Team jameda
Es wird von politischer Seite her vollmundig behauptet, dass unsere gesetzlich versicherten Patienten alles kriegen können, was die moderne Medizin hergibt, und dass sie keine Sorgen haben müssen, schlechter als Privatpatienten behandelt zu werden. Als Hausärztin erlebe ich täglich, dass das schlicht nicht stimmt! Das „Notwendige und Hinreichende“ sollen wir aufschreiben, aber wie soll das gehen? Mit einem Budget von etwas über 40 € im Monat für einen Rentner kommen wir nicht weit. Wer unter Zuckerkrankheit und Hochdruck leidet, braucht oft schon Medizin für über dreihundert Euro im Quartal. Zur Zeit „retten“ uns die Jungen und Gesunden, die nur einen Rat wünschen; mit ihrem Budget unterstützen wir die Kranken. Wenn aber junge Patienten Medikamente brauchen, sieht es ganz finster aus: Arzneimittel für nur 12 € im Monat darf ich dem verschreiben, der das Rentenalter noch nicht erreicht hat!
Heute besuchte mich ein älterer Herr, der unbedingt eine Gerinnungshemmung braucht. Er hatte Versuche mit einem teureren (weil magenverträglicheren) Original-Präparat. Von den ersten Tabletten bekam er Magenschmerzen, von den zweiten Durchfälle; dagegen halfen natürlich auch Magenschutzkapseln nicht. Nun hatte ich tief in die Musterschublade gegriffen und eine Probepackung jenes teuren Medikamentes herausgezogen, das uns in diesen Fällen als Reserve bleibt. Der Patient war begeistert. „Mir geht es gut!“, freute er sich, „ich vertrage die Tabletten bestens! Kann ich davon eine größere Packung haben?“.
Könnte er. Jetzt hatte ich die Magenschmerzen, die er los war. Hundert Tabletten kosten 198 €! Hundert vergleichbare Tabletten kosten in manchen Versandapotheken nur 1,17 €. Wenn ich diese mit einem Magenschutzpräparat (z. B. hundert Stück für 60 €) kombinierte, käme ich immer noch viel günstiger weg. Als ich daran dachte, dass allein schon die anderen Medikamente dieses Patienten mein für ihn vorgesehenes Budget sprengen, hatte ich noch mehr Bauchschmerzen. Was nun? Vielleicht ein bisschen Durchfall riskieren und hoffen, dass der eventuell wieder verschwindet?
Bei einem Privatpatienten hätte ich das Rezept einfach ausgestellt, denn der bekommt von seiner Kasse alles, was er braucht. Bei meinem Patienten heute rang ich mich auch dazu durch, allerdings voller Angst, bald wegen Budgetüberschreitung belangt zu werden. Waren meine Verordnungen doch schon im letzten Quartal zu teuer gewesen! Es gibt Ärztinnen und Ärzte, von denen die Kassen sechsstellige Summen zurückfordern. Wir alle haben Angst davor, mit unserem Privatvermögen (so wir denn welches haben), für unsere Verschreibungen zu haften.
Wenn ich im Ausland erzähle, dass wir für hochklassige Medizin persönlich in Regress genommen werden, werde ich fassungslos bestaunt. So richtig kann das keiner glauben! Aber in Deutschland ist das Realität. Darum balancieren wir täglich zwischen dem was wir möchten, und dem was wir können, immer mit dem Damoklesschwert der Regressforderung über uns.
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