Team jameda
Die Diagnose ADS bzw. ADHS wird immer häufiger in unserem kinderpsychiatrischen und kinderärztlichen Praxen gestellt. Zur Zeit sind drei bis sieben Prozent aller Schulkinder betroffen, wobei Jugen mit 80 Prozent auffallend häufig als hyperaktiv diagnostiziert werden.
Zu Beginn der 90er Jahre war diese Diagnose noch wesentlich seltener anzutreffen, was sich in der Anzahl der verordneten Methylphenidat-Tagesdosen niederschlägt. So werden heute ca. 23-mal mehr Tagesdosen des genannten Medikaments verordnet als noch vor 15 Jahren. Diese scheinbare statistische Zunahme gründet sich auf den hohen Bekanntheitsgrad und die verbesserte Diagnostik des Syndroms. Oft stehen die betroffenen Familien der Diagnose hilflos gegenüber. Es stellt sich vor allem die Frage, wie die Kinder und damit die Familien im Alltagsablauf unterstützt werden können. Hier ist Beratung notwendig.
In der Literatur finden sich mehrere Begriffe für das gleiche Symptomenbild. Diese sind:
Um ein bisschen Ordnung in dieses Begriffschaos zu bringen, möchte ich zunächst kurz auf die möglichen Ursachen des Syndroms zu sprechen kommen. Neben aller Unsicherheit ist klar, dass es sich um ein vielschichtiges Geschehen handelt. Zwillings- und Adoptionsstudien deuten auf eine genetische Veranlagung als einen wesentlichen Faktor. So haben ca. 50 Prozent aller betroffenen Kinder mindestens einen Elternteil mit bis zu diesem Zeitpunkt undiagnostizierter ADS/ADHS). Genetische Studien haben gezeigt, dass diese Patienten Veränderungen im Erbgut aufweisen, die zu einer Störung im Bereich der Informationsverarbeitung führen können.
Schaut man sich das Gehirn der Betroffenen an, findet man minimale Abweichungen in verschiedenen Bereichen, die allerdings so gering sind, dass sie für eine individuelle Diagnose nicht ausreichen.
Komplikationen vor, während und nach der Schwangerschaft stehen zumindest in Verdacht, einen ungünstigen Einfluss auf den Ausbruch der Symptomatik zu haben. Gemeint ist der Genussmittelmissbrauch (v.a. Nikotin und Alkohol) in der Schwangerschaft oder von Komplikationen während der Geburt (z. B. vorübergehender Sauerstoffmangel des Kindes durch Geburtsstillstand oder andere Schwierigkeiten während der Entbindung). Ein endgültiger wissenschaftlicher Beweis konnte jedoch noch nicht geführt werden.
Das gilt auch für den immer wieder geäußerten Verdacht, dass zwischen ADS/ADHS und Allergien bzw. Nahrungsmittelunverträglichkeiten ein direkter Zusammenhang besteht. Dennoch berichten Eltern immer wieder von Verbesserungen oder Verschlechterungen der Symptome durch Genuss bestimmter Lebensmittel oder Verzicht auf bestimmte Lebensmittel. Neben Zucker und Süßstoffen stehen hier auch Farbstoffe und Fastfood wie Hamburger und Co. in der Schusslinie.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Nervenumhüllungen Zellen enthalten, die bei Kontakt mit allergieauslösenden Substanzen reagieren, indem sie spezielle Stoffe freisetzen und letztlich zu Verhaltensstörungen führen können. Erste Ansätze in dieser Richtung stammen aus kinderärztlichen Praxen in Amerika.
Die neueste Arbeit auf diesem Gebiet stammt von britischen Kinderärzten. In einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie konnte nachgewiesen werden, dass bereits bei einer Aufnahme von 20 mg künstlicher Farbstoffe pro Tag eine deutliche Zunahme hyperaktiven Verhaltens zu verzeichnen war. Zudem spielte es keine Rolle, ob die Kinder vor Studienbeginn unter ADHS litten oder nicht. Das heißt, auch bei Kindern, die in ihrem Verhalten vor Studienbeginn als absolut normal eingestuft wurden, erhöhte sich das hyerpaktive Verhalten. Weitere Forschungsarbeiten in dieser Richtung sind zur weiteren Abklärung notwendig.
Als letzter Faktor fehlt noch der Einfluss des psychosozialen Umfeldes. Eindeutige Erkenntnisse gibt es bislang nur in Bezug auf die Entwicklung begleitender Symptome wie Leistungsschwäche, agressives Verhalten oder emotionale Störungen (z. B. Entwicklung eines negativen Selbstbildes und Depressionen sowie Angst- und Einschlafstörungen). In diesem Bereich fördern ungünstige Familienverhältnisse wie ständig wechselnde Bezugspersonen, Vernachlässigung oder gar Misshandlung und nicht zuletzt schwierige Bedingungen in der Schule eine ausgeprägte Symptomatik bzw. einen chronischen Verlauf des Syndroms.
Literaturverzeichnis
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’Richtlinien für die Erziehung aufmerksamkeitsverschiedener Kinder’
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'Die Aufmerksamkeitsstörung /ADS’
Was nun? Ausgabe 2, 1996
Seither-Decker, Dr. Helma
’Workshop - ADS - Aufmerksamkeitsdefizitstärungen
LERNEN FÖRDERN Landesverband Baden-Württemberg, Landesverbandstagung 2000
vitOrgan Arzneimittel GbmH
’Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom’
Forum 3, 2002
Wolf, Elke
’ADHS: Hyperaktiv durch Nahrungszusätze’
Pharmazeutische Zeitung, Juni 2005
'Das ganz alltägliche Chaos’
Pharmazeutische Zeitung, Mai 2005
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