Artikel 15/09/2020

Verlegenheitsdiagnose, Modetrend oder Einbildung? So kann der Zahnarzt bei CMD helfen

Dr. med. dent. M.Sc. Paul Robert Strohkendl Zahnarzt
Dr. med. dent. M.Sc. Paul Robert Strohkendl
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Die Diagnose CMD – in ausführlichen Worten Craniomandibuläre Dysfunktion – kommt neuerdings immer wieder zur Sprache, wenn es um undefinierbare oder auf den ersten Blick unerklärbare Beschwerden im Kopf-/Nackenbereich geht. Ebenso wenn bereits Therapien unterschiedlichster Art nicht oder noch nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben. Handelt es sich hierbei deswegen nur um eine Verlegenheitsdiagnostik? Oder ist es ein „Modetrend“?

Um dies zu beleuchten, ist es notwendig, ein wenig tiefer in unsere medizinische Historie einzutauchen.

Was versteht man unter CMD?

Schaut man sich Statistiken zum Thema Arbeitsunfähigkeit an, so stehen Beschwerden im Muskel-Skelett-System an erster Stelle. Jeder vierte klagt über akute und jeder zehnte über chronische Rückenbeschwerden. Aber was hat das nun mit einer CMD zu tun?

Hier hilft uns die Nomenklatur, denn die Wortbildung CMD – Craniomandibuläre Dysfunktion – ist simpel: Es wird ausschließlich zum Ausdruck gebracht, dass der bewegliche Teil, also der Unterkiefer (Mandibula), bezüglich des starren Gesichtsschädels, der mit der Wirbelsäule verbunden ist (Cranio), nicht das ausführt, wofür er bestimmungsgemäß gebaut wurde (Dysfunktion). Dass durch diese Fehlfunktion alle möglichen Symptome entstehen können, liegt einfach in den mannigfaltigen Missbrauchsmöglichkeiten.

Und nun kommt der schwierige Teil der Geschichte: Wo gehe ich nun hin mit meinen Beschwerden, die so facettenreich sein können wie Nacken-, Schulter- oder Rückenschmerzen, aber auch migräneartiger Kopfschmerz oder Tinnitus?

Wer ist der richte Ansprechpartner bei CMD?

In Deutschland ist die Gebietsabgrenzung der einzelnen Medizingruppen stark vorhanden: Bei migräneartigen Kopfschmerzen kümmert sich z. B. der Orthopäde diagnostisch um Wirbelblockaden, Atlasverschiebung oder Bandscheibenverlagerung, während der manuell tätige Physiotherapeut oder Osteopath die Therapie der orthopädischen Missstände übernimmt.

Der HNO-Arzt bekommt diagnostisch die Tinnitus ähnlichen Ohrgeräusche ab. Wobei sich die therapeutischen Ansätze wie Infusionen im Ergebnis hier in Grenzen halten.

Beim Zahnarzt oder Kieferorthopäden nennt sich das Erscheinungsfeld von Kiefergelenksschmerzen oder abgeknirschten Zähnen dann Craniomandibuläre Dysfunktion. Auch hier besteht bei weitem Uneinigkeit sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie.

Der Psychologe kümmert sich um die psychoemotionalen Stressoren, während der Neuraltherapeut durch Unterspritzung mit Anästhetika Fehlsignale löschen kann.

Auch die Schmerztherapeuten dürfen wir nicht vergessen, denn ohne die hätten viele Patienten nun wirklich gar nichts mehr zu lachen. Und das war nur der Blick vom Scheitel bis zur Sohle. Geht man den Weg von unten nach oben, spielen Beinlängedifferenzen, Einlegesohlen und Ganganalysen eine wesentliche Rolle.

So kann das Phänomen immer weiter ausgedehnt werden. Gegebenenfalls zieht man noch orthomolekulare Medizin oder Hormontherapie hinzu. Oder haben Sie vielleicht auch schon einmal an Apnoe gedacht?

Viele Fachgebiete und dadurch noch mehr Blickrichtungen. Hat man nun das eine oder andere bereits versucht und nicht den gewünschten Erfolg erzielt, kommen gerne Gedanke auf wie „Ist das vielleicht nur eine Verlegenheitsdiagnose, weil der Arzt nicht weiterweiß oder weil es vielleicht gerade ‘Mode’ ist?“ „Oder bilde ich mir das Ganze etwa nur ein?“

So kann der Zahnarzt helfen

Jetzt fragen Sie sich sicher, was denn nun ein Zahnarzt diagnostizieren will, wenn sich so viele Gelehrte (noch) nicht einig sind? Der Zahnarzt kümmert sich in erster Linie um die Funktion des Kauapparates. Hier ist der Bewegungsraum beider Kiefergelenke von großer Bedeutung, der die Zähne, aber auch die umliegenden Strukturen wie Kochen, Muskeln, Bänder etc. beinhaltet.

Dieser Bewegungsraum wird erfasst, am besten mit der instrumentellen Funktionsanalyse. Heutzutage sind gute digitale Messgeräte auf dem Markt, die mit leichten Ultraschallsensoren die Bewegungsräume sehr gut und präzise erfassen können.

Mit Hilfe dieser erhobenen Daten kann die Situation in einem sogenannten Artikulator schädelbezüglich dargestellt werden. Der Zahnarzt und der Patient sollten sich dabei aber im Klaren sein, dass nicht die bestmögliche, sondern eine reproduzierbare Position erfasst wird.

Es kann auch eine Kopie der erkrankten Variante sein. Meist folgt eine manuelle Funktionsanalyse, bei der man sich einen Überblick über umliegende Strukturen verschafft. Dazu gehören Muskeln, Bänder, Kapseln, Knorpel, Gelenkzwischenscheiben etc.

Auch diese Daten geben Aufschluss über die Erkrankungsform. Es wird die Zuordnung beider Kiefer zueinander geprüft und natürlich auch die Verschlüsselung, ob beim Aufbiss alle Zähne zeitgleich zusammenkommen. Aus diesen einzelnen Prüfschritten kann ermittelt werden, in welcher Richtung eine Abweichung besteht.

Die Fälle sind sehr unterschiedlich gelagert. Einfach ist es immer dann, wenn ein Missstand plakativ vorliegt, so dass die Diagnose diskussionslos bestimmt werden kann. So z.B. bei einem seitlich offenen Biss, bei welchem die Kompression im Gelenk die logische Konsequenz darstellt.

Dieser plakative Missstand birgt das Risiko, dass am Anfang gar nicht alle Probleme erkennbar sind. Denn einzelne Probleme können oft so schwerwiegend erscheinen, dass die leichteren nicht wirklich realisiert werden. Und manche dieser kleineren Probleme kommen erst an die Oberfläche, wenn die groben Probleme gelöst sind.

Deshalb ist es in den meisten Fällen so, dass die Erstmaßnahme noch nicht gleich zum gewünschten Erfolg führen muss. Die Folge hieraus ist aber oft, dass das Frustrationslevel steigt, oben genannte Fragen in den Kopf schießen und die Spirale sich weiter nach unten dreht.

Geben Sie sich Zeit. Die CMD ist ein facettenreiches Krankheitsbild mit Begleitsymptomen, die sie meist - wenn auch unbemerkt - über eine lange Zeit erworben haben. Deshalb ist es weder Einbildung, noch eine Verlegenheitsdiagnose und schon gar kein Modetrend, auch wenn die Sensibilisierung für die CMD steigt.

Eine Funktionsanalyse bei einem erfahrenen CMD-Spezialisten kann Ihnen Aufklärung geben und das ist der erste und wichtigste Schritt in Ihre beschwerdefreie oder zumindest beschwerdereduzierte Zukunft.

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