen sie häufig in ihrer Praxis?

Frau Dr. Stoltenburg: Das größte Vorurteil ist die “Angst“, ein Implantat heilt nicht ein. Prinzipiell kann ich nicht nur aus Erfahrung heraus, sondern aufgrund wissenschaftlicher Studien sagen, dass das Risiko mehr als gering ist, wenn prä- und postoperativ die Regeln der ärztlichen Kunst, sowie die Anweisungen und Compliance des Patienten eingehalten werden.

Eine weitere Verunsicherung sind “Bedenken“, dass ein Patient mit unüberschaubaren hohen Kosten konfrontiert wird. Aber auch dieses Vorurteil kann ich entkräften. Laut Patientenrechtegesetz muss ich als Arzt prinzipiell vor Behandlungsbeginn schriftlich über voraussichtliche Kosten und Alternativen aufklären.

jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten sie Patienten in solchen Situationen?

Frau Dr. Stoltenburg: Auf unserem Gebiet müssen tagtäglich Zähne extrahiert werden, die einen extremen Knochenschwund hinterlassen. Dieser Knochenverlust muss durch aufwändige Augmentationsverfahren ausgeglichen werden, um Implantate für eine spätere Versorgung stabil verankern zu können.

Alle Augmentationsverfahren erfordern jedoch eine entsprechende Einheilzeit. Je kürzer die Einheilzeit, desto unangenehmer die Verfahren, da dafür der körpereigene Knochen verwendet wird. Verwendet man hingegen synthetische bzw. tierische Materialien, verlängert sich die Einheilzeit, allerdings ist die postoperative Symptomatik geringer.

jameda: Wie reagieren sie, wenn sie merken, dass ein Patient ihren Therapieplan nicht befolgt?

Frau Dr. Stoltenburg: Hat der Patient sich für eine Implantation entschieden und durchführen lassen, hält aber postoperativ den Therapieplan nicht ein, so muss er die eventuell daraus entstehenden Konsequenzen selbst verantworten. Ich selbst kann den Patienten immer nur so lange motivieren, wie er auch meine Sprechstunde aufsucht. Bricht der Patient aus vielerlei Gründen die Nachsorge ab,  so könnte das auf dem Gebiet der Implantologie sehr nachteilig enden.

jameda: Wenn sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden sie als erstes tun?

Frau Dr. Stoltenburg: Eine einheitliche Gebührenordnung für Kassen- und Privatpatienten wäre für mich die sinnvollste Lösung, um das komplizierte Abrechnungssystem zu vereinfachen. Die Zeit, die dadurch frei wird, könnte ich sinnvoll zu Gunsten des Patienten einsetzen.

Kinder und Jugendliche sollten prinzipiell frei von Zuzahlungen sein, wenn es sich um sinnvolle und nachvollziehbare medizinische Indikationen handelt.

Meiner Meinung nach wäre der “unlautere Wettbewerb“ abzuschaffen, der durch die Krankenkassen zwischen Arzt und Patient geschürt wird. Der Patient weiß heute selbst sehr genau, zu welchem Arzt er Vertrauen haben kann, dazu braucht er kein formloses Schreiben der Krankenkasse.

jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?

Frau Dr. Stoltenburg: Perfektion zu 100 Prozent wird in der Regel keiner von uns erreichen können, aber vielmehr geht es nach besten Wissen und Gewissen die Perfektion anzustreben.

Wer von uns Zahnärzten implantiert, sollte sich wenigstens als Grundvoraussetzung in anerkannten implantologischen Gesellschaften zum “Master of Science“ graduieren und sich zusätzlich über Fortbildungsveranstaltungen ausreichend spezialisieren lassen.

jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die sie in ihrer Praxis anwenden.

Frau Dr. Stoltenburg: Die digitale Welt ist heute auch auf dem Gebiet der Zahnmedizin nicht mehr wegzudenken. Auf dem Gebiet der Implantologie brauche ich jedoch für mein Können und den Erfolg nicht zwingend das Highlight an Technik, sondern ich brauche meinen Kopf und meine Fingerfertigkeit, um implantieren und augmentieren zu können.

Um letztendlich meine Implantate auf höchstem Niveau versorgen zu können, leiste ich mir eine hochmoderne, auf Implantatprothetik spezialisierte Zahntechnik. Die Qualität einer im Labor gefertigten Krone ist nach wie vor unumstritten. Die digitale Fertigung von Zahnersatz über die Zahntechnik gibt mir den Freiraum, den qualitativ hohen Anforderungen gerecht zu werden.

jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in ihrer Praxis, dass sie nie vergessen werden?

Frau Dr. Stoltenburg: Schon in den frühesten Anfängen meiner Ausbildung war es eine der schrecklichsten zahnmedizinischen Behandlungsvarianten, die ich in der Kinderzahnheilkunde und Kieferorthopädie kennengelernt habe, wenn ich einen bleibenden Zahn für einen Lückenschluss ziehen musste. Umso glücklicher macht es mich heute, dass sich das Gebiet der Implantologie in der Zahnmedizin so rasant weiterentwickelt hat, dass man die Möglichkeit des “Implantierens“ mit guten Gewissen anpreisen kann. Die Implantologie ist aus dem Praxisalltag einfach nicht mehr wegzudenken.

jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?

Frau Dr. Stoltenburg:

  1. „Schon im Kindermund beginnt ästhetisch und gesund“
  2. „Zahnerhaltung hat Priorität vor Implantatgestaltung“,jedoch nicht Zahnerhaltung um jeden Preis.
  3. „Implantate brauchen Knochen und Weichgewebe“

Wissenschaftliche Studien belegen, dass „stark erkrankte Zähne“ nicht zu spät entfernt werden sollten. Nur dadurch kann Knochenverlust  vermieden werden, der für die Implantation zwingend notwendig ist.

Grundsätzlich kann ich empfehlen, dass Recalluntersuchungen und Dispensairebetreuung unerlässlich sind, um Zähne und Implantate auf Dauer erfolgreich “gesund“ zu erhalten.

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