Der jameda-Arzttipp erklärt alles, was Sie über Colostrum wissen sollten.
Zu unterscheiden sind zwingend das natürliche mütterliche Colostrum und das als Produkt verarbeitete Colostrum.
Colostrum-Präparate sind keine Arzneimittel, sondern gelten als Lebensmittel. Es handelt sich allerdings um Lebensmittel mit einem außerordentlich hohen Arzneimittelcharakter. Synonym werden auch die Bezeichnungen Biestmilch und Vormilch benutzt.
Das natürliche Colostrum ist ein hochkarätiger Cocktail aus ca. drei Dutzend verschiedenen Immunfaktoren, diversen Vitaminen und Mineralstoffen und auch diversen Abwehrzellen. Es sind u. a. sämtliche fünf Immunglobuline IGA, IGM, IGE, IGG und IGD. Die Qualitätskriterien eines Colostrums sind schwer festzumachen. Am Bespiel des Kuhcolostrums lässt sich das am besten verdeutlichen.
Ein Kalb wird immunologisch schutzlos geboren, weil die Immunglobuline bei den Huftieren nicht plazentagängig sind (Larson et al.1980). Durch das mütterliche IGG im Colostrum wird im neugeborenen Kalb die eigene Immunglobulinproduktion angeregt. Alle erwachsenen Säugetiere, einschließlich Menschen, haben über diesen Induktionsmechanismus eigene Immunglobuline über die körpereigenen B-Lymphozyten gebildet.
Der IGG-Gehalt boviner Herkunft eines Colostrums für das Kalb muss auf jeden Fall anders bewertet werden als bei den Menschen. Für das Kalb ist im Muttertier die immunologische Ausrüstung angelegt und die IGG-Konzentration von allergrößter Bedeutung. Die Qualität eines Colostrums ist von sehr vielen Faktoren abhängig. Allein von einer Weidenregion zur anderen können gravierende Unterschiede bestehen.
Die Colostralmilch vieler Kühe wird gepoolt. Daher ist natürlich die Poolqualität einer sehr großen Herde von ein und derselben Farm als besser einzustufen als die von kleinen Farmen (Bauern), die ihre Colostralmilch in einen Pool geben.
Viele Kälber müssen wegen der Unterversorgung mit mütterlichem IGG mit Colostrum zugefüttert werden. Der kontinuierliche Verlust an Immunglobulinen beginnt schon zwei Stunden nach der Geburt. Die Colostralmilch, welche zugefüttert wird, muss auch keimfrei sein. Um eine Keimfreiheit zu erreichen, gibt es zwei unterschiedliche Verfahren, die per Hygienevorschrift international geregelt ist.
Beide Verfahren gelten für die Zufütterung des Kalbes wie auch bei der Produktherstellung.
So funktioniert die Kaltsterilisation
Zunächst ist da die einfache und sehr praktikable Kaltsterilisation, die kaum großen technischen Aufwand beim Bauern oder Farmer erfordert. Denn die frische Colostralmilch wird vom Fett getrennt und durch Labenzym eine Molke gewonnen. Das so gewonnene Reincolostrum soll sofort tiegefroren werden.
Hinsichtlich eines Qualitätsverlustes spielt der Zeitfaktor beim Bauern natürlich auch eine große Rolle. Es gilt die Devise „sofort heißt sofort“ und nicht wie es der Tagesablauf gerade zulässt. Die tiefgefrorenen und keimfrei gemachten Kunststoffbeutel werden eingesammelt.
Bei der Fabrikation wird der gefrorene Inhalt durch Eiscrashing aufgetaut. Durch Kaskadenfiltration mit immer kleinerer Porengröße werden die meisten krankhaften Keime abgefangen. Die Gesamtkeimzahl wird auf Unbedenklichkeit reduziert und dann gepoolt. Holloway et al. (2001) konnten zeigen, dass der Gehalt an IGG und an deren Absorption nicht negativ beeinflusst wird, wenn sie tiefgefroren werden. Auch dann nicht, wenn sie in der Mikrowelle oder im Wasserbad aufgetaut werden.
Was ist eine Flash-Pasteurisierung?
Die Flash-Pasteurisierung ist ein weiteres Sterilisationsverfahren, mit dem Milchbauern eine Keimfreiheit erreichen können. Sie ist eines von mehreren zweckgerichteten unterschiedlichen Pasteurisierungsverfahren.
Hierbei wird die Colostralmilch 15 Sekunden auf 60-72 Grad Celsius kurz erhitzt. Allerdings gibt es auf dem Colostrum-Markt einen Konkurrenzkampf unter den Firmen. Deswegen wird bei diesem Verfahren vornehmlich unterstellt, dass die Immunglobuline (bes. das IGG) diesen kurzen thermischen Eingriff nicht überstehen.
Bessert et al. (1991) konnte nachweisen, dass 61 % einer großen Zahl säugender Kälber mit Immunglobulinen unterversorgt waren und zugefüttert werden mussten. Eine Erhitzung (60 Grad Celsius für 60 Min) des Colostrums zur Keimreduktion führte zu keiner Veränderung des IGG- Gehaltes und der Zähflüssigkeit.
Die Kälber hatten nach 24 Stunden sogar eine signifikant höhere Serumprotein- und IGG-Konzentration. Auch der Gehalt von IGA und IGM und verschiedenen Vitaminen und anderen Blutparameter werden durch dieses Erhitzen nicht beeinflusst (Johanson et al.2001, Donahue et al. 2012). Es lässt sich jedoch feststellen, dass der Nachweis eines IGG-Gehalts im frischen Colostrum ein indirekter Nachweis ist.
Ein hoher IGG-Gehalt wird mit einer hohen Viskosität des Colostrums gleichgesetzt. Aber auch hier gibt es sehr unterschiedliche Messverfahren mit z. T. unterschiedlichen Ergebnissen (Brix-Refraktometer, Colostrometer, Auslauftrichter). Letzterer wird am meisten in der Landwirtschaft eingesetzt. Die rein optische Beurteilung der Viskosität ist zu subjektiv.
Handelsübliche Colostrumpräparate werden nach einem der beiden vorgenannten Hygienevorschriften hergestellt. Das Kaltsterilisationsverfahren ist vorwiegend in Europa verbreitet. Das scheint wegen vieler kleiner Herden vieler Bauern aber eher ein logistisches Problem zu sein als ein wissenschaftliches. Seit einigen Jahren gibt es nach dem gewaltigen BSE-Skandal in Deutschland, Österreich und Dänemark wieder Colostralmilch auf dem Markt.
Die meisten europäischen Produkte werden fast alle der Kaltsterilisierung unterzogen. In Europa gibt es keine riesigen Kuhherden wie in Neuseeland und Arizona (einzelne Farmen zählen bis zu 2.000 Kühe). Hier gibt es nur kleinere Herden (oder eben Massentierhaltung) und es gibt keine Ganzjahreskalbung wie in Übersee. Also muss von vielen Bauern eingesammelt werden und es kann keine Frische über das ganze Jahr garantiert werden. Es gibt aber wohl Haltbarkeitsgarantien.
Nachdenklich stimmt aber der in Deutschland auf Grund der zunehmenden Nachfrage immer größer werdende Colostrum-Markt. Das liegt daran, dass als Bezugsquelle immer öfter Bayern und Österreich angegeben werden. Der Markt wird immer größer, aber Bayern und Österreich nicht.
Veterinärmedizinische Studien belegen, dass beide Hygieneverfahren hinsichtlich der Keimreduktion gleichwertig sind. Keines der beiden Verfahren kann eine elitäre Ausnahmestellung hinsichtlich der Erhaltung von Immunglobulinen beanspruchen.
Hinsichtlich der Wirksamkeit von einzelnen Colostrum-Präparaten können Grundlagenforschungsergebnisse und Hygieneverfahren nicht individuell für irgendein Produkt als Qualitätskriterium ausgewiesen werden. Entscheidend sind eigene Studien des Herstellers zu einem bestimmten Produkt, wie auch konkrete Erfolgserfahrungen des Therapeuten.
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