Wenn sich der große Zeh immer weiter abwinkelt, hat sich ein Hallux valgus entwickelt. Die Schieflage kann so weit fortschreiten, bis Schuhe kaum noch passen und Schmerzen beim Laufen entstehen. Damit es gar nicht so weit kommt, wollte jameda von Dr. Köhne, einer der Vorstände der Gesellschaft für Fußchirurgie wissen, wie man die Entwicklung eines Hallux valgus verhindern kann.
jameda: Schuhe mit hohen Absätzen erhöhen den Druck auf die Zehen und können sie in eine Schieflage zwingen. Ist von High-Heels grundsätzlich abzuraten?
Dr. Köhne: Manche Frauen tragen ihr Leben lang hohe Schuhe, ohne einen Hallux valgus zu bekommen. Andere haben nur Turnschuhe im Schrank, entwickeln aber beispielsweise durch eine Bindegewebsschwäche einen Ballenzehen. Grundsätzlich ist es jedoch richtig, dass High-Heels einen Hallux valgus begünstigen können. Es ist aber ein Unterschied, ob der hohe Schuh täglich von früh bis spät getragen wird oder gelegentlich für ein paar Stunden.
jameda: Worauf sollten Patienten, die schon einen Hallux valgus haben oder eine Schiefstellung verhindern möchten, beim Schuhkauf achten?
Dr. Köhne: Schuhe sollten bequem sein, ohne Druck auf die Großzehenballen auszuüben. Bestehen zusätzliche Deformitäten wie z. B. ein Plattfuß, dann ist auch auf eine gute Abstützung auf der Fußinnenseite zu achten.
jameda: Hilft es, ab und zu ganz auf Schuhe zu verzichten und barfuß zu gehen?
Dr. Köhne: Hallux-valgus-Patienten im fortgeschrittenen Stadium können oft gar nicht mehr barfuß gehen, weil der Fuß sehr instabil geworden ist. In diesem Fall fühlen sich die Patienten, als würden sie auf Steinen laufen. Barfuß zu gehen ist auch für viele ältere Patienten schwierig, da sie aufgrund des reduzierten Fettpolsters an der Fußsohle fast auf ihren Knochen laufen. Wer jung ist und einen Hallux valgus verhindern möchte, kann aber ruhig hin und wieder auf seine Schuhe verzichten: Barfußlaufen entlastet den Vorfuß, weil Absätze fehlen, die Druck ausüben.
jameda: Das Risiko, einen Hallux valgus zu entwickeln, ist manchen Betroffenen in die Wiege gelegt – sie bringen eine erbliche Veranlagung für Ballenzehen mit. Auch Kinder, Diabetiker und ältere Frauen gehören zur Risikogruppe. Worauf sollten diese Patienten achten?
Dr. Köhne: Besonders Diabetiker sollten aufpassen: Manche spüren den Druck auf ihre Zehen gar nicht mehr und laufen so Gefahr, offene Stellen zu bekommen.
jameda: In welchem Stadium kann man die Entwicklung eines Hallux valgus noch verhindern?
Dr. Köhne: Können Patienten den deformierten Zeh noch manuell in seine ursprüngliche Position zurückschieben, dann kann eine konservative Behandlung, beispielsweise Muskeltraining, helfen. Ein ganzheitliches Training der Sprunggelenke sowie der Hüft- und Kniemuskeln hilft, den Druck frühzeitig abzufedern und den Fuß zu entlasten. Ist die Großzehe schon sehr steif und behält ihre schiefe Position unveränderlich bei, hilft nur noch eine Operation. Die Operation wird bei Schmerzen und gescheiterter konservativer Therapie vorgenommen.
jameda: Manchmal entwickelt sich erst ein Spreizfuß, dann ein Hallux valgus. Gibt es bestimmte Übungen, mit denen Patienten das Fortschreiten der Zehendeformation stoppen können?
Dr. Köhne: Ein Spreizfuß entwickelt sich, wenn das Bindegewebe immer schwächer wird und die Muskeln und Bänder der Belastung nicht mehr standhalten. Durch ein Ungleichgewicht der ansetzenden Sehnen am Grundglied der Großzehe entsteht dann die Schiefstellung. Man kann dieser Entwicklung durch das Training der richtigen Muskeln und durch eine Verminderung der Belastung des Vorfußes entgegenwirken.
Das Muskeltraining sollte aber nur unter Anleitung stattfinden, um die individuell passenden Übungen auszuwählen und ein Fortschreiten der Fehlstellung durch falsches Training zu verhindern. Sind die Kapseln oder Bänder bereits verkürzt, hilft allerdings kein Training mehr weiter.
jameda: Was ist von Einlagen, Zehenspreizern und Orthesen zu halten – helfen sie gegen Ballenzehen?
Dr. Köhne: Einlagen helfen, die Schmerzen zu lindern. Zehenspreizer und Orthesen dehnen die Kapsel allerdings nur kurzzeitig: Zieht sie der Patient aus, rutscht der Zeh wieder in seine Schieflage. Deshalb findet keine nachhaltige Korrektur statt. Viele Patienten empfinden die Schienen außerdem als störend.
jameda: Gibt es noch andere Methoden, die helfen, einen Hallux valgus zu verhindern?
Dr. Köhne: Grundsätzlich ist ein ganzheitliches Muskeltraining wichtig. Die Spiraldynamik wird diesem Anspruch gerecht. Eine weitere Möglichkeit der aktiven und passiven Unterstützung des Fußes bieten sensomotorische Einlagen. Sie sollen die Fußmuskulatur stimulieren und dadurch auch beim Hallux valgus helfen. Dafür gibt es allerdings keine wissenschaftlichen Belege. Es gibt auch Patienten, die ihren schiefen Zehen beim Sport tapen – eine dauerhafte Korrektur der Fehlstellung ist damit allerdings nicht möglich.
jameda: Vielen Dank für das Gespräch!
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