Warum rauchen die Menschen Tabak?
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich mit dem Begriff „Sucht“ auseinander setzen. Er leitet sich ab vom gotischen Wort „suikan“. Dies bedeutet im eigentlichen Sinne „siechen“, also Krankheit (altertümlich auch Siechtum). Altbekannte Beispiele sind Schwindsucht (deutscher Begriff für Tuberkulose) oder Magersucht.
Heute verstehen wir unter Sucht eine neurobiologische Störung mit Beeinträchtigung körperlicher Funktionen, des Verhaltens oder des Denkens. Kurz: in erster Linie die psychische oder körperliche Abhängigkeit von einer Substanz. Sucht bedeutet in unserem Sprachgebrauch auch eine „Unfreiheit des Willens“. Die Betroffenen können nicht mehr kontrollieren wann und in welcher Menge sie bestimmte Substanzen (eben meist Nikotin, Alkohol oder Rauschdrogen) einnehmen, bzw. deren Gebrauch beenden. Zur Sucht gehört auch das Handeln entgegen eines besseren Wissens. Das bedeutet, dass der Substanzgebrauch trotz bekannter negativer Folgen für die Gesundheit fortgesetzt wird.
Ähnlich wie bei Substanzen mit Rauschwirkung kommt es auch durch Nikotin zur Freisetzung besonderer Botenstoffe im Gehirn die das körpereigene Lust- und Belohnungssystem aktivieren. Es entsteht eine verhängnisvolle Beziehung zwischen dem Einatmen des Zigarettenrauchs (Reiz) und dem anschließenden Wohlbefinden (Reaktion). Im Gedächtnis entsteht eine positive Verknüpfung zwischen Reiz und Reaktion.
Wenn man davon ausgeht, dass von einer Zigarette etwa 10 rauchhaltige Atemzüge genommen werden, dann kommt es bei 20 Zigaretten pro Tag 200 Mal zu einer Verstärkung dieser positiven Verknüpfung. Andere äußere Umstände, wie z. B. das Rauchen in geselliger Runde verstärken das positive Gefühl und den daraus entstehenden „Belohnungseffekt“. Jeder zweite regelmäßige Raucher erfüllt die diagnostischen Kriterien einer Nikotinabhängigkeit, also einer Suchterkrankung.
Rauchen ist ein Fehlverhalten. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Rauchen, ungesunder Ernährungsweise, unzureichender oder fehlender körperlicher Bewegung und vermehrtem Alkoholkonsum. Menschen mit krankhafter Alkoholabhängigkeit sind zu 80 % Raucher. Darüber hinaus beschreibt ein vor kurzem veröffentlichter wissenschaftlicher Bericht, dass es in Großbritannien insgesamt zehn Millionen Raucher gibt, von denen drei Millionen eine psychische Gesundheitsstörung haben. Dabei handelt es sich meist um Depressionen.
Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen Depression und Zigarettenrauchen schon lange bekannt. Bei manchen Menschen kann der Nikotinkonsum als Versuch zur Linderung von Symptomen einer Depression oder Angststörung interpretiert werden. Bei Nichtrauchern mit einer Depression kommt es zu einer Stimmungsverbesserung wenn Nikotin, z. B. als Pflaster, gegeben wird. Dies ist vergleichbar mit dem Effekt von antidepressiv wirkenden Psychopharmaka. Andererseits berichten psychisch gesunde Menschen, die das Rauchen aufgeben, über Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Symptomen.
Viele Raucher glauben, dass Nikotin kurzfristig ihre Konzentrations- und Lernfähigkeit steigert. Langfristig ist das Gegenteil der Fall. Der geistige Abbau, die Entwicklung einer Demenz, wird durch Nikotinmissbrauch beschleunigt. Dies geschieht durch die Schädigung der so genannten Endothelzellen in den Arterien. Die kleinsten Gefäße im Gehirn sind davon besonders betroffen. Diese können sich verschließen und dadurch einen Sauerstoffmangel der Nervenzellen verursachen - es kommt zum Absterben von Hirngewebe und zum Verlust der Hirnfunktion (siehe „Vaskuläre Demenz“ bei jameda).
Eine weitere schädliche Wirkung des Nikotins fördert die Entwicklung von Gefäßerkrankungen und nachlassender Hirnfunktion: Es verursacht Schlafstörungen. Diese werden allerdings während der Nachtruhe nicht bemerkt und fallen - wenn überhaupt - nur durch eine vermehrte Tagesmüdigkeit auf.
In den westlichen Ländern steht das Zigarettenrauchen auf Platz Nr. 1 der vermeidbaren Einzelursachen für eine lange Reihe chronischer Erkrankungen. Der Volksmund kennt die „Raucherlunge“ oder das „Raucherbein2 (siehe „Schaufensterkrankheit“ bei jameda). Die Folgen des Tabakkonsums sind der Grund für ein vorzeitiges Versterben bei der Hälfte aller langjährigen Raucher. Dabei fällt die „Entscheidung“, Raucher zu werden früh, durchschnittlich im Alter von 15 Jahren. Jenseits des 25. Lebensjahres greift kaum jemand zur ersten Zigarette. Wenn der Prozess des Erwachsenwerdens im dritten Lebensjahrzehnt abgeschlossen ist und damit die Verantwortung für das eigene Schicksal vollständig übernommen werden kann, wäre der allerspäteste Zeitpunkt gekommen, das Fehlverhalten „Rauchen“ zu beenden und Vorsorgemaßnahmen gegen das Auftreten der Folgeerkrankungen zu treffen.
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