Millionen unserer Patienten sind an Bluthochdruck erkrankt. Die meisten werden wird mit ACE-Hemmern wie Ramipril oder Lisinopril oder aber Sartanen, sogenannten AT1-Rezeptor-Blockern, wie Valsartan oder Candesartan, behandelt.
Diese beiden Medikamentenklassen werden als sogenannte RAAS-Blocker (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System-Blocker) bezeichnet.
Jüngste Beiträge in der Laienpresse aber auch in medizinischen Publikationen haben für Unsicherheit gesorgt. Sie verunsichern bei der Frage, ob Patienten, die diese Medikamente nehmen, häufiger oder schwerer an einer Coronavirusinfektion erkranken. Daher ist es sinnvoll, diesen Aspekt aufzugreifen und zu klären.
In der derzeit größten Fallstudie aus China hinsichtlich der Covid-19- oder SARS-CoV-2-Pandemie war der arterielle Blutdruck die häufigste Begleiterkrankung der Patienten mit einer registrierten Häufigkeit von ca. 15 %.
Es wird angenommen, dass Patienten, welche Begleiterkrankungen wie eine arterielle Hypertonie haben, eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen erschwerten Krankheitsverlauf bezüglich dieser Viruserkrankung haben.
Allerdings nimmt man an, dass in China nur etwa 40 % der Patienten mit Bluthochdruck tatsächlich medikamentös behandelt werden, wovon ca. 25 bis 30 % mit RAAS-Blockern therapiert sind.
RAAS-Blocker führen u. a. zu einer Hochregulation von ACE2, einem Enzym, das über bestimmte Effekte hilft, den Blutdruck zu senken. Hierzu gehören Effekte, die gegen eine Vasokonstriktion, also das Engerstellen arterieller Gefäße, gegen die Natriumretention im Körper sowie gegen Fibrose, also vermehrter Bildung und Ansammlung von Bindegewebe in verschiedenen Organen, gerichtet sind.
ACE2 kommt in vielen Geweben vor, unter anderem dem Herz und der Niere, aber auch in den Zielzellen für Covid-19 und in Epithelzellen der Lunge.
Der genaue Zusammenhang zwischen RAAS-Blockern und der ACE2-Regulation ist derzeit in vielen Facetten noch nicht genau bekannt.
Covid-19 scheint nicht nur durch ACE2 in Zellen zu gelangen, sondern führt auch zu dessen Herunterregulation, so dass ACE2 nicht mehr seine organschützenden Effekte entfalten kann. Im Mausmodell konnte mit dem eng verwandten SARS-CoV-1-Virus gezeigt werden, dass eine RAAS-Blockade den akuten lungenschädigenden Effekten des Virus entgegenwirken kann.
ACE2 hat ebenso eine etablierte Rolle beim Schutz des Herzens nach einer Herzschädigung bzw. bei einer entzündlichen Herzerkrankung. Bei 35 % der Patienten, die an SARS gestorben waren, konnte der Virus aus dem Herzmuskel isoliert werden. Zudem waren die ACE2-Konzentrationen im Herzgewebe vermindert.
Daher wurde am Menschen kürzlich eine Phase-2-Studie über die Wirksamkeit von ACE2 bei einer SARS-Infektion gestartet. Es liegen aber noch keine verlässlichen Ergebnisse vor. Wie bereits beschrieben, führen auch RAAS-Blocker für die Blutdrucksenkung zur Hochregulation des organprotektiven ACE2.
Was leiten wir anhand der aktuellen Erkenntnisse für die klinische Behandlung von Patienten mit RAAS-Blockern ab?
Dieses Vorgehen wird von allen wesentlichen Fachorganisationen empfohlen.
Es gibt derzeit also keinen Grund bei nicht infizierten oder stabilen infizierten Patienten RAAS-Blocker abzusetzen. Im Gegenteil, abruptes Absetzen ohne medizinische Indikation könnte zu einer Verschlechterung der Gesundheit von Patienten führen.
Allen Interessierten empfehle ich den Artikel von Vaduganathan, M. und Kollegen, der im New England Journal of Medicine, der weltweit führenden medizinischen Fachzeitschrift, veröffentlicht wurde.
Die Covid-19-Pandemie und insbesondere die Diskussion um therapeutische Optionen verdeutlicht einmal mehr die besondere Wichtigkeit der seriösen medizinischen Forschung sowie der evidenzbasierten Medizin. Ohne sie könnten wir so wichtige Fragen nicht nachhaltig beantworten.
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